Beiträge mit dem Schlagwort: Apartheid

Afrika und Rassismus

Die UNO hatte das Jahr 2001 zum Internationalen Jahr gegen Rassismus erklärt. Dabei wurde die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf den in den letzten Jahrzehnten weitgehend vergessenen afrikanischen Kontinent gelenkt. Afrikanische Staaten fordern die Anerkennung des Sklavenhandels als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Europa sitzt auf der Anklagebank für 400 Jahre Sklaverei und Kolonialismus. Die USA versagen die Anerkennung mit der Begründung, dass die arabischen Staaten Zionismus und Rassismus gleichsetzen, um Israel als rassistischen Staat zu verurteilen.
Schätzungen zufolge fielen in den dreihundert Jahren zwischen 1550 und 1850 rund fünfzig Millionen Afrikaner dem Sklavenhandel zum Opfer. Sie wurden in ihrer Heimat gekidnappt und wie Vieh über den Atlantik verfrachtet. Viele starben schon während der Überfahrt. Die Überlebenden schufteten auf Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen in Süd- und Nordamerika und auf den karibischen Inseln.
Rassismus ist eine frühe Form des Kolonialismus und Sklaverei. Sklaverei war ein wirtschaftlicher Faktor zur Erzielung von Profit. Afrikaner dienten als Handelsware, mit der man Geschäfte macht. Sklaverei wurde lange als Teil der natürlichen Ordnung akzeptiert. So wie heute Obdachlosigkeit höchstens als bedauerlicher Zustand gesehen wird, nicht als Übel. Auch die Bibel musste als Rechtfertigung der Misshandlung und Unterdrückung herhalten.
Erst Ende des 18.Jahrhunderts wurde Sklaverei als Sünde betrachtet. Der Aufstand der Sklaven auf Haiti führte zu ihrer Befreiung. Die Unterentwicklung und Armut in den meisten Ländern Afrikas und der Karibik sind zum überwiegenden Teil Folge des Sklavenhandels. Dem afrikanischen Kontinent entstand durch den massiven Aderlass ein unermesslicher Schaden. Die Folge war eine blockierte Entwicklung, soziale Deprivation und Minderwertigkeitsgefühle, Ghettoisierung und Verarmung. Den Afrikanern wurden die Früchte ihrer Arbeit gestohlen, ihre afrikanische Kultur, ihr Erbe, ihre Familie; Sprache und Religion wurden ihnen versagt, ihre Identität, ihr Selbstbewusstsein wurden zerstört durch Unterdrückung und Hass.
Nach Ansicht von Historikern war der Sklavenhandel das größte Verbrechen der Weltgeschichte. Ohne die unbezahlte Arbeitskraft der Sklaven wäre die von England ausgegangene industrielle Revolution nicht möglich gewesen. Nur mit dem aus dem Sklavenhandel akkumulierten Kapital hat sich der Westen zur „ersten Welt“ entwickeln können. Ein Großteil des Reichtums des Westens beruht auf ein eklatantes Verbrechen gegen die Menschheit.
Die jüngste Geschichte Deutschlands ist nicht nur schwer belastet durch den Völkermord über die Hereros in Namibia in der Kolonialzeit, sondern auch durch die Rassentrennung während des Faschismus. Die industrielle Vernichtung der Juden durch die Nazis war eine besonders menschenverachtende und verabscheuungswürdige Form des Rassismus im Faschismus.
Simbabwe hat die Forderung nach Reparationen für „das internationale Verbrechen des Kolonialismus“ in seiner Verfassung verankert. Der Premierminister von St. Vincent und den Grenadinen, Ralph Gonsalves, hat im August 2013 erklärt, er werde in der Frage der Entschädigung für Sklaverei und Völkermord nicht nachgeben. Die Karibik macht Europa für den Völkermord und die Versklavung als den Hauptverursacher der regionalen Unterentwicklung verantwortlich.
Erst jüngst errangen kenianische Überlebende von Folter und Übergriffen durch die britische Kolonialmacht während des Mau-Mau-Aufstands von 1952 und 1963  einen historischen Sieg. Im Rahmen eines Abkommens erkannte die britische Regierung an, dass kenianische Unabhängigkeitskämpfer Folter und anderen Misshandlungen durch die damalige britische Kolonialverwaltung ausgesetzt waren. Sie kündigte Entschädigungen für 5.228 Opfer in Höhe von insgesamt 19,9 Millionen Pfund (22,84 Millionen Euro) an. Das ist ein Bruchteil der 16,5 Milliarden Pfund (nach heutigem Wert), mit denen die 3.000 Sklavenhalterfamilien für den Verlust ihres „Eigentums“ nach der Abschaffung der Sklaverei in den britischen Kolonien 1833 entschädigt wurden.
Nach dem Ende der Sklaverei sicherte sich die weiße Minderheit in Südafrika ihre selbsterklärte Vorherrschaft. Apartheid steht für die systematische Unterdrückung und Ausbeutung einer Bevölkerungsmehrheit von rd. 41 Millionen Schwarzen durch rd. 4 Millionen Weiße. Die Rassentrennung wurde 1990 zwar für beendet erklärt, lebt aber in Form von Armut der übergroßen Mehrheit der schwarzen Bevölkerung nicht nur in Südafrika weiter. Da Armut dem Kapitalismus systemimmanent ist, wird diese nicht abgeschafft werden können, ohne das System zu ändern. Zweifel, dass das Reformen bewirken könnten, sind hier angebracht.

