Beiträge mit dem Schlagwort: Kapitalismus

Der Weltveränderer: Was Varoufakis wirklich will

Yanos Varoufakis, der von den Mainstream –Medien auf Äußerlichkeiten wie Ledermantel und Motorrad reduziert wird, wurde in der griechischen Diktatur sozialisiert. Sein Vater wurde von der Militärdiktatur zusammen mit Kommunisten ins Konzentrationslager gesperrt. Auch der Schweizer Fernsehmoderator der philosophischen Sendereihe von 3Sat, Stephan Klapproth, hat die üblichen Zerrbilder und Klischees wiederholt. Varoufakis verweist aber entschieden auf Inhalte, um die es geht. Weil Vernunft irrational wird, wenn man sie von der Ethik abspaltet, oder Wirtschaft den Wohlstand unterhöhlt, wenn sie von der Politik getrennt wird.
Kapitalismus verwischt den Unterschied zwischen Preis und Wert. Während der Preis alles entscheidet, wird der eigentliche Wert vernachlässigt. Varoufakis bezeichnet sich als libertären Marxisten, dem der Marxismus hilft den Kapitalismus zu verstehen. Der Kapitalismus hat die Menschheit vom Feudalismus befreit, ist aber jetzt dabei sich selbst abzuschaffen. Jetzt werden die Menschen versklavt, weil die Ökonomie die Politik und die sozialen Bereiche beherrscht und verformt. Lange Zeit war der Kapitalismus eine wichtige Kraft für den Fortschritt, jetzt aber verkommt die Innovationskraft des Menschen durch das Kapital. Im Unterschied zur Demokratie ist Kapitalismus kein natürliches System, zu dem es keine Alternative gibt. Linke sind bei dem Versuch eine Alternative zu schaffen vorerst gescheitert. Aber so wie sich Christen nicht laufend für die Inquisition entschuldigen müssen, müssen sich Linke (Sozialisten des 20.Jahrhunderts) auch nicht ständig für den Stalinismus entschuldigen. Wichtig ist nur das Mahnen und die ständige Erinnerung an Abscheulichkeiten. Ob nach Kapitalismus z.B. Utopia folgt ist ungewiss und hängt von der Demokratie ab, in der politische Entscheidungen getroffen werden.
Verallgemeinerungen über die Griechen, wie z.B. Sie würden keine Steuern zahlen, oder auf Kosten der deutschen Steuerzahler leben, führen nicht nur zu Rassismus, sondern auch zur europäischen Desintegration. Die Griechen sind die Schwarzen Europas, meint Varoufakis. Ich würde hinzufügen: So wie die Ossis die Türken in Deutschland sind. Varoufakis wollte das griechische Steuersystem reformieren, wurde aber von der sog. Troika (IWF, europäische Zentralbank EZB und EU-Kommission) daran gehindert. Während er für die Senkung der Steuern warb, drängte die Troika auf Steuererhöhung, also auf ein Steuersystem, das zur katastrophalen Lage in Griechenland erst geführt hat. Die Troika zwang die Tsipras-Regierung z.B. zu einem Gesetz, wonach alle Unternehmen 2015 bereits Steuern für 2016 zu zahlen hätten. Die Tsipras-Regierung wollte auch keine Kredite. Varoufakis Schlussfolgerung: Die Troika war gar nicht daran interessiert, das Land zu reformieren, oder den Griechen zu helfen. Es ging nur darum eine sozialistische Regierung in die Knie zu zwingen, die es gewagt hatte nein zu sagen, zur Politik der Technokraten. Sie wollten, dass keine Signalwirkung für Länder vor den Wahlen, wie in Spanien oder Portugal entsteht. Es war reine Machtpolitik, die den solidarischen Zusammenhalt in Europa komplett in Frage stellt. Für die griechische Bevölkerung, die sich nicht aus der EU verabschieden wollte, waren die Technokraten der Troika eine Besatzungsmacht, die ihren gewählten Abgeordneten vorschrieb, was sie zu tun haben.
Als Ursachen der Desintegration nennt Varoufakis, dass in Europa entschieden zu wenig investiert wird. Kein Wunder in einer Welt, in der 62 Einzelpersonen so viel ihr Eigentum nennen, wie die Hälfte der Weltbevölkerung. Eine weitere Folge davon sind die hohen öffentlichen Schulden, und damit geringer Investitionen. Hinzu kommt die Banken Kriese, sowie die humanitäre Krise (das zunehmende Auseinanderdriften von Arm und Reich). Für Europa ergibt sich die Alternative entweder zu einer demokratischen Föderation zu werden, oder Europa bricht auseinander. Aus dem einseitigen Dialog der Tauben muss in Europa ein Dialog auf Augenhöhe entstehen. Varoufakis hat sich aus der Regierungsverantwortung verabschiedet, um sich mehr der Politik zuzuwenden. Eines seiner Ziele ist ein demokratisches Europa. Dazu hat er gerade in Berlin das proeuropäische Aktivisten-Netzwerk DiEM 25 gegründet.

Inhalt der Sternstunde 3sat:  https://www.youtube.com/watch?v=PNPaZycIC9I    54 Min.

