Europa Themen

Rechtsruck oder Wechselstimmung?

Wer genauer hinschaut, dem wird immer noch schwarz vor Augen. Viel hat sich nicht geändert gegenüber der letzten Wahl. Nur dass die Farben Schwarz (CDU) und Hellblau (CSU) schon recht verblasst sind. Das neue Blau in Sachsen (AfD) ist aber dem Hellblau zum verwechseln ähnlich, d.h. es ist auch nur ein verblasstes Schwarz. Neu und bedauerlich ist, dass eine knappe Mehrheit für Rot/Rot/Grün verloren gegangen ist, die es 2013 rechnerisch noch gab. Aber da hieß es trotz der weitgehenden programmatischen Übereinstimmung, dass es in Deutschland keine Zustimmung für Rot/Rot/Grün gebe. So gesehen dürfte es auch keine Jamaika-Koalition geben. Lediglich 9,3 % der Wähler können sich eine Koalition aus Union, FDP und Grüne vorstellen. Nicht mal eine Mehrheit in diesen Parteien selbst will Jamaika (Schwarz/Gelb/Grün). Die Chance für einen Politikwechsel haben die SPD wie auch die Grünen vermasselt, weil sie nicht bereit waren, auch nur einen Schritt auf die Linke zuzugehen, z.B. in der Frage, dass von Deutschland kein Krieg mehr ausgehen darf. Die SPD glaubt aber immer noch, sie könne die nächste Wahl allein gewinnen. Verbaut wurde die Chance erst jetzt mit dem Wechsel der unzufriedenen Wähler zur AfD, weil die die Hoffnung auf einen Politikwechsel mit den „etablierten“ Parteien verloren haben. Bezieht man die Stimmenanteile auf alle Wahlberechtigten, entfallen auf das Konservative Lager (Union, FDP und AfD lediglich 36,6%. Ein Drittel (!) aller Wahlberechtigten haben nicht, ungültig oder unter 5% gewählt. Politikwechsel hat wieder eine Chance, wenn nur etwa 2 Millionen der Wechsel- und Nichtwähler wieder zu Rot/Rot/Grün zurück wechseln.
WahlLager
Die großen Wahlverlierer sind die Regierungsparteien Union und SPD. CDU/CSU verliert gegenüber 1990 zehn Prozentpunkte, feiert sich aber als Wahlsieger. Der Stimmenanteil der SPD hat sich seit 1989 halbiert. Obwohl lt. Infratest dimap 84% der Wähler glauben, Deutschland gehe es wirtschaftlich gut, sind nur 51% der Wähler mit der Arbeit der Bundesregierung und der CDU zufrieden. Die Unzufriedenen haben lediglich die Seite gewechselt, nicht aber ihre politische Einstellung. Allein 1,3 Millionen Wähler haben statt CDU/CSU jetzt wieder FDP und fast eine Mio AfD gewählt. Gauland wäre als ehemaliges CDU-Mitglied und jetziger AfD-Vize ein typischer Vertreter der Unzufriedenen, wenn er nicht rechtsradikal wäre. Er will sich jetzt nicht nur „sein Volk“, sondern auch seine CDU zurückholen. So gesehen erlebt Deutschland keinen Rechtsruck, es bleibt rechts. Mit dem Wählerwechsel in Richtung AfD bleiben „nur“ die rechten Politikfelder weiter besetzt, die die Union unter Merkel verlassen hat. Die CSU will jetzt „die offene Flanke schließen“, sprich nach rechts rücken. Sie kalkuliert, dass je weiter sie sich nach rechts bewegt, werden die Unzufriedenen wieder zurück zum Original wechseln. Geboren aus Unzufriedenheit entstand eine Wechselstimmung. Viele Wechselwähler sind Protestwähler und umgekehrt, ihnen fehlt politische Aufklärung. Insofern ist die Wechselrichtung nicht nachhaltig. Denn je mehr sich die AfD als Partei „völkischer Nationalisten“ entblößt, werden auch die fast 1 Mio Wechselwähler aus SPD, Grüne und Linke nicht noch mal extrem rechts wählen. Vertagt hat sich auch wieder das Problem, wohin die 25 % der Nichtwähler (Zweitstärkste Kraft in Deutschland), wechseln, wenn sie sich denn bewegen.
Für 57% aller Wähler ist das Programm einer Partei wahlentscheidend, weniger ihr Kandidat. Warum bekommen Kandidaten dann bei der Wahl die Erststimme? Wahlentscheidend waren auch weniger die Zuwanderung von Flüchtlingen als vielmehr z.B. die Schul- und Bildungspolitik. 70% aller Wähler machen sich berechtigte Sorgen, dass „die Gesellschaft immer weiter auseinander driftet“. Vor allem deshalb sind die Regierenden abgestraft worden. 38% haben Angst, dass „zu viele Fremde nach Deutschland kommen“. D.h. der große Teil aller Wähler ist für eine bessere Integration der Flüchtlinge, die nicht ohne Grund flüchten. Das hat die Elite in CDU/CSU, FDP und AfD noch nicht realisiert. 55% aller Wähler sind unzufrieden mit Merkels Flüchtlingspolitik, im Osten mehr als im Westen. Wobei sich die Unzufriedenheit der AfD-Wähler politisch von denen der Linkswähler diametral unterscheidet. AfD-Wähler haben die AfD nicht wegen ihres Programms gewählt, denn das ist für deren Macher nur sekundär. 60% der AfD-Wähler haben AfD aus Enttäuschung gewählt, nicht aus Überzeugung. Fast alle AfD-Wähler wählen die Partei, weil sie sich „nicht mehr sicher fühlen“, weil sie den „Einfluss des Islam verringern“ und den „Zuzug von Flüchtlingen begrenzen“ wollen. Dagegen meinen 86% aller Wähler, dass sich diese Partei „zu wenig von Rechtsextremen abgrenzt“. Aber die Masse der Unzufriedenen sind sind nicht die Rechtsextremen.
Die SPD hat für ihre Jahre als der kleinere Koalitionspartner mit den Konservativen die Quittung bekommen und lehnt jetzt den Verbleib in der große Koalition ab (die gar nicht mehr groß wäre). Koaliert sie ein weiteres mal mit der Union, wäre das Selbstmord. Die Konservativen drängen jetzt die SPD, die große Koalition weiterzuführen. Selbst die Kreide fressende FDP und Grünen appellieren an die demokratische Verantwortung der SPD (als Retter der Nation vor dem Rechtsruck), obwohl sie doch selbst an die Macht wollen. Aber das ist schon wieder neuer Wahlkampf, obwohl der jüngste gerade erst beendet ist.
Wenn die SPD wieder zu alten sozialdemokratischen Zielen finden will, müsste sie sich noch sehr viel bewegen. 53% der Wähler meinen, dass die Grünen zur Union passen, so wie sie sich entwickelt haben. Der Wahlgewinner (schwarz, konservativ) hat auch keine andere Option, als Jamaika, wenn die SPD konsequent bleibt. Eine knappe Mehrheit von 53% der SPD-Wähler ist immer noch für eine Koalition mit der Union, entgegen ihrer Führung. Bei FDP und Grünen steht eine satte Mehrheit ihrer Wähler für eine Koalition mit der Union. Gegen die Wählerstimmung wird die CDU eine Jamaika-Koalition versuchen. Sie hat es inzwischen mit 3 Partnern zu tun, weil die CSU gegen die Kanzlerin opponiert. FDP und Grüne wollen nur pokern. Mit der AfD will noch keiner, obwohl es inhaltlich große Übereinstimmungen mit dem konservativen Lager gibt.
69% aller Wähler meinen, dass sich „mit der Union die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet hat“, bzw. „der Wohlstand ungleich verteilt ist“. Die einzige Partei, die das lt. Ihrem Programm ändern will, und die die „Dinge beim Namen nennt“, ist die Linke, meinen 81% der Wähler. Dagegen ist der Stimmenanteil der Linken relativ gering, und damit auch ihre Möglichkeiten, daran etwas zu ändern. Nur 16% aller Wähler sprechen der Linken Kompetenz in sozialen Fragen zu. Ein Widerspruch! Wie lange noch? Zu lange wurde die Linke dämonisiert, mit politisch unlauteren Mitteln. Gerade mal 20% aller Wähler finden, dass die SPD zur sozialen Gerechtigkeit steht. Das entspricht ihrem Stimmenanteil. Dagegen sind sich 59% der SPD-Wähler unklar darüber, wofür die Partei eigentlich steht. Ihnen steht der Weg in die Linke offen, meinen 96% der Linke-Wähler, die wissen was sie wollen. 57% aller Wähler glauben an die wirtschaftliche Kompetenz der Union, zu Unrecht. Ihnen fehlt Aufklärung. Aber wer will sich schon aufklären lassen. Alle wissen es besser. Den Grünen wird nur nennenswerte Kompetenz in Umweltpolitik zugesprochen. Nicht nennenswerte Kompetenzen sehen Wähler bei der FDP (8% Steuerpolitik), und bei der AfD (8% Flüchtlingspolitik).
Bedauerlich ist, dass die Parteien schon wieder in ihrer Tagespolitik versunken sind, bevor sie realisiert haben, welche Botschaften diese Wahl überhaupt senden sollte.

