Beiträge mit dem Schlagwort: Armut

Wachsende Armut in Deutschland

Kürzlich titelte allen Ernstes eine rechte Mainstream- Zeitung im Dienste des Establishments, dass „von wachsender Armut in Deutschland keine Rede sein kann“. Diese Behauptung wurde aus der leicht sinkenden Zahl der Hartz IV-Bezieher seit Einführung des Arbeitslosengeldes (ALG-II) vor 12 Jahren abgeleitet. Lt. Statistik sind 16,2 Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Fast 6 Millionen (dav. 1,6 Mio Nicht-Erwerbsfähige, vor allem Kinder) sind von Hartz IV abhängig, weil sie nicht genug Geld haben, um ihren Lebensunterhalt, sowie eine warme Wohnung zu bezahlen. In diesem Zusammenhang steht auch die Tatsache, dass 6,8 Millionen Menschen in Deutschland ihre Schulden nicht abzahlen können (lt. Kreditreform 6,1% der Bevölkerung). Ursache für Überschuldung sind vor allem niedrige Einkommen, Arbeitslosigkeit, sowie Unfälle und Krankheit. Als arm gilt, wer über weniger als 980 € monatlich verfügt (Singles mit weniger als 60 % des mittleren Einkommens). Der Hartz IV- Regelsatz (Existenzminimum) betrug  2015 399,- €, zuzüglich 364,- € für eine warme Wohnung und liegt demnach unter der Armutsgrenze. Das Armutsrisiko ist nicht nur in den ostdeutschen Bundesländern hoch, sondern auch in westdeutschen. Dass die Armutsgefährdung in Deutschland geringer als in den übrigen EU-Ländern ist, ist für die Betroffenen auch nur ein schwacher Trost, zumal Deutschland über eines der höchsten Bruttoinlandsprodukte verfügt. Der Armuts- und Reichtums-Bericht 2016 stellt fest, dass der Einfluss auf politische Entscheidungen mit dem Vermögen steigt. Die Regierung streicht diese Aussage aus dem Bericht.
Die staatliche Grundsicherung für Arbeitslose (Hartz IV) wird nach Sozialgesetzbuch (SGB II) geregelt. Die Zahl der „Hartz-IV“-Empfänger, denen Geldzahlungen wegen „Pflichtverletzungen“ gekürzt werden (z.B. wegen: ungeeigneten, oder unterbezahlten Job nicht angenommen, oder einen Termin unentschuldigt versäumt), oder denen sämtliche Leistungen gestrichen wurden, geht in die Hunderttausende. Die Sanktionen der Jobcenter gehen soweit, dass auch Schwangere bestraft werden sollen, wenn sie z.B. den Namen des Erzeugers nicht nennen wollen. Die Strafen sind willkürlich, weil die Jobcenter wegen der andauernden Arbeitslosigkeit so gut wie keine Jobs vermitteln können. Und wenn dann höchstens atypische. Die Sanktionen sind auch politisch gewollt, um Leistungsbezieher in Arbeitsverhältnisse zu zwingen, die unterqualifiziert und/oder unterbezahlt sind.  Die Jobcenter verfügen über spezielle Ermittler, die bei Betrugsverdacht weitgehend die gleichen Rechte wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten haben. In deren Ermessen liegt es andere Behörden einzubeziehen, wie das Grundbuch-, Gewerbe- und Einwohnermelde-Amt, das Amtsgericht, das Handelsregister, und nicht zuletzt auch Banken. Um nicht missverstanden zu werden: Es ist legitim gegen Sozialbetrug vorzugehen. Das berechtigt aber nicht dazu pauschal alle Antragsteller oder Leistungsbezieher unter Generalverdacht zu stellen, Betrüger oder Sozialschmarotzer zu sein, die nur versuchen, sich Leistungen zu erschleichen oder Vermögen zu unterschlagen. Um weitere Missverständnisse auszuschließen: Die Grundsicherung ist nur relativ sozial, weil sie nicht bedingungslos Existenzen sichert und Menschen in Armut belässt und erniedrigt.