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Afrika und Rassismus

Die UNO hatte das Jahr 2001 zum Internationalen Jahr gegen Rassismus erklärt. Dabei wurde die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf den in den letzten Jahrzehnten weitgehend vergessenen afrikanischen Kontinent gelenkt. Afrikanische Staaten fordern die Anerkennung des Sklavenhandels als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Europa sitzt auf der Anklagebank für 400 Jahre Sklaverei und Kolonialismus. Die USA versagen die Anerkennung mit der Begründung, dass die arabischen Staaten Zionismus und Rassismus gleichsetzen, um Israel als rassistischen Staat zu verurteilen.
Schätzungen zufolge fielen in den dreihundert Jahren zwischen 1550 und 1850 rund fünfzig Millionen Afrikaner dem Sklavenhandel zum Opfer. Sie wurden in ihrer Heimat gekidnappt und wie Vieh über den Atlantik verfrachtet. Viele starben schon während der Überfahrt. Die Überlebenden schufteten auf Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen in Süd- und Nordamerika und auf den karibischen Inseln.
Rassismus ist eine frühe Form des Kolonialismus und Sklaverei. Sklaverei war ein wirtschaftlicher Faktor zur Erzielung von Profit. Afrikaner dienten als Handelsware, mit der man Geschäfte macht. Sklaverei wurde lange als Teil der natürlichen Ordnung akzeptiert. So wie heute Obdachlosigkeit höchstens als bedauerlicher Zustand gesehen wird, nicht als Übel. Auch die Bibel musste als Rechtfertigung der Misshandlung und Unterdrückung herhalten.
Erst Ende des 18.Jahrhunderts wurde Sklaverei als Sünde betrachtet. Der Aufstand der Sklaven auf Haiti führte zu ihrer Befreiung. Die Unterentwicklung und Armut in den meisten Ländern Afrikas und der Karibik sind zum überwiegenden Teil Folge des Sklavenhandels. Dem afrikanischen Kontinent entstand durch den massiven Aderlass ein unermesslicher Schaden. Die Folge war eine blockierte Entwicklung, soziale Deprivation und Minderwertigkeitsgefühle, Ghettoisierung und Verarmung. Den Afrikanern wurden die Früchte ihrer Arbeit gestohlen, ihre afrikanische Kultur, ihr Erbe, ihre Familie; Sprache und Religion wurden ihnen versagt, ihre Identität, ihr Selbstbewusstsein wurden zerstört durch Unterdrückung und Hass.
Nach Ansicht von Historikern war der Sklavenhandel das größte Verbrechen der Weltgeschichte. Ohne die unbezahlte Arbeitskraft der Sklaven wäre die von England ausgegangene industrielle Revolution nicht möglich gewesen. Nur mit dem aus dem Sklavenhandel akkumulierten Kapital hat sich der Westen zur „ersten Welt“ entwickeln können. Ein Großteil des Reichtums des Westens beruht auf ein eklatantes Verbrechen gegen die Menschheit.
Die jüngste Geschichte Deutschlands ist nicht nur schwer belastet durch den Völkermord über die Hereros in Namibia in der Kolonialzeit, sondern auch durch die Rassentrennung während des Faschismus. Die industrielle Vernichtung der Juden durch die Nazis war eine besonders menschenverachtende und verabscheuungswürdige Form des Rassismus im Faschismus.
Simbabwe hat die Forderung nach Reparationen für „das internationale Verbrechen des Kolonialismus“ in seiner Verfassung verankert. Der Premierminister von St. Vincent und den Grenadinen, Ralph Gonsalves, hat im August 2013 erklärt, er werde in der Frage der Entschädigung für Sklaverei und Völkermord nicht nachgeben. Die Karibik macht Europa für den Völkermord und die Versklavung als den Hauptverursacher der regionalen Unterentwicklung verantwortlich.
Erst jüngst errangen kenianische Überlebende von Folter und Übergriffen durch die britische Kolonialmacht während des Mau-Mau-Aufstands von 1952 und 1963  einen historischen Sieg. Im Rahmen eines Abkommens erkannte die britische Regierung an, dass kenianische Unabhängigkeitskämpfer Folter und anderen Misshandlungen durch die damalige britische Kolonialverwaltung ausgesetzt waren. Sie kündigte Entschädigungen für 5.228 Opfer in Höhe von insgesamt 19,9 Millionen Pfund (22,84 Millionen Euro) an. Das ist ein Bruchteil der 16,5 Milliarden Pfund (nach heutigem Wert), mit denen die 3.000 Sklavenhalterfamilien für den Verlust ihres „Eigentums“ nach der Abschaffung der Sklaverei in den britischen Kolonien 1833 entschädigt wurden.
Nach dem Ende der Sklaverei sicherte sich die weiße Minderheit in Südafrika ihre selbsterklärte Vorherrschaft. Apartheid steht für die systematische Unterdrückung und Ausbeutung einer Bevölkerungsmehrheit von rd. 41 Millionen Schwarzen durch rd. 4 Millionen Weiße. Die Rassentrennung wurde 1990 zwar für beendet erklärt, lebt aber in Form von Armut der übergroßen Mehrheit der schwarzen Bevölkerung nicht nur in Südafrika weiter. Da Armut dem Kapitalismus systemimmanent ist, wird diese nicht abgeschafft werden können, ohne das System zu ändern. Zweifel, dass das Reformen bewirken könnten, sind hier angebracht.

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