 

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Kommt der Rechtsextremismus aus der DDR?

Die Ostbeauftragte der Bundesregierung Iris Gleicke (SPD) hat das Institut für Demokratieforschung in Göttingen beauftragt zu analysieren, warum gerade auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sich so stark ausdehnen konnte. Nach der Vereinigung wurden insbesondere im Osten Deutschlands fremdenfeindliche und rechtsextremistische Aktionen und das Erstarken von Pegida sowie rechtsradikale Initiativen und Organisationen wahrgenommenen. Wegen der Studie gibt es jetzt Zoff, nicht nur weil sie handwerkliche Fehler enthält, sondern vorallem weil sie wohl politisch ungewollte Aussagen enthält. Sie wirft besonders der CDU-geführten sächsischen Landesregierung Versäumnisse im Kampf gegen rechte Gesinnung vor. Zu Recht, meint der Historiker Ulrich van der Heyden im nd. Aber im Wahlkampf? Das geht ja gar nicht.
Die Studie enthält Fehler und Ungenauigkeiten. Z.B., dass es in der DDR 8600 rassistische oder antisemitische Vorfälle gegeben habe. Die hohe Zahl ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass die Stasi in der DDR akribisch jeden rechtsextremen Fall registriert hat, wogegen zuständige Stellen, wie Geheimdienste, in der BRD gerade auf dem rechtem Auge blind sind. Grundsätzlich falsch ist z.B. die Aussage, dass die DDR-Führung eine „Verschleierung des Faschismus“ erzwungen habe. Lt. Studie waren rechtsextremistische Parolen in der DDR anfangs weniger eine Identifikation mit dem Nationalsozialismus, als vielmehr eine „Identifikation mit dem Feind des Feindes“. Deshalb machte das Strafgesetzbuch der DDR Unterschiede zwischen dem Straftatbestand des Rowdytums, der Faschistischen Propaganda und der Völker- und Rassenhetze. Die DDR verstand Nation als eine Entscheidung für ein progressives Projekt, nicht als heilige Geschichts- oder Abstammungstatsache. Die Reduktion von Nation auf Nationalität, wie heute in der AfD üblich, galt in der DDR als reaktionär.
DDR-Bürger konnten zwar nicht in die Welt reisen, aber ihnen wurde die Welt ins Haus gebracht: Durch internationale Sportveranstaltungen, wissenschaftliche Konferenzen, Jugendtreffen und Weltfestspiele. Dass Vertragsarbeiter in der DDR »isoliert« hätten leben müssen, ist ebenfalls ungenau. Immerhin hatten allein junge mosambikanische Männer tausende Kinder mit DDR-Frauen. Während in der Göttinger Studie die krampfhafte Suche nach möglichen Wurzeln für heutige Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in der DDR-Vergangenheit durchblickt, zeigt dagegen die Studie der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung, dass die Formel DDR = AfD auch empirisch nicht aufgeht. Wenn diese im Osten stärker ist, liegt das nicht an einem DDR-Kulturerbe, sondern an Erfahrungen in der erweiterten Bundesrepublik nach der Wende.
Die größte Schwachstelle der Studie aus Göttingen ist daher, dass sie nicht untersucht was in den inzwischen 27 Jahren nach der deutschen Vereinigung schiefgelaufen ist. Da blieben z.B. die vom „Kanzler der Einheit“ versprochenen „blühenden Landschaften“ aus. Und viele Ostdeutsche beklagen, dass ihnen nach 1990 nicht nur die Arbeit, sondern auch ihre Würde genommen wurde. Der Sozialphilosoph Oskar Negt meint, man könne nicht die Biografien eines ganzen Volkes mit einem Schlag für null und nichtig erklären. Wer andauernd in einem demütigenden Entwertungszustand gehalten werde, der beginne mit der Wiederherstellung seiner Würde auf einer rebellierenden Ebene. Daniela Dahn erinnerte in einem Buch an den enormen Aderlass an jungen, kreativen, gebildeten und lebenslustigen Menschen, die im gewendeten Osten keine Zukunft sahen. Zurück blieben weniger Bewegliche und ein im Vergleich zu Westdeutschland überdurchschnittlich hoher Anteil an Rentnern, Die von Negt vorhergesagte Rebellion habe sich schließlich in Fremdenfeindlichkeit und Zusammenschlüssen wie Pegida und AfD entladen, in einem „neuen Nationalismus der Deklassierten“, vor den namhafte Wirtschaftswissenschaftler aus beiden deutschen Staaten in ihrem „Warnruf der ökonomischen Vernunft“ bereits 1990 gewarnt hatten. Der letzte DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel (CDU) meint dazu: „Die wildgewordenen Spießer, die heute mit Pegida auf die Straße und gegen Asylbewerber zu Felde ziehen, sind nicht so, weil sie in der DDR lebten, sondern weil sie eine scheiß Angst davor haben, dass ihnen ihr bisschen Wohlstand genommen wird. Das ist nicht die Furcht vor dem Fremden, sondern vor ihrer eigenen Zukunft, die ungewiss ist. Diese Furcht hat nun wahrlich nichts mit der DDR-Vergangenheit zu tun“.