Der Spielfilm „Ich, Daniel Blake“ von Ken Loach (ausgezeichnet mit der »Goldenen Palme«) zeigt den Irrsinn eines Systems, das den Menschen zum Kostenfaktor degradiert. Er zeigt aus der Sicht eines Betroffenen, wie die Sozialstaatsbürokratie Sozialhilfe verweigert. Er zeigt auch die Erbarmungslosigkeit, mit der die herrschende Politik hilfsbedürftige Menschen psychisch erniedrigt und materiell zerstört. Als schonungsloser Dokumentarfilm wäre das Thema wohl nie ins Kino gelangt und vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen als propagandistisch abgelehnt worden. Über die subversive Kraft der Phantasie sagt das Sozialdrama jedoch so viel mehr über Würde, Mitgefühl und Kapitalismus aus, als das es zehn Regalmeter akademischer Abhandlungen jemals könnten. Der Film ist eine bittere Anklage nicht nur gegen den britischen sondern auch gegen den deutschen Sozialstaat. Auch wenn er sich denen zuwendet, die nichts zu verlieren haben als ihre Ketten, sollten auch die den Film gesehen haben, die dem Sozialstaat noch nie ausgeliefert waren, um die institutionalisierte Barbarei des kapitalistischen Sozialhilfesystems zu verstehen.
Selbst Arbeit schützt vor Armut nicht. 1,3 Millionen Beschäftigte erhalten Hartz-IV-Leistungen, weil sie von ihrem Arbeitslohn allein nicht leben können. Atypische, prekäre Beschäftigungsformen, wie Niedriglöhne, unfreiwillige Teilzeit- oder Leiharbeit, sowie Soloselbstständigkeit, machen es immer mehr Beschäftigten unmöglich, von ihrem Arbeitseinkommen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Eigentlich müsste ein Vollzeitjob nicht nur das Einkommen, sondern auch das Auskommen sichern. Denn ein steigender Anteil von Menschen, die dauerhaft nicht von ihrer Arbeit leben können, untergräbt die Legitimität einer Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung. Auch ein Mindestlohn von 8,50 € brutto pro Stunde ist viel zu niedrig, um Armut zu verhindern. Erst ein Mindestlohn ab etwa 12,- € könnte vor einer Armutsfalle schützen. Viele Unternehmen stellen immer mehr Teilzeitbeschäftigte ein, um Lohnkosten zu reduzieren. Mehr als ein Drittel der europäischen Erwerbstätigen arbeiten inzwischen in atypischen Beschäftigungsformen, also in Verhältnissen, die sich durch Unsicherheit, Unterbrechungen sowie durch ein erhöhtes Risiko der Erwerbslosigkeit auszeichnen. Dabei stellt die hohe Zahl Abgehängter, insbesondere Jugendlicher, die unter der wachsenden Perspektivlosigkeit leiden, eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt dar und spielt den erstarkenden populistischen Bewegungen in die Hände. Immer mehr, vor allem Jugendliche, die komplett außerhalb von Job und Ausbildung leben, ziehen sich enttäuscht und frustriert aus der Gesellschaft zurück.
Auch die gesetzliche Rente schützt weder vor Armut, noch sichert sie den Lebensstandard. Armut verkürzt die Lebenserwartung um etwa 10 Jahre. Die Zahl der Menschen, die über 65 Jahre alt sind und Grundsicherung im Alter (nach SGB XII) beziehen, hat sich seit 2003 auf 536.000 erhöht und damit mehr als verdoppelt. Insbesondere wegen der geringen, nach unten nicht gedeckelten Renten. Diese an die Hartz-IV-Regelsätze gekoppelte Leistung ist nicht bedarfsgerecht und damit auch nicht armutsfest. Anders als ALG II-Bezieher haben die Empfänger der Alterssicherung auch keine Aussicht auf Verbesserung ihres Einkommens, und alle ihre Ersparnisse werden auf die Grundsicherung angerechnet. In Österreich dagegen erhält jeder Beitragszahler nach 30 Versicherungsjahren eine Alterssicherung von mindestens 1.260,-€.