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Namibia und die Kolonialmacht Deutschland

Namibia ist ein Reiseland. Man bekommt als Reisender den Eindruck, der Entwicklungsstand ist relativ hoch. Nach einfachen Pro-Kopf-Wirtschaftsprodukt gesehen steht Namibia in Afrika auch unter den besten zehn. Aber Namibias Gini-Koeffizient ist der höchste der Welt. Das heißt, dass die Vermögensverteilung zwischen den reichsten und ärmsten 10% der Gesellschaft so weit auseinander klafft, wie in keinem anderen Land der Erde.
IMAGE_613 Die Geschichte Namibias ist verknüpft mit der, und belastet durch die Kolonialmacht Deutschland. Auf dem Waterberg- Plateau gibt es einen Friedhof für deutsche Soldaten. Sie starben lt. Inschrift, die heute nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit ist, „in treuer Pflichterfüllung den Heldentod“, als sie sich „vor dem Angriff der Hereros verteidigten“. Hier wird wieder mal, oder immer noch, Ursache und Wirkung vertauscht. Die Eindringlinge im Land der Hereros waren die Deutschen. Die Schlacht am Waterberg im August 1904 war die entscheidende im Aufstand der Hereros gegen die deutsche Kolonialherrschaft.
Kolonialtruppen des Kaiserreichs hatten im damaligen Deutsch-Südwestafrika zwischen den Jahren 1904 und 1908 Schätzungen von Historikern zufolge den Tod von bis zu 100 000 Herero und Nama zu verantworten. Rund 80 Prozent dieser Volksgruppen verloren dabei ihr Leben. Sie waren zwar zahlenmäßig über-, aber waffentechnisch unterlegen. Von Trotha ließ viele auf der Grundlage eines Vernichtungsbefehls in der Omaheke-Wüste einkesseln und dort verdursten. In der Wissenschaft wird das als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts bewertet. Die Bundesrepublik hat viele Jahrzehnte zu diesen Grausamkeiten geschwiegen. Einer namibischen Delegation, die 2011 in Berlin war, um geraubte Totenschädel aus der Kolonialzeit nach Namibia zurückzuholen, unterstellte der deutsche Botschafter in Namibia „verdeckte Motive“ und meint damit ganz undiplomatisch Entschädigungszahlungen. Er spielte den Eklat herunter und meinte, seine Regierung unterhalte „keine Sonderbeziehungen zu individuellen ethnischen Gruppen“. D.h. die Bundesregierung lehnt direkte Verhandlungen mit Vertretern der Herero und Nama ab. Diese wiederum fühlen sich von der namibischen Regierung, die von der aus der marxistisch orientierten Befreiungsbewegung hervorgegangenen Partei SWAPO gestellt wird, nicht vertreten. Auch deshalb, weil viele von ihnen in den angrenzenden Ländern Angola, Botswana und Südafrika leben. Erst 2015 rang sich das Auswärtige Amt dazu durch, von einem Genozid zu sprechen. Versöhnung setzt aber Entschuldigung voraus. Zu einer Entschuldigung war die Bundesregierung grundsätzlich bereit, Entschädigungen wurden aber lange verweigert. Aus deutscher Sicht reichten die laufenden Zahlungen für Entwicklungshilfe aus. Insofern unterscheidet sich Entwicklungshilfe grundsätzlich von Wiedergutmachung. Deutsche Regierungen hatten offensichtlich noch bis vor wenigen Jahren gehofft, dass die Verbrechen irgendwann in Vergessenheit geraten würden. Doch diese haben sich tief in das Gedächtnis der betroffenen Völker eingebrannt. Alljährlich findet in der Stadt Okahandja ein Herero-Tag statt.