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Die CDU und Steuerungerechtigkeit

Die Regierungen Kohl, Schröder, Merkel haben seit 1998 den Spitzensteuersatz kräftig gesenkt, die Unternehmenssteuern reduziert und die Abgeltungssteuer eingeführt. Davon haben vor allem die Besserverdiener profitiert. Zugleich wurden die indirekten Steuern wie die Mehrwertsteuer und die Energiesteuern einschließlich EEG-Umlage erhöht. Dadurch wurden vor allem Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen proportional stärker belastet. Wie die Grafik vom DIW (s. oben) zeigt, zahlen Geringverdiener fast nur indirekte Steuern, weil sie wenig Einkommen haben. Sie wurden auch nicht entlastet durch die Senkung des Eingangssteuersatzes. Sie, wie auch die Mittelschicht, haben auch nichts davon, wenn der Spitzensteuersatz erhöht (verschoben) wird, wie es alle im Bundestag vertretenen Parteien fordern.
In der Grafik erscheinen die Sozialbeiträge wie der „Wal in der Badewanne“. Superreiche erscheinen in der Grafik gar nicht, da sie zumeist Unternehmens- und Kapitaleinkünfte haben, auf die keine progressive Einkommensteuer anfällt. Wenn sie ihre Millioneneinkommen im Unternehmen lassen oder in andere Unternehmen investieren, zahlen sie noch nicht einmal Abgeltungssteuer. Dann werden nur die niedrigeren Unternehmenssteuern fällig. Da sie sich auch teure Steuerberater leisten können, zahlen sie höchstens 20 oder 25 % Steuern auf ihre dreistelligen Millioneneinkünfte. Wenn selbst der Milliardär Warren Buffet meint, dass er weniger Steuern zahlt als seine Sekretärin, dann ist die Welt weit entfernt von Steuergerechtigkeit. Diesen Buffet-Effekt haben wir auch in Deutschland meint der Steuerexperte Dr. Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin im nd.
An diese Politik wollen CDU und FDP festhalten und vor allem die Mittelschicht steuerlich entlasten. Um die Mittelschicht zu entlasten, müsste der Grundfreibetrag erhöht und die Eingangsteuersätze gesenkt werden. Das kostet aber Steuerausfälle von mindestens 30 Milliarden Euro im Jahr, die man nur vermeiden kann, wenn man Top-Verdiener höher besteuert. Allein durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes können Steuerausfälle aber nicht kompensiert werden. Daher ist das Steuerkonzept der Union eine Mogelpackung.
Linkspartei, SPD und Grüne wollen dagegen Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen entlasten und Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten. Die Linke will darüber hinaus für hohe Vermögen (über einer Million) wieder eine Vermögensteuer einführen und die Erbschaftsteuer erhöhen. Die Abgeltungssteuer will die Linke abschaffen und stattdessen Kapitalerträge progressiv besteuern.
Hierzu eine kleine Geschichte am Rande. Ein thüringischer Politiker hat sich für höhere Staatsabgaben beim Kauf von Grundstücken ausgesprochen. Er ist zwar der kommunalpolitische Sprecher der Fraktion die LINKE im Thüringer Landtag, sprach in diesem Fall aber nur in seinem Namen. Inhaltlich geht es ihm um Steuergerechtigkeit. Der Kauf von Grundstücken sollte genauso besteuert werden, wie z.B. der Kauf von Autos. Nur 6,5 % Grunderwerbsteuer auf den Kauf von Grundstücken, wie in Thüringen, stelle eine Steuervergünstigung dar. Ungerecht sei auch, dass der Häuslebauer, der dazu nur ein Grundstück kauft, weniger Grunderwerbssteuer zahlt, als der, der sich ein Haus mit Grundstück kauft. Sinnvoller sei es, bei Grundstückskäufen gar keine Grunderwerbssteuer, dafür aber 19 % Umsatzsteuer zu erheben.
Mal abgesehen davon, dass es nur eine private Meinung ist, die nicht unbedingt mit dem linken Steuerkonzept übereinstimmt, war die Reaktion in den sozialen Netzwerken (wie Twitter) bezeichnend. In einer Schlammschlacht bedienten sich besonders CDU-Anhänger solcher demagogischen Argumente, wie :„LINKE geben gerne das Geld anderer Leute aus“, oder „die LINKE ist eine Partei der Steuererhöher“. Die CDU nimmt per-se für sich in Anspruch die bessere Partei in Wirtschafts- und Steuerfragen zu sein. Das ist wohl eher ein Treppenwitz und entspricht nicht im Geringsten den Tatsachen. Die CDU steht vor allem dafür, dass über Steuern von unten nach oben umverteilt wird. Sie ist es, die sich das Geld vor allem von den unteren Einkommensschichten holt, um die Reichen steuerlich zu schonen.

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Umgangsrecht und Doppelresidenz

Die Teilung der Betreuung gemeinsamer Kinder getrennt lebender Eltern zu gleichen Teilen fordern Initiativen von Scheidungsvätern schon seit langem. Scheidungsväter der letzten Generation, die heutigen Opas, bekamen weder das Sorgerecht noch das Recht auf den Umgang mit ihren Kindern, wenn es die Mutter nicht wollte. Nach wie vor leben Scheidungskinder überwiegend bei der Mutter. Die Väter hatten lediglich die Pflicht zur Zahlung des Unterhaltes, aber nicht das Recht auf Umgang. Das soll sich ändern. Die „Paritätische Doppelresidenz“ als Regelfall heißt, Scheidungskinder leben im Wechsel bei Mama und Papa. Die Zeiten des alternativlosen „Ganz oder gar nicht“, das Männer zu puren Zahlvätern degradierte, gehen offenbar zu Ende. Väter sollen im Idealfall die Hälfte der Betreuungsaufgaben übernehmen, dafür entfällt der Kindesunterhalt. Immer mehr Studien und Befragungen bestätigen die Wünsche von Trennungsvätern. Zahlen des Allensbach-Institutes zeigen, dass 51 % die Doppelresidenz befürworten. Doch nur 15 % der getrennten Paare praktizieren tatsächlich die halbe-halbe-Lösung. Die große Mehrheit der Väter hat inzwischen zwar das gemeinsame Sorgerecht. Trotzdem sehen sie ihr Kind meist nur an jedem zweiten Wochenende, im Urlaub oder mal zwischendurch. Die dabei entstehenden Kosten werden bisher weder im Steuer- noch im Unterhaltsrecht berücksichtigt. Auch wenn ein geschiedener Mann zum Beispiel die ganzen Sommerferien mit seinem Sohn auf Reisen ist, bleibt es der Willkür seiner Ex-Partnerin überlassen, ob sie sich an den entstehenden Zusatzausgaben beteiligt. Die paritätische Doppelresidenz hat dann Nachteile, wenn Scheidungskinder nur ungern ständig zwischen zwei Wohnungen wechseln wollen. Vor allem, wenn diese räumlich weit auseinander liegen. Hinzu kommt, dass es sich Einkommensschwache Eltern schlicht nicht leisten können, die komplette familiäre Infrastruktur doppelt vorzuhalten. Sollten Scheidungsväter mehr Rechte bekommen, kann man davon ausgehen, dass sich auch das leidige Thema der Unterhaltszahlung entschärft.
Das Thema Doppelresidenz wird äußerst kontrovers diskutiert und steht im geschlechter- und familienpolitischen Minenfeld. Trotzdem hat die neue Familienministerin die paritätische Doppelresidenz auf die politische Tagesordnung gesetzt. Sie kann sich dabei auf eine Resolution im Europarat von 2015 und auf ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes (BGH) stützen. Dieser hat im Februar 2017 klargestellt, dass das Wechselmodell schon jetzt „im Sinne des Kindeswohls“ angeordnet werden kann. Vor der Bundestagswahl zeigt sich die SPD entschlossen, die BGH-Entscheidung in Gesetzesform zu gießen. Die LINKE spricht von einer „guten Variante“, die aber voraussetzt, dass die Eltern weiterhin miteinander kommunizieren. D.h., die Kindesmutter kann sich auch nach der neuen Gesetzesform in ihrem Sinne willkürlich über das Kindeswohl hinwegsetzen. Oder wie der Bauer sagen würde: Kräht der Hahn auf dem Mist, bleibt alles wie es ist.