Um eine weitere Absenkung des deutschen Rentenniveaus zu verhindern, wären staatliche Mehrausgaben in Milliardenhöhe erforderlich. In Zeiten des demografischen Wandels, in der die Republik schrumpft und altert, sei die steigende „Versorgungslast“ unbezahlbar, behaupten die Arbeitgeberverbände. Immer weniger beitragszahlende Beschäftigte müssen künftig immer mehr Rentner versorgen. Die Zahl der Erwerbsfähigen ist seit 1950 stark fallend. Dazu trägt auch die anhaltende Arbeitslosigkeit bei. Die Renten stiegen trotzdem, dank steigender Arbeitsproduktivität. Diese sichert eine höhere Rendite (Profit), hat aber auch den Nachteil, dass sie unter kapitalistischen Verhältnissen statistisch nur wächst, wenn in deren Folge Arbeitskräfte entlassen werden. Da sich die Rentenkassen über Beiträge auf die Arbeitseinkommen finanzieren, müssten die Reallöhne im gleichen Maße steigen. Damit ist die Rentenfrage auch eine Verteilungsfrage zwischen abhängig Beschäftigten und Arbeitgebern.
Obwohl das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes zur Armutsbekämpfung verpflichtet, hat keine Bundesregierung die Armut bisher als Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erkannt und ihr konsequent entgegengewirkt, meint der ausgewiesene Experte für soziale Probleme und Bundespräsidentschaftskandidat der Linkspartei Christoph Butterwegge. So wie Armut sind auch Reichtum und Vermögen soziale Fremdwörter für die Etablierten. Statt auf Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten, setzt das Establishment lediglich auf das „freiwillige Engagement Vermögender“. Die Regierungsparteien tun zu wenig gegen wachsende Armut, aber alles um den Reichtum der Superreichen zu fördern. Rechtspopulisten können sich daher als Sprachrohr der sozial Benachteiligten, Abgehängten und Ausgegrenzten profilieren, obwohl sie selbst auch nur die Interessen der wirtschaftlich und politisch Etablierten vertreten. Die Kluft zwischen Arm und Reich müsste durch mehr soziale Gerechtigkeit und Solidarität verringert, und die Stigmatisierung aller Abgehängten als „Drückeberger, Faulenzer und Sozialschmarotzer“ beendet werden. Das kann erreicht werden durch die Wiedererhebung der Vermögensteuer, einer höheren Körperschaftsteuer, einer gerechteren Erbschaftsteuer, ein progressiverer Einkommensteuertarif mit einem höheren Spitzensteuersatz und eine auf dem persönlichen Steuersatz basierende Kapitalertragsteuer. So wäre ein Kurswechsel in der Sozialpolitik zwar teuer, aber bezahlbar. Aber solange die rechte Regierung, nicht nur in Deutschland, die heilige Kuh (Besteuerung des Reichtums der Superreichen) nicht schlachten will, wird sich auch nichts ändern an der Armut in einem der reichsten Länder der Welt. Das Vermögen der Superreichen (Oligarchen) ist der eigentliche Skandal.  1 % der Weltbevölkerung besitzt mehr Vermögen, als der Rest der Welt zusammen! Aber die Zweiklassengesellschaft wird vom Mainstream nicht thematisiert. Wie lange lassen sich die 99 % diese asozialen Eigentumsverhältnisse noch gefallen? Sie sind die Ursache z.B. dafür, dass Millionen auf der Flucht vor Krieg und Elend sind. Wer seine Wut gegen die Flüchtlinge richtet, verwechselt Ursache und Wirkung und ist Populisten auf dem Leim gegangen.
Statistische Zahlen sagen nichts darüber aus, wie viele nicht in der Statistik erscheinen, weil sie es vorziehen auf die „Sozialleistung“ zu verzichten, um sich nicht erniedrigen und demütigen zu lassen. Die Statistik sagt auch nichts darüber, wie viele Anträge auf Grundsicherung von sog. Jobcentern, Sozialämtern und Sozialgerichten trotz Widerspruch abgelehnt werden. Auch diese Zahlen gehen sicher in die Hunderttausende. Daher soll hier im nächsten Blog-Beitrag („Armes Deutschland und die dritte Gewalt“) von einem Gerichtsurteil eines Antragstellers auf Grundsicherung für Arbeitslose und im Alter berichtet werden.