Auch Tansania beklagt bis zu 300.000 Opfer aus dem sogenannten Maji-Maji-Krieg von 1905 bis 1907 im damaligen Deutsch-Ostafrika. Wie in Namibia wurden die Aufstände in Ostafrika in einem Vernichtungsfeldzug niedergeschlagen. Im Maji-Maji-Krieg setzten die deutschen Kolonialtruppen auf die Strategie der verbrannten Erde. In Tansania weiß jedes Schulkind über den Maji-Maji-Krieg Bescheid, in Deutschland ist er weitgehend unbekannt. So wie die Massaker und sog. Strafaktionen in Togo, in Kamerun und in der Südsee. Die Aufarbeitung der Kolonialverbrechen des deutschen Kaiserreichs steht hierzulande offensichtlich noch am Anfang.
Frankreichs Präsident Hollande hat die französische Kolonialzeit in Algerien auch als „zutiefst ungerecht und brutal“ verurteilt, und „erkennt die Leiden an, die die Kolonialisierung dem algerischen Volk zugefügt hat.“ Zu einer Entschuldigung für französische Verbrechen ließ aber auch er sich nicht hinreißen.
In Namibia wurde ebenfalls eine Landreform durchgeführt, meist friedlich wie in Südafrika, aber ebenfalls weitgehend ohne Erfolg wie in Simbabwe. Namibia ist das wasserärmste Land des südlichen Afrikas, die Möglichkeiten für Landwirtschaft sind entsprechend gering. Die meisten Farmer entscheiden sich daher für die Viehwirtschaft.
IMAGE_761 Aus einer aktuellen deutschsprachigen Zeitung erfahre ich von einem Bespiel deutscher Entwicklungshilfe. Im Rahmen einer deutsch- namibischen Sonderinitiative wurden 410 Boerbok-Ziegen an 84 Jugendliche, an der Armutsgrenze lebende Siedler aus einem Baracken-camp verteilt. Finanziert wurden sie aus dem Etat von 200 Mio Namibische Dollar der Sonderinitiative.
Damit sollte einfachen Kommunalfarmern und umgesiedelten Namibiern durch ein Start in der Viehzucht die Möglichkeit gegeben werden, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Nicht alle Wilde Siedler sind dort hin umgesiedelt worden, wo der Staat Farmen gekauft hat. Dort wo die entsprechende Infrastruktur und Weidefläche fehlt, verfehlt die Initiative aber ihr Ziel. Wer durch Namibia fährt, dem fällt auf, dass das gesamte Land eingezäunt, d.h. an weiße, bzw.  kommerzielle Farmer verteilt ist. Nun darf aber die verbliebene Fläche neben den Straßen lt. Gesetz nicht als Weideland genutzt werden. Also handeln einige gesetzwidrig. Damit wird der alte Konflikt mit den Nachbarn, den kommerziellen Farmern, neu entfacht. Andere haben ihre Ziegen in ihrer Notlage geschlachtet und das Fleisch zum Eigenbedarf genutzt oder verkauft. Einige kommerziellen Farmer haben die Tiere auch aufgekauft. Damit ist die Initiative fehlgeschlagen.
Das Beispiel zeigt, dass noch lange nicht alle Folgen aus der Kolonialzeit und der Rassentrennung überwunden sind. Namibia hat erst 1990 seine Unabhängigkeit erlangt. Der relative Wohlstand in Namibia ist immer noch abhängig von der ethnischen Zugehörigkeit.

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