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Trump und der Weltfrieden

Bricht jetzt der Weltfrieden aus? Donald Trump ist eine politische und ästhetische Katastrophe. Als Präsident des mächtigsten Staates der Welt unwürdig und peinlich, so der Anschein. Es gäbe viele Gründe ihn des Amtes zu entheben. Aber ausgerechnet über Russland soll er stolpern!? Die versuchte Annäherung der USA mit Russland ist das mit Abstand Beste, was er bisher in Angriff genommen hat. Die Motive Donald Trumps mögen zwar rein wirtschaftlicher Natur sein, befreit von Ideologie, aber jeder vernunftbegabte Mensch würde das begrüßen. Die alte Elite und das Establishment der USA will mit aller Macht verhindern, dass sich das Verhältnis zu Russland normalisiert. Offensichtlich brauchen sie einen Feind, zu dem Russland mindestens seit 1917 zählt. Nach dem 2. Weltkrieg dienten u.a. der Marshall- Plan dazu, Westeuropa wirtschaftlich eng an die USA zu binden und traditionelle innereuropäische West-Ost-Beziehungen zu blockieren. Sämtliche NATO-Mitglieder beteiligten sich am Wirtschaftskrieg gegen den kommunistischen Osten. Auch nach 1990 blieb der oberste Feind der Kommunismus. Damit hat Russland zwar nichts mehr am Hut, aber es ist aus der Sicht des Westens das Reich des Bösen, aus dem das Gespenst kam, das um die Welt ging. Und nach dem heutigen Politikverständnis braucht jede Macht einen Feind. Die Hysterie in den USA um den „Geheimnisverrat“ baut dabei auf substanzlose Fake-News zu den „russischen Hacks“ auf. Seit McCarthy wurde in den USA niemand mehr in dieser Form allein wegen Kontakt »zum Russen« verfolgt und abgeurteilt. Das zeigt auch die politische Verfasstheit der USA und die eigentlichen Machtverhältnisse. Wegen der durchschaubaren und die Intelligenz beleidigenden Russland-Kampagne treten zahlreiche Vergehen Trumps (wie Finanz- und Pressederegulierungen usw.) in den Hintergrund. Wenn es um ihre nationale Sicherheit geht, verletzt die USA alle Gesetze. Oder schlimmer noch, es werden gar keine erlassen, die Folter, weltweite Überwachung usw. verhindern, oder Whistleblower schützen könnten. Und Das alles im Namen der Terrorbekämpfung, die nur neuen Hass säht? Eine Gewaltspirale ohne Ende! Im Namen ihrer nationalen Sicherheit schasst die USA auch schon mal ihren Präsidenten. Die schlechte Wahlverliererin Hillary Clinton schiebt ihre eigene Niederlage dem Kreml in die Schuhe und geht gegen den Präsidenten in Washington vor. Anlässlich des 100. Geburtstages JFK drängt sich eine Frage auf: Wenn Amerikas heimliche Regierung auf John und Robert Kennedys Friedens- „Ansteckung“ mit deren Ermordung reagierte, wie steht sie auf Dauer zu einem Präsidenten, dessen Umgang mit den Geheimdiensten schon vor Amtsantritt gestört war und der mit seinem Verhalten täglich Belastungen für Ruf und Macht der USA bei ihren Verbündeten riskiert? Übrigens war es eine CIA-Anweisung, die den neutralen Ausdruck Verschwörungstheorie zu einem Begriff der psychologischen Kriegsführung machte. In einer entsprechenden Dienstanweisung verfügte die CIA: Kennedy ist von Oswald getötet worden. Wer anderes behauptet, ist Verschwörungstheoretiker. Punkt. Nach der versuchten Annäherung mit Russland bricht nun womöglich auch noch Frieden in Syrien und in der Ukraine aus. Soll die vom „Friedens-Nobelpreisträger“ Obama anhaltende Verschärfung des Weltfriedens zunichtegemacht werden? Das geht nach den alten Eliten gar nicht. Was werden sie dagegen tun? Ein Amtsenthebungsverfahren dauert womöglich bis zur nächsten Wahl. Oder werden sie sich eines Oswald bedienen?

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Zynische Beileidskultur

Terror soll Angst und Schrecken verbreiten und fordert immer wieder beklagenswerte Opfer von Gewalt. Die Opfer von sinnloser, terroristischer Gewalt verdienen unseren Respekt und unser Beileid. Bliebe unsere Solidarität aus, hätten Terroristen ihr Ziel erreicht, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung zu nötigen. Nach den Anschlägen am 11. September 2001 hat die USA dem Terror den Krieg erklärt, in dem wir uns immer noch befinden. Die Spirale der Gewalt durch Terror und Krieg scheint kein Ende zu nehmen. Terror richtet sich vor allem gegen die Industrieländer und macht auch vor Europa kein Halt. Wenn jedoch wie in diesen Tagen politische Unterschiede gemacht werden bei der Trauer um terroristische Opfer, ist das mehr als beschämend. Es ist zynisch, wenn russische Opfer in Petersburg nicht genauso beklagt werden, wie deutsche oder französische. Die Tränen um Opfer in Paris oder Berlin verkommen so zu Krokodilstränen.
In Syrien herrscht seit 2011 ein schrecklich verheerender Krieg mit unzähligen zivilen Opfern. Auch hier gibt es einen direkten Zusammenhang mit den Anschlägen am 11. September 2001. Es ist schon lange kein syrischer Bürgerkrieg mehr, sondern ein Stellvertreterkrieg, der auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen, und auch vom Westen befeuert wird. Terroristen heizen diesen Krieg erbarmungslos an, um ihren Islamistischen Staat zu errichten. Russland hat erst spät eingegriffen, um den IS militärisch zu bekämpfen, auf Bitten der syrischen Regierung. Beim Kampf der Koalition Syrien/Russland gegen den IS um Aleppo war in der Mainstreampresse kein Wort davon zu lesen, dass die syrische Opposition, genauso wie der IS, die Zivilbevölkerung als Schutzschild missbraucht. Es ging nur gegen den „Diktator Assad“ und gegen Russland, wenn zivile Opfer zu beklagen waren. Beim Kampf der Koalition Irak/USA um Mossul ist die Kriegspropaganda genau umgekehrt ausgerichtet (s. auch Video von Todenhöfer „Stoppt die Befreiungskriege im mittleren Osten“). Und auch um Mossul wieder zynische Beileidskultur. Die Presse, die das so verbreitet, nenne ich Lügenpresse. Schlimm nur, dass dieses Wort in Deutschland von den falschen, rechten Leuten in Pegida und AfD, für ihre konservative Propaganda missbraucht wird.