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Die Plünderung Afrikas

Afrika verfügt über ein Drittel aller Kohlenstoff- und Mineralressourcen der Welt. Ein Reichtum, der für die Bevölkerung Afrikas unter den derzeitigen politischen und ökonomischen Bedingungen ein Fluch ist und kein Segen, weil nur andere davon profitieren („Ressourcen-Fluch“). Ein kriminelles Netzwerk aus zwielichtigen Händlern, internationalen Großkonzernen und kapitalistischen Freibeutern hat sich den Zugang zu den Ressourcen gesichert und greift die Gewinne systematisch ab. Die direkten Folgen sind ausufernde Korruption, Gewalt und Unterdrückung. Die gibt es aber auch in Ländern mit geringen Bodenschätzen, wie Kenia. In Norwegen z.B. sind die Ressourcen dagegen eher ein Segen.
In den rohstoffreichen Ländern Afrikas strömen Dollars zum Kauf von Rohstoffen ins Land, während der Rest der Wirtschaft deformiert wird. Diese Staaten tun nichts weiter, als ausländischen Unternehmen die Lizenz zur Förderung von Öl oder dem Schürfen nach Erzen zu geben. In rohstofffinanzierten Regimes dient das Nationaleinkommen nur denen, die die Kontrolle über den Staat ausüben. Das sind Kleptokratien, in denen Regieren und Diebstahl ein und dasselbe sind. Die Bildungsausgaben sinken, während die Militärbudgets immer größer werden. Wer einmal an der Macht ist, gibt sie nicht wieder ab: Die vier am längsten an der Macht befindlichen Staatschefs der Welt sind Teodoro Obiang Nguema in Äquatorialguinea, José Eduardo dos Santos in Angola, Robert Mugabe in Simbabwe und Paul Biya in Kamerun. Sie alle sind machtbesessen und haben viel zu verlieren. Der Präsident der demokratischen Republik Kongo in Kinshasa, Joseph Kabila, will auch nach seiner 2. Amtszeit nicht abtreten. Kabila kam dem Westen 2001 gelegen, weil er den Bergbau des rohstoffreichsten Landes in Afrika privatisierte und den Bergbaumultis 30 Jahre Steuerfreiheit einräumte. Inzwischen hat er sich Hunderte Millionen unter den Nagel gerissen. Seiner Familie hat er Schürfrechte für Gold-, Diamanten-, Kupfer- und Kobalt-Minen gesichert.
Afrika hat 13 % der Weltbevölkerung, generiert aber nur 2 % des weltweiten Bruttoinlandsproduktes. Hier lagern schätzungsweise 15 % der Rohölvorräte, 40 % des Goldes und 80 % des Platins dieses Planeten. Die reichhaltigsten Diamanten-Minen befinden sich in Afrika, außerdem bedeutende Vorräte an Uran, Kupfer, Eisenerz, Bauxit.
Außenstehende sehen in Afrika den Kontinent, der unaufhörlich Hilfe schluckt, selbst aber wenig zur Weltwirtschaft beiträgt. Doch bei näherer Betrachtung sieht die Beziehung zwischen Afrika und dem Rest der Welt ganz anders aus. Im Jahr 2010 betrug der Wert der Brennstoff- und Mineralexporte aus Afrika 333 Milliarden Dollar, mehr als das Siebenfache der Wirtschaftshilfe, die in den Kontinent floss. Nicht eingerechnet sind dabei die riesigen Summen, die durch Korruption und Steuertricks aus Afrika geschmuggelt werden.  Industrieländer, die Ressourcen aus Afrika konsumieren leben im Reichtum, die meisten Afrikaner haben dagegen kaum genug zum Leben. D.h. vom Gewinn des Öl- und Minengeschäfts sehen sie nichts. Die durchschnittliche Lebenserwartung Finnlands oder Südkoreas mit den beiden größten Handyherstellern der Welt beträgt 80 Jahre. Die Lebenserwartung in der Demokratischen Republik Kongo, mit den größten Mineralvorkommen der Welt, die unentbehrlich für die Herstellung von Handybatterien sind, beträgt nicht mehr als 50 Jahre. Die afrikanischen Öl- und Erz-Exporte gehen hauptsächlich nach Nordamerika, Europa und in wachsendem Maße nach China.
Afrika ist nicht nur außerordentlich reich an natürlichen Ressourcen, sondern auch außerordentlich abhängig von ihnen. Ein rohstoffreiches Land wird leicht zum Opfer des Ressourcenfluchs, wenn die Exporte zu mehr als einem Viertel aus Rohstoffen bestehen. In diese Kategorie fallen mindestens zwanzig afrikanische Länder. In Europa beträgt der Anteil der Rohstoffe 11 % am Export, in Nordamerika 15, in Lateinamerika 42 und in Afrika sind es 66 % – etwas mehr als in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und etwas weniger als im Nahen Osten. In Nigeria und in Angola beträgt der Anteil der Rohstoffexporte fast 100 %! Die Abhängigkeit der Rohstoffstaaten Afrikas wird besonders dann dramatisch, wenn die Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt fallen. Der Ressourcenfluch ist nicht einfach irgendein bedauerliches wirtschaftliches Phänomen in den afrikanischen Rohstoffstaaten, sondern eine systematische Plünderung, meint Tom Burgis, investigativer Journalist, in seinem Buch „Der Fluch des Reichtums“ über „die Plünderung Afrikas“. Die Plünderung Afrikas begann im 19. Jahrhundert, als Expeditionen von Siedlern, imperialen Gesandten, Rohstoffjägern, Kaufleuten und Söldnern vordrangen. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts begann der Öl-Boom in Nigeria. Während die europäischen Kolonialisten abzogen und die afrikanischen Staaten ihre Unabhängigkeit gewannen, verblieben die Konzerne der Rohstoffindustrie und verfolgten weiter ihre Interessen. Mehr als die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts basiert auf Rohstoffen. D.h. der Wohlstand insbesondere in den westlichen Industrieländern ist sehr stark abhängig vom Rohstoffreichtum Afrikas und dessen Plünderung. Wenn auch nicht alle Unternehmen und afrikanische Staatsmänner plündern, so wurde doch letztendlich die Plünderungsmaschine modernisiert. Wo einst gewaltsam aufgezwungene Verträge Afrikaner um ihr Land, ihr Gold und ihre Diamanten brachten, zwingen heute Heerscharen von Anwälten der Öl- und Bergbaugesellschaften mit Hunderten von Milliarden Dollar Jahresumsatz afrikanischen Regierungen ihre Bedingungen auf und nutzen Steuerlöcher, um die rohstoffabhängigen Länder um ihre Einnahmen zu betrügen. An die Stelle der kolonialen Imperien sind verborgene Netze von multinationalen Unternehmen, Zwischenhändlern und afrikanischen Potentaten getreten.

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Afrika und Rassismus

Die UNO hatte das Jahr 2001 zum Internationalen Jahr gegen Rassismus erklärt. Dabei wurde die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf den in den letzten Jahrzehnten weitgehend vergessenen afrikanischen Kontinent gelenkt. Afrikanische Staaten fordern die Anerkennung des Sklavenhandels als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Europa sitzt auf der Anklagebank für 400 Jahre Sklaverei und Kolonialismus. Die USA versagen die Anerkennung mit der Begründung, dass die arabischen Staaten Zionismus und Rassismus gleichsetzen, um Israel als rassistischen Staat zu verurteilen.
Schätzungen zufolge fielen in den dreihundert Jahren zwischen 1550 und 1850 rund fünfzig Millionen Afrikaner dem Sklavenhandel zum Opfer. Sie wurden in ihrer Heimat gekidnappt und wie Vieh über den Atlantik verfrachtet. Viele starben schon während der Überfahrt. Die Überlebenden schufteten auf Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen in Süd- und Nordamerika und auf den karibischen Inseln.
Rassismus ist eine frühe Form des Kolonialismus und Sklaverei. Sklaverei war ein wirtschaftlicher Faktor zur Erzielung von Profit. Afrikaner dienten als Handelsware, mit der man Geschäfte macht. Sklaverei wurde lange als Teil der natürlichen Ordnung akzeptiert. So wie heute Obdachlosigkeit höchstens als bedauerlicher Zustand gesehen wird, nicht als Übel. Auch die Bibel musste als Rechtfertigung der Misshandlung und Unterdrückung herhalten.