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Trump gegen die herrschende US-Elite?

In den letzten Wochen musste zuerst der  Nationale Sicherheitsberater und dann der US-Justizminister zurücktreten. Jeweils nachdem die US-Geheimdienste ihre Erkenntnisse zu den Russland-Kontakten der wichtigen Tramp-Vertrauten veröffentlichten. In den USA ist „Kommunikation mit den Russen“ im Wahlkampf gesetzwidrig. Die alten Eliten in den USA haben offensichtlich Interesse daran, den kalten Krieg wieder anzuheizen, weil Russland angeblich eine Gefahr darstellt. Im kalten Krieg wurde die Angst vor dem Kommunismus und der Sowjetunion geschürt. In dieser Tradition verhaftet, lebt der Westen weiter in ideologischen Schranken. Auch viele deutsche Medien haben in den letzten Jahren und in einer befremdlich breiten Übereinkunft ein grotesk verzerrtes Russlandbild installiert. Sie haben dadurch die Position des Beobachters verlassen und sich gemeinsam mit Politikern in den Schützengraben eines von der NATO vom Zaun gebrochenen neuen Kalten Kriegs begeben. D.h. sie sind befangen. Russland hat vielleicht gravierende innenpolitische Defizite, ist aber keine Diktatur. Und die allseits grell an die Wand gemalte militärische Gefahr geht wohl eher nicht von Russland aus. Berücksichtigt man z.B. die Militärausgaben und den Aktionismus der Nato an den Grenzen Russlands und in der ganzen Welt, stellt sich das ganz anders dar.
Trump hat zur Konfrontation gegen Russland aus der der Sicht eines Nationalisten und Milliardärs, der seinen Reichtum in der Wirtschaft erzielt hat, eine andere Meinung, als die, die wir bisher kennen. Offensichtlich ist er an einer Normalisierung der Beziehungen zu Russland interessiert und stößt damit an die Grenzen, die die alte Elite und das bisherige Establishment mitträgt. Nach der US-Wahl ist ein Machtkampf nicht nur um die Frage der Konfrontation mit Russland entbrannt. Dabei agiert Trump gegen die alte Elite, gegen das alte Establishment in den USA. Er ist zwar Präsident, aber im Moment stellt sich die Frage, wer eigentlich die Macht hat. Die US-Geheimdienste stehen hinter der alten Elite, das alte Establishment kämpft weiter gegen das neue, und umgekehrt. Ein unberechenbarer Präsident in einer unberechenbaren USA, die meint ihre Atombomben seien in ihrer Demokratie besser aufgehoben als die in Nordkorea!?
In diesem Zusammenhang sind die Hintergründe zu den geschassten Trump-Vertrauten interessant.
Zuerst musste Michael T. Flynn als Nationaler Sicherheitsberater der USA wegen seiner Russland Kontakte gehen. Im Februar 2017 ist der Dreisterne-General und Ex-Geheimdienstchef nach nur 24 Tagen im Amt zurückgetreten (worden). Der Vorwurf: Flynn hatte noch vor Amtsantritt telefonisch seine Kontakt mit dem russischen Botschafter aufgenommen und dann öffentlich über den Gesprächsinhalt gelogen. Bewiesen werden konnte ihm das, weil ihn ein US-Geheimdienst abgehört hatte. Wenn eigene Spione die eigenen Politiker abhören und dieses Material dann auch noch an befreundete Zeitungen liefern, ist das kein Whistleblowing. Mit unlauteren Motiven werden so missliebige Politiker aus dem Amt geschasst. In den USA reichen Kontakte zu Russland um geschasst zu werden, wie in Deutschland Kontakte zur „Stasi“. Flynn war Kommandeur mehrerer zentraler Armee-Einheiten und Direktor der Defense Intelligence Agency (DIA), dem Geheimdienst der US-Armee, den er von 2012 bis zu seinem Rausschmiss 2014 leitete. Der US-Militarist galt seit 2014 als der meist respektierte militärische Geheimdienst- Offizier seiner Generation, aber auch als Pazifist. Als Insider war er einer der ersten schwer angreifbaren Stimmen, die die westliche Deutung des islamistischen Söldner- oder Stellvertreter-Krieges gegen Syrien massiv erschütterten. Laut Flynn war diese Kritik auch der Grund für sein Ende bei der DIA. 2015 hatte er die Veröffentlichung eines Dokuments aus dem Geheimdienst DIA erstritten, in dem schon 2012 die Entstehung des IS-Kalifats prophezeit wurde. Das Dokument stellt bereits zu Beginn des Syrien-Kriegs klar, dass „die Salafisten, die Muslimbruderschaft und Al Qaida die dominierenden Kräfte des syrischen Aufstands“ sind. Zu einer Zeit als im westlichen Medienstream noch zelebriert wurde, dass „Assad auf seine Leute schießt“. Was einerseits stimmt, aber die eigentlichen Verhältnisse verschleiert. In dem Dokument wurde weiter festgestellt, dass „der Westen, die Golfstaaten und die Türkei die syrische Opposition“ unterstützen. Flynn warnte vor der Entstehung eines salafistischen Herrschaftsgebietes in Ost-Syrien, die das Ziel hat, „das syrische Regime zu isolieren“. Ungeachtet dessen hat die Obama- Administration aus politischen Gründen jedoch nicht die Lieferungen von Waffen und Kämpfern an Al Qaida gestoppt. Nach dem Motto: zuerst muss Assad ausgeschaltet werden. Flynn meint, „die Geschichte wird hart mit jenen ins Gericht gehen, die 2003 die Entscheidung trafen, in Irak einzumarschieren.“ Einerseits positioniert er sich gegen den Iran, verteidigt Folter und bezeichnet den Islam als „politische Ideologie“, andererseits lehnt er öffentlich den Krieg mit Drohnen ab. Folgerichtig engagierte er sich im Wahlkampf offen für Donald Trump und war wohl einer der rationaleren Charaktere im Trump-Kabinett. Sein Absturz ist demnach ein Sieg für die hinter dem Geheimdienst stehende Machtgruppe. Es ist ein Sieg gegen Trump, gegen eine Entspannung mit Russland und gegen die politische Moral.
Dann wurden schwere Vorwürfe gegen den US-Justizminister Sessions erhoben: Russland-Kontakte und unter Eid gelogen. In der Affäre um ihre Russland-Beziehungen steht die Regierung von US-Präsident Donald Trump erneut unter massivem Druck. Sessions hatte im Vorjahr als Senator und Trumps außenpolitischer Berater im Wahlkampf, zweimal Kontakt mit Russlands Botschafter Sergej Kisljak. In Personalunion ist der Justizminister zugleich eine Art Generalbundesanwalt, und kann als solcher wegen Befangenheit nicht gegen sich selbst ermitteln. Laut Erkenntnissen der US-Geheimdienste sei Moskau dafür verantwortlich, dass mitten im Wahlkampf Computer der Demokratischen Partei gehackt wurden, was Trump Munition gegen Clinton geliefert haben soll. Daraus wurde der Vorwurf abgeleitet, Russland hätte sich in den amerikanischen Wahlkampf eigemischt, was Moskau entschieden zurückweist. Noch auf Betreiben Obamas hat das FBI Ermittlungen zur mutmaßlichen russischen Einmischung eingeleitet. Beweise liegen bis heute nicht vor. Offensichtlich gab es noch weitere Treffen zwischen Trump-Vertrauten und Moskaus Botschafter. Da man einem Botschafter diplomatische Gespräche, mit dem Ziel Spannungen abzubauen, nicht verbieten kann, wurde Russland ein Hackerangriff offensichtlich untergeschoben.

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Kundschafter des Friedens

Die Komödie „Kundschafter des Friedens“ ist dieser Tage im Kino erschienen. Ein „sehenswertes Leuchtfeuer“ (so Christian Baron im ND) im ansonsten ziemlich tristen Filmkomödien-Deutschland, mit der Schauspieler- Starriege Hübchen, Gwisdek, Glatzeder und Thieme als abgehalfterte Ex-DDR-Auslandsgeheimdienstler. Diese sollen im Auftrag des BND und unter Aufsicht einer BND-Agentin die Kastanien aus dem Feuer holen. Einige BND-Praktiken hatte das MfS schon viel früher drauf. Zwar nur analog, aber wirksam. Außerdem kennen sich die Kundschafter in der ehemaligen Sowjetrepublik „Katschekistan“ viel besser aus, als die Agenten. Na ja, eben Film mit Gags aus bekannten Ganovenfilmen, aber gut gemacht. Dürfen wir darüber lachen? Erst werden Berufsopportunisten wie Angela Merkel und Joachim Gauck einheitstrunken zu Symbolen einer Ost-West-Versöhnung hochgespielt. Und jetzt auch noch ein Leinwandstück als ideologische Lockerungsübung, in der die Stasi mit positiven DDR-Typen auf gleicher Augenhöhe mit dem BND gezeichnet wird? „Offenbar scheint mittlerweile genug Zeit ins Land gezogen zu sein, um sich dem Stasi-Thema von der humoristischen Seite zu nähern“, meinte eine Berliner Mainstream- Zeitung.
Als der Film in die Kinos kam, lief zufällig die Kampagne gegen Holm. Die zeigt, dass dieses Land noch lange nicht so weit ist, um dieses Thema von ideologiefreien Historikern aufarbeiten zu lassen. Stattdessen versorgen Antikommunisten vom alten Schlage, die sich Historiker nennen dürfen, die Maintrampresse widerrechtlich mit Informationen aus der Stasi-Unterlagen-Behörde, um einen linken Wissenschaftler wie Holm auszuschalten. Holm wurde von der Linken in die Berliner Regierung als Staatssekretär berufen, um dort linke Wohnungspolitik zu machen. Angeblich weil er das falsche Kreuz im Fragebogen gemacht hatte, wurde er ausgeschaltet. Von der Regierung und seinem Arbeitgeber geschasst. Dafür reichte nur das Wort Stasi, um findige Moralisten die Macht zu geben, daraus ein Vergehen zu konstruieren. Es wird Zeit diese angestaubte Logik zu durchbrechen.

 

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Konserviertes Nazirecht und Stasikeule