Erst Ende des 18.Jahrhunderts wurde Sklaverei als Sünde betrachtet. Der Aufstand der Sklaven auf Haiti führte zu ihrer Befreiung. Die Unterentwicklung und Armut in den meisten Ländern Afrikas und der Karibik sind zum überwiegenden Teil Folge des Sklavenhandels. Dem afrikanischen Kontinent entstand durch den massiven Aderlass ein unermesslicher Schaden. Die Folge war eine blockierte Entwicklung, soziale Deprivation und Minderwertigkeitsgefühle, Ghettoisierung und Verarmung. Den Afrikanern wurden die Früchte ihrer Arbeit gestohlen, ihre afrikanische Kultur, ihr Erbe, ihre Familie; Sprache und Religion wurden ihnen versagt, ihre Identität, ihr Selbstbewusstsein wurden zerstört durch Unterdrückung und Hass.
Nach Ansicht von Historikern war der Sklavenhandel das größte Verbrechen der Weltgeschichte. Ohne die unbezahlte Arbeitskraft der Sklaven wäre die von England ausgegangene industrielle Revolution nicht möglich gewesen. Nur mit dem aus dem Sklavenhandel akkumulierten Kapital hat sich der Westen zur „ersten Welt“ entwickeln können. Ein Großteil des Reichtums des Westens beruht auf ein eklatantes Verbrechen gegen die Menschheit.
Die jüngste Geschichte Deutschlands ist nicht nur schwer belastet durch den Völkermord über die Hereros in Namibia in der Kolonialzeit, sondern auch durch die Rassentrennung während des Faschismus. Die industrielle Vernichtung der Juden durch die Nazis war eine besonders menschenverachtende und verabscheuungswürdige Form des Rassismus im Faschismus.
Simbabwe hat die Forderung nach Reparationen für „das internationale Verbrechen des Kolonialismus“ in seiner Verfassung verankert. Der Premierminister von St. Vincent und den Grenadinen, Ralph Gonsalves, hat im August 2013 erklärt, er werde in der Frage der Entschädigung für Sklaverei und Völkermord nicht nachgeben. Die Karibik macht Europa für den Völkermord und die Versklavung als den Hauptverursacher der regionalen Unterentwicklung verantwortlich.
Erst jüngst errangen kenianische Überlebende von Folter und Übergriffen durch die britische Kolonialmacht während des Mau-Mau-Aufstands von 1952 und 1963  einen historischen Sieg. Im Rahmen eines Abkommens erkannte die britische Regierung an, dass kenianische Unabhängigkeitskämpfer Folter und anderen Misshandlungen durch die damalige britische Kolonialverwaltung ausgesetzt waren. Sie kündigte Entschädigungen für 5.228 Opfer in Höhe von insgesamt 19,9 Millionen Pfund (22,84 Millionen Euro) an. Das ist ein Bruchteil der 16,5 Milliarden Pfund (nach heutigem Wert), mit denen die 3.000 Sklavenhalterfamilien für den Verlust ihres „Eigentums“ nach der Abschaffung der Sklaverei in den britischen Kolonien 1833 entschädigt wurden.
Nach dem Ende der Sklaverei sicherte sich die weiße Minderheit in Südafrika ihre selbsterklärte Vorherrschaft. Apartheid steht für die systematische Unterdrückung und Ausbeutung einer Bevölkerungsmehrheit von rd. 41 Millionen Schwarzen durch rd. 4 Millionen Weiße. Die Rassentrennung wurde 1990 zwar für beendet erklärt, lebt aber in Form von Armut der übergroßen Mehrheit der schwarzen Bevölkerung nicht nur in Südafrika weiter. Da Armut dem Kapitalismus systemimmanent ist, wird diese nicht abgeschafft werden können, ohne das System zu ändern. Zweifel, dass das Reformen bewirken könnten, sind hier angebracht.