Die Bundesrepublik macht einen großen Unterschied beim Umgang mit ihrer faschistischen Vergangenheit und dem Unrecht in der DDR. Ihre eigene Geschichte hat sie bis heute nicht aufgearbeitet. Umso konsequenter ist sie bei der Verurteilung der DDR. Entnazifizierung wurde in der DDR im Gegensatz zur BRD konsequent betrieben. Die antifaschistische Politik wurde von der bundesdeutschen Elite stattdessen immer als „verordneter“ Antifaschismus verunglimpft.
Jahrzehntelang wurde in der Bundesrepublik Schuld und Verantwortung im sog. „Nationalsozialismus“ ignoriert. Neuerdings überbieten sich Ministerien, Landtage und selbst Institutionen wie der BND geradezu mit Forschungen, die der eigenen Geschichte in der Nazizeit nachgehen. Die DDR hatte in ihrem Braunbuch schon Ende der 50er Jahre die Übernahme von hochrangigen Nazis in den Justizdienst der westdeutschen Behörden nachgewiesen. Tatsächlich lag die Gesamtzahl der „belasteten“ Richter noch weitaus höher, wie jetzt eine Studie z.B. in der nordrhein-westfälischen Sozialgerichtsbarkeit belegt. Auch der erste Präsident des Landessozialgerichts, Erich Roehrbein, wies eine belastete Vergangenheit auf. Als „belastet“ galten Richter, die „an NS-Unrecht in Justiz, Staat und Parteiorganisationen mitgewirkt haben, insbesondere an Handlungen, die Völkermord, Verfolgung politischer Gegner, Freiheitsentzug und schwere Repressionen gegen die ausländische Zivilbevölkerung umfassten“.
Der faschistische Verbrecherstaat hat politischen Gegnern, insbesondere Kommunisten, sowie emigrierten oder deportierten Juden die Renten gestrichen. Ganze Gruppen von Verfolgten wurden aus der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen. In der Bundesrepublik wurde keinem Nazi die Rente gestrichen oder gekürzt. Dabei unterscheidet die BRD zwischen Nazis und Nazi-Verbrecher. Bei der Bewertung von DDR-Unrecht werden dagegen aus politischen Gründen ohne Unterschied ganze Gruppen einer Sippenhaft unterzogen, unabhängig von Schuld und mit Strafrente belegt. Selbst Mitglieder der ehemaligen Waffen-SS haben Anspruch auf eine ungekürzte Rente. Das ist ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Viele der Nazi-Verbrecher gingen straffrei aus. Sie oder deren Angehörige beziehen sogar Kriegsopferrente! Nach dem Krieg wurden so Milliarden aus Steuermitteln an Naziverbrecher gezahlt. Die Tradition des Rechtsstaates der BRD steht für Kontinuität der faschistischen Gesinnung im bundesdeutschen Rechtssystem. Die spannende und unbeantwortete Frage ist, inwieweit diese Gesinnung noch heute Auswirkung auf die Rechtsprechung hat.
Lettischen Angehörigen der Waffen-SS hat das BSG grundsätzlich Anspruch auf eine Kriegsopferrente zugebilligt. Deserteuren dagegen wurden Ansprüche lange verwehrt, weil sie als „Wehrkraftzersetzer“ diffamiert wurden. Der 1956 mit dem KPD-Verbot erfolgte Ausschluss von Kommunisten aus dem Bundesentschädigungsgesetz ist bis heute nicht aufgehoben.
Selbst die Witwe von Reinhard Heydrich, dem Planer des Holocaust, erhielt Opferrente in der BRD. Die Witwe von Roland Freisler, dem Präsidenten vom NS-Volksgerichtshof hatte neben ihrer Witwenpension nach dem Bundesversorgungsgesetz auch noch eine ordentliche Zusatzversorgung als „Schadensausgleichsrente“ bezogen. Der Nazirichter Freisler hatte zeitweise zehn Todesurteile pro Tag verhängt. Oder Dr. Willi Geiger, der als Sonderrichter zur NS- Zeit Todesurteile verhängte, wurde Richter im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts. In seiner Dissertation schrieb er 1940, dass Juden oder Marxisten „Schädlinge an Staat und Volk“ seien, die zu vernichten sind. 35 Jahre später unterzeichnete er mit dem so erworbenen „Dr.“-Titel das von ihm formulierte Verfassungsgerichtsurteil zum Berufsverbot für Kommunisten und andere politisch Verfolgte. Ihnen wurde unterstellt, dass sie „als verfassungsfeindliche Kräfte im öffentlichen Dienst“ nicht für „freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ stehen. Der erste Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hermann Höpker-Aschoff, war als Chefjurist unmittelbar in die faschistische Vernichtungs- und Vertreibungspolitik einbezogen und wurde übrigens von seinem Freund, dem Bundespräsidenten Theodor Heuss, der 1933 die Hand für Hitler hob, nach Nazi-„Stallgeruch“ für die Stelle in Karlsruhe empfohlen. Als das BSG 1954 gegründet wurde, stand ihm mit Joseph Schneider als Präsident ein Richter vor, der während der Nazizeit hohe Ämter bekleidete.
Im Gegensatz dazu die konsequente Haltung der BRD-Siegerjustiz gegenüber Unrecht in der DDR. Mal abgesehen davon, dass die Gleichsetzung der DDR über den Begriff Unrechtsstaat den faschistischen Völkermord auf unerträglich und unzulässige Weise verharmlost, wurde ungeachtet dessen allen sog. „Staatstragenden“ der DDR pauschal die Rente unter Sozialhilfeniveau gekürzt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich erst dieser Tage geweigert, eine Verfassungsbeschwerde von ehemaligen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Sachen Rente auch nur entgegenzunehmen. Die Mitarbeiter beanspruchen Anwartschaften aus dem Sonderversorgungssystem des MfS, die ihnen eine eigenständige Alterssicherung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung in der DDR gewährleisten sollte. Die in das Sonderversorgungssystem eingezahlten Beiträge, die dem eines bundesdeutscher Beamten ähneln, wurden erbarmungslos gekürzt und enteignet. Von der Rentenkürzung sind pauschal alle „Staatsnahen“ und „Stasi“-Mitarbeiter betroffen. Dieser Missbrauch des Sozialrechts als Strafrecht wurde in der deutschen Geschichte bis dahin nur von den Nazis praktiziert. Auch das nach der Vereinigung beschlossene Entschädigungsrentengesetz, das die Zahlung von Pensionen für Nazi-Verfolgte der DDR regelt, hat SED-Funktionäre ausgeschlossen. Unter den gegenwärtig bestehenden Machtverhältnissen stehen Rechtsfragen, wie rentenrechtliche Entscheidungen, hinter politischen Machtfragen. Sozialrichter in der BRD haben wie im vereinten Deutschland ein Mandat der sog. „großen Volksparteien“ und folgen deren politischen Intensionen.
Auch Dieter Skiba war „Stasi“- Mitarbeiter und einer der Nazijäger in der DDR. Er brachte jetzt das Buch heraus: „Im Namen des Volkes. Ermittlungs- und Gerichtsverfahren in der DDR gegen Nazi- und Kriegsverbrecher“. Da Spionage, Sabotage, Brandstiftungen, Waffendelikte und andere subversive Handlungen im kalten Krieg gegen die DDR vielfach von ehemaligen Nazis begangen wurden, war das MfS frühzeitig auch mit der Verfolgung von Naziverbrechen betraut. Dafür hat Skiba nicht das Bundesverdienstkreuz wie Beate Klarsfeld erwartet, aber auch keine „Strafrente“. Die erhält er, obwohl oder gerade weil er Mitarbeiter der Hauptabteilung IX/11 des Ministeriums für Staatssicherheit war, die sich allein mit der Aufklärung und Ahndung faschistischer Untaten befasste. Stasikeule bedeutet aber aus der Sicht der BRD-Eliten, dass schon der mit Schuld verstrickt ist, wer nur „staatsnah“ ober „Stasi“-Mitarbeiter war. Dieser verordnete Automatismus ist aber keineswegs rechtsstaatlich, wie z.B. im Fall Holm oder bei Skiba.
Wenn man die öffentlich zelebrierte Hysterie um Andrej Holm vergleicht, der als Staatssekretär für die Linke in Berlin antreten sollte, wird schnell klar, dass die Tendenz zur Relativierung der Naziverbrechen einerseits, und Liquidierung von Linken mit der Stasikeule andererseits, bis heute anhält. Weil Holm seine Vergangenheit verschwiegen haben soll, wurde er vom Senat, als auch von seinem Arbeitgeber, der Humboldtuniversität, geschasst. Auch hier lohnt ein Vergleich im Umgang der BRD mit Naziverbrechern und Stasi-Belasteten. Z.B. ein Herr Wilhelm Krelle wurde von der Humboldt-Uni 1991 als Gründungsdekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät eingesetzt. Mit den Worten „über die Schwelle dieses Hauses … kommt mir kein Marxist“, hatte er als Westimport politisch ungewollte Wissenschaftler aus dem Osten entlassen. In seinem Lebenslauf hatte er geflissentlich verschwiegen, dass er als SS-Sturmbannführer bis in die letzten Kriegstage fanatische Durchhaltebefehle anwies. Von der Humboldt-Uni wurde der Herr Professor wahrscheinlich nicht mit einem Formblatt belästigt und konnte so auch kein Kreuz an der falschen Stelle machen. Stattdessen wurde ihm 1987 das Bundesverdienstkreuz überreicht und 1994 wurde er u.a. von der Humboldt-Uni zum Ehrendoktor ernannt. Als seine Vergangenheit herauskam beschwerte er sich, dass man sein Leben zerstören wolle und dass doch über die Nazizeit alles gesagt sei. Dass er Mitglied der Waffen-SS war, stritt er ab. Verglichen mit dem Umgang mit Holm ist das ist ein Skandal. Nazi-Verbrecher dürfen Generationen von Studenten prägen und erhalten dafür höchste Auszeichnungen, während Stasi-Belastete auch ohne Schuld stigmatisiert und abserviert werden. So kann die Frage nach Schuld und Verstrickung nicht beantwortet werden.
Das Messen mit zweierlei Maß in der Politik ist „normal“ in dieser Republik. Nicht erst das Trump-Team ist Meister im Umgang mit „alternativen Fakten“. Zwischen der faschistischen Vergangenheit Deutschlands und dem rechten Terror der Neonazis besteht ein direkter Zusammenhang. Die sog. „Nationalsozialisten“ erhoben  Rechtsterrorismus zur staatlichen Politik. In der Bundesrepublik existiert rechter Terror seit ihrer Gründung (Bund Deutscher- und Heimattreuer Jugend, Münchner Oktoberfest 1980, NSU usw.). Es gehört auch zum Thema der „alternativen Fakten“, wenn uns im bundesdeutschen Mainstream weiß gemacht werden soll, dass der Terror der Neonazis aus Ostdeutschland kommt.
Weitere Beiträge zu diesem Thema hier im Blog:
– „Stasikeule statt politische Auseinandersetzung“

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Stasikeule statt politische Auseinandersetzung