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Angola

Vom Befreiungskampf zum Bürgerkrieg
Durch die Nelkenrevolution im April 1974 in Portugal kam es zum Zusammenbruch des portugiesischen Kolonialreiches. Der Befreiungskampf Angolas gegen die Kolonialmacht Portugal wandelte sich in einen Konflikt um die Macht zwischen der einst marxistischen Partei MPLA einerseits, und den prowestlichen UNITA und FNLA andererseits. Der Prozess zur Unabhängigkeit führte in Angola zum Bürgerkrieg. Sowohl MPLA als auch UNITA ernannten eigene Regierungen. Im Kalten Krieg weitete sich der Bürgerkrieg zum Stellvertreterkrieg aus und zeichnete das Land bis heute schwer. Panzer die mitunter noch herumstehen, sind dabei das geringste Problem.
IMAGE_385FNLA und UNITA wurde von den USA, Südafrika und China unterstützt und drangen tief in das Gebiet der MPLA ein. Agosthino Neto, Präsident der MPLA-Regierung, rief 1975 Kuba um Hilfe, da die Sowjetunion anfangs auf Grund von ideologischen Differenzen keine Militärhilfe leistete.

Kubas Hilfe
In Europa kaum bekannt, ist die internationalistische, militärische Hilfe Kubas in Afrika Legende. Im Januar 1976 besiegten kubanische Truppen die südafrikanische Armee in Angola und brachen damit deren Nimbus der Unbesiegbarkeit. Die Kubaner benannten ihre Operation Carlotta nach der Anführerin des Sklavenaufstandes von 1843, dem größten in der kubanischen Geschichte. Für Nelson Mandela war die Niederlage der Apartheid-Armee Inspiration für den eigenen Befreiungskampf. Zum 1. Mal hat ein ausländisches Land ein afrikanisches Land nicht unterdrückt, sondern verteidigt. Westliche Medienvertreter und Politiker wunderten sich, wieso ausgerechnet jene kleine Karibikinsel eine zentrale Rolle beim Staatsbegräbnis von Nelson Mandela eingeräumt wurde. Das Engagement im südlichen Afrika erhöhte Kubas Einfluss in den Entwicklungsländern gegen Rassismus und Einmischung der US und seiner Alliierten und führte zur Wahl Kubas zum Vorsitz der Blockfreien Staaten.
Somalia wollte 1977/78 das heutige äthiopische Ogaden besetzen. Äthiopien unter Mengistu wurde von der Sowjetunion unterstützt, worauf sich Somalia an die Seite der USA schlug. In diesem Zusammenhang wurden kubanische Soldaten aus Angola nach Äthiopien verlegt. Daran erinnert das Friendship Memorial in Addis Abeba (Äthiopien). In Angola erinnert ein Denkmal in der Stadt Luena (an der Grenze zu Sambia und Kongo, am Ende der Welt) an Kubas Hilfe. Das Ziel der Hilfe bestand aus der Sicht Kubas darin, den US-Imperialismus, das südafrikanische Rassistenregime und die Apartheid zu überwinden. Der anvisierte Aufbau einer modernen sozialistischen Gesellschaft in Angola blieb jedoch aus.

Der Aufsteiger Afrikas
Nach dem Tod Netos 1979 wurde Santos, der heutige Präsident, sein Nachfolger. 1992 ging aus den 1. Wahlen die MPLA siegreich hervor. Der UNITA-Chef akzeptierte seine Niederlage nicht und setzte den bewaffneten Kampf fort. Erst dessen Tod ermöglichte die Rückkehr zum Friedensprozess.
Nach dem Ende des 27-jährigen Bürgerkriegs 4/02 hat sich Angola mit einer Steigerung des Bruttosozialprodukts von etwa 12 % allein 2012 zu einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaften Afrikas entwickelt. Das Wachstum resultiert zu 90 % aus dem Öl-Export, d.h. Landwirtschaft und Industrie ist wenig entwickelt. Angola ist nach Nigeria der zweitgrößte Ölproduzent des Kontinents. Wie überall in Afrika kommt davon jedoch der geringste Teil der Bevölkerung zugute. Etwa 2/3 der etwa 19 Mio Einwohner lebt mit weniger als 1,50 € pro Tag in tiefer Armut. Sie schlagen sich in den großen Städten als Straßenverkäufer oder Gelegenheitsarbeiter durch. 220 von 1000 Kindern unter 5 Jahren sterben. Koloniales Erbe ist ebenso daran schuld wie miserable sanitäre Verhältnisse. Eine Krankenhausbehandlung ist oftmals nur gegen Schmiergeld zu bekommen. An den Wohnbedingungen wird die soziale Kluft am deutlichsten. In den beiden größten Städten Luanda und Lobito lebt ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes in den Slums (Musseques). Dort zahlt ein kleiner Staatsbediensteter umgerechnet 30 Dollar im Monat für ein Zimmer ohne Strom und fließendes Wasser. Ein Angehöriger der oberen Zehntausend im Süden Luandas eine Monatsmiete im fünfstelligen Dollarbereich.