Auch nach fast drei Jahrzehnten geeintem Deutschland wird wieder mal eine „Stasi“-Affäre genutzt, um sie gegen die rot-rot-grüne Regierung in Berlin in Szene zu setzen. Seit der Wende gehört es zur Staatsräson der BRD die DDR zu „deligitimieren“. Seitdem wird die Stasikeule gegen Andersdenkende politisch instrumentalisiert, wie im Mittelalter die Keule der Inquisition. Gegen andersdenkende Linke zieht das Establishment alle Register. Wie schon gegen Gregor Gysi, natürlich immer „rein zufällig“ vor Wahlen. Diesmal soll die gewählte rot-rot-grüne Koalition über die Klinge springen, indem die „Stasi“- Vergangenheit des parteilosen Holm vorgeschoben wird, der für die Linke als Staatssekretär berufen wurde. In Wahrheit geht es bei der öffentlich zelebrierten Hysterie nicht um „Stasi“, sondern um Gentrifizierung und die soziale Spaltung der Stadtgesellschaft.
Statt über politische Inhalte zu reden, verfallen Politik und Medienöffentlichkeit („Establishment und Lügenpresse“) in das sattsam bekannte Ritual, Politiker wegen vermeintlichem Fehlverhalten zu eliminieren. Bei diesem unseriösen Politikstil geht es immer um vorgeschobene „Fehler der Anderen“, wie: Fehlerhafte Steuererklärung, falsch abgerechnete Dienstwagennutzung, unkorrekte Angaben in der Vita, radikale politische „Jugendsünden“, Alkohol am Steuer, Bonusmeilen usw.. Holm wird mit der Stasikeule zur Strecke gebracht. Oder noch einfacher: Mit dem „falschen“ Kreuz im Fragebogen. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er die Reißleine zieht, um den Sturz der neu gewählten Regierung zu verhindern, nachdem der regierende Bürgermeister entsprechend seinem Politikstil seinen Partnern gezeigt hat, dass er nicht mit ihnen auf gleicher Augenhöhe regieren will.
Mit Holms Rausschmiss wurde ein gesellschaftspolitischer Richtungsstreit in der Stadt-, Bau- und Wohnungspolitik beendet, bevor er überhaupt beginnen konnte. Zudem wurde wieder einmal eine Gelegenheit zur differenzierten Auseinandersetzung mit dem Thema Stasi verpasst, die bisher noch nicht stattgefunden hat in diesem Land. Diesen Vorwurf muss sich auch die Linke machen lassen. Sie hat sich innerhalb ihrer Koalition nicht durchsetzen können, und es ist zu befürchten, dass sie gleich am Anfang der Legislatur gegenüber der Interessenlobby der Immobilienwirtschaft und ihrer gesamten Branche eingebrochen ist. Holm hat viele Unterstützer, aber gegen Holm ist auch eine breite Mittelschicht in dieser Stadt, der das „Gerede von Gentrifizierung“ Unbehagen bereitet, weil sie sich und ihre Nachbarschaft in ihrer Lebensweise angegriffen fühlt, meint auch Michael Nelken, Wohnungspolitischer Sprecher der Linken Fraktion in Berlin.
Bei der generellen „Stasi“- Überprüfung in Institutionen, Behörden und politischen Gremien wurde eine Stasi-Mitarbeit zum weitgehend undifferenzierten Eignungskriterium für Menschen mit differenzierten Lebensgeschichten. Bei den „Stasi“- Debatten“ standen nur „Schuld“, „Belastung“ und „moralische Integrität“  im Vordergrund. Durch die politische Instrumentalisierung des „Stasi“- Themas wurde und wird eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Einzelnen und eine systematische Aufarbeitung des Wirkens eines Geheimdienstes als Instrument von Herrschaftsausübung (aller Herrschenden im Allgemeinen und der SED im Besonderen) blockiert.
Selbst Sachverständige mussten einen Fragebogen ausfüllen, wenn sie aus dem „Beitrittsgebiet“ kamen und in ihrem Fachgebiet eine „öffentliche Bestellung und Vereidigung“ anstrebten, obwohl das Institut der öffentlichen Bestellung nichts mit einem öffentlichen Amt zu tun hat. Auch wer diesen Fragebogen nicht ausfüllte, war zumindest verdächtig und ihm wurde die Integrität abgesprochen, als „öffentlich bestellter Sachverständiger“ zu arbeiten. Dabei führte pauschal nicht nur eine hauptamtliche Stasitätigkeit zum Ausschluss, sondern „jede Tätigkeit in irgendeiner Form“ bei der Staatssicherheit. Nach einer Pauschalverurteilung waren alle „Staatsnahen“ aus der DDR „persönlich ungeeignet“. Die gesamte Elite der DDR wurde ausgetauscht, Ausnahmen bestätigen die Regel.  Das alles erinnert an die bekannte Berufsverbotspraxis in der BRD, die nach der territorialen Wiedervereinigung wieder auflebte.
Ein Kreuz an der „richtigen Stelle“ im Fragebogen bei der Frage nach hauptamtlicher Stasitätigkeit bei der üblichen Einstellungspraxis im öffentlichen Dienst hätte für Holm bedeutet, dass man ihm nicht nur die Stelle als Lehrbeauftragter an der Humboldt-Uni verweigert hätte, sondern eine wissenschaftliche Laufbahn an jeder deutschen Universität. Ein Kreuz an der „falschen Stelle“ führt zum gleichen Ergebnis. Berücksichtigt man seine Lebensgeschichte differenziert, hat Holm das Kreuz an der richtigen Stelle gemacht. Denn 4 Monate Wachregiment waren keine „hauptamtliche“ Tätigkeit, denn Soldaten des Wachregiments erhielten eine militärische und keine geheimdienstliche Ausbildung. Und der eine Monat in der Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit zählt nicht, weil der Geheimdienst schon Stasi genannt wurde, d.h. sich schon in Auflösung befand.
Bleibt die moralische „Verfehlung“ Holms, an der sich seine politischen Gegner hochspielen. Aber ein 18-jähriger konnte sich nicht bewusst gewesen sein, dass er „Teil eines Repressionsapparates“ war und dafür „strukturelle Verantwortung“ trug, wie Holm jetzt klein beigibt. Nicht nachdem er ein paar Monate in einem Geheimdienst Wache geschoben hat, und nicht wenn er zu der großen Mehrheit gehörte, die nicht in Konflikt mit der Staatsmacht geriet und aus der Sicht der Stasi kein „Staatsfeind“ war. Selbst einem „Hauptamtlichen“ muss nicht bewusst gewesen sein, dass er „Teil eines Repressionsapparates“ war. Denn auch die Repression war geheim, wie alles in diesem Geheimdienst. Wie übrigens in jedem Geheimdienst der Welt noch heute. Viele Hauptamtliche glaubten, dass sie für ein neues Deutschland arbeiteten und erfuhren erst spät, dass nicht alle Staatsfeinde auch welche waren. Der Arzt im Stasi-Krankenhaus, oder der Bauingenieur in der Bauabteilung, oder der Koch in der Stasi-Küche waren nicht direkt mit Repression konfrontiert. Ungeachtet dessen folgt an dieser Stelle regelmäßig von Rechts der plumpe und unzulässige Vergleich mit dem Naziregime. Einerseits geht es um millionenfachen Mord, andererseits um Millionen Akten. Nazi-Verbrechen wurden in der BRD lange nicht konsequent geahndet, Staatsnahe aus der DDR werden ungeachtet ihrer Biografie und auch ohne Schuld konsequent stigmatisiert. Von einer Aufarbeitung der DDR-Geschichte ohne das vorgekaute Geschrei „Kalter-Krieger“ ist dieses vereinte Deutschland noch weit entfernt.

Weitere Beiträge zu diesem Thema, z.B.:
– DDR ein Unrechtsstaat?
– NSA, BND, Stasi
– Die unheimliche Macht der Geheimdienste

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