Trotz Wirtschaftsboom sind 30% der Erwerbstätigen ohne Beschäftigung. China ist inzwischen der wichtigste Handelspartner. Das größte „soziale“ Wohnungsbauprojekt Afrikas, finanziert von den Chinesen, wurde erst kürzlich in Luanda eröffnet. Luanda mit 3,5 Mio Einwohner zählt heute zu den teuersten Städten der Welt.
Die Opposition beklagt die absolute Macht und politische Willkür der heute sozialdemokratischen MPLA. Von der persönlichen Bereicherung einer kleinen Elite und Korruption auch in diesem Land zeugt z.B. ein Manko von 32 Milliarden Dollar im Staatshaushalt, für das die Regierung keine Erklärung bietet. Die größte Oppositionspartei UNITA meint, der Präsident verfügt über öffentliche Gelder, wie über sein Privatkonto. Die Elite Angolas gilt heute als eine der korruptesten der Welt. Viele Angolaner fühlen sich von der internationalen Gemeinschaft in Stich gelassen, für die wirtschaftliche Interessen höher stehen, als z.B. demokratische Grundsätze und Menschenrechte. Jose Eduardo dos Santos ist seit 1979 im Amt und damit Afrikas Dienstältester Präsident. Der Führer der stärksten Partei wird per Verfassung automatisch Staats-Präsident. D.h. Santos blieb auch nach der Wahl Ende August 2012 Präsident.
Die ehemalige Kolonialmacht Portugal musste erst kürzlich vor dem Staatsbankrott gerettet werden. Jetzt soll Portugal von seiner ehemaligen Kolonie, die erst 1975 unabhängig wurde, gerettet werden. Viermal so viele Portugiesen lassen sich in Angola nieder, wie Angolaner in Portugal. Der wirtschaftliche Nachholbedarf Angolas ist enorm. Portugiesisch sprachige Fachkräfte sind gesucht. Ein Ingenieur verdient in Angola 3 Mal so viel, wie sein Kollege in Portugal. Trotzdem drängt die angolanische Regierung Konzerne dazu, mit einheimischem Personal zu arbeiten. Entsprechend sind auch die Visabestimmungen ausgelegt. Die Defizite im Bildungswesen sind nach dem Bürgerkrieg gravierend. Weniger als 2/3 der Kinder im schulpflichtigen Alter gehen zur Schule.

Die erste Milliardärin in Afrika
Isabel dos Santos ist die Präsidententochter in Angola und wohl zugleich die erste Milliardärin in Afrika. Frei nach Jewtuschenkos „Der Hase im Rausch“, stellt sich hier die Frage, „Mit welchen Mitteln gelang es ihr, sich derart zu bereichern? Die Präsidentenfamilie leistet sich ein feudales Leben, während die Mehrheit in Armut lebt. Symptomatisch für Afrika. Mittelalter im 21. Jahrhundert. Ohne der Tochter des Präsidenten ihre unternehmerischen Fähigkeiten absprechen zu wollen, aber einen derartigen Reichtum anzureichern, war ohne das politische Amt des Präsidentenvaters nicht machbar. Das ist Amtsmissbrauch.
Das reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt mehr als die restlichen 99 Prozent zusammen! Das ist asozial! Alleine die afrikanischen Staaten kostet es jährlich rund 14 Milliarden US-Dollar, dass reiche Einzelpersonen ihr Vermögen in Steueroasen verschieben. Mit dem Geld (nicht bezahlte Steuern!) ließe sich in Afrika flächendeckend die Gesundheitsversorgung für Mütter und Kinder sicherstellen, was pro Jahr rund vier Millionen Kindern das Leben retten würde

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