Terror soll Angst und Schrecken verbreiten und fordert immer wieder beklagenswerte Opfer von Gewalt. Die Opfer von sinnloser, terroristischer Gewalt verdienen unseren Respekt und unser Beileid. Bliebe unsere Solidarität aus, hätten Terroristen ihr Ziel erreicht, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung zu nötigen. Nach den Anschlägen am 11. September 2001 hat die USA dem Terror den Krieg erklärt, in dem wir uns immer noch befinden. Die Spirale der Gewalt durch Terror und Krieg scheint kein Ende zu nehmen. Terror richtet sich vor allem gegen die Industrieländer und macht auch vor Europa kein Halt. Wenn jedoch wie in diesen Tagen politische Unterschiede gemacht werden bei der Trauer um terroristische Opfer, ist das mehr als beschämend. Es ist zynisch, wenn russische Opfer in Petersburg nicht genauso beklagt werden, wie deutsche oder französische. Die Tränen um Opfer in Paris oder Berlin verkommen so zu Krokodilstränen.
In Syrien herrscht seit 2011 ein schrecklich verheerender Krieg mit unzähligen zivilen Opfern. Auch hier gibt es einen direkten Zusammenhang mit den Anschlägen am 11. September 2001. Es ist schon lange kein syrischer Bürgerkrieg mehr, sondern ein Stellvertreterkrieg, der auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen, und auch vom Westen befeuert wird. Terroristen heizen diesen Krieg erbarmungslos an, um ihren Islamistischen Staat zu errichten. Russland hat erst spät eingegriffen, um den IS militärisch zu bekämpfen, auf Bitten der syrischen Regierung. Beim Kampf der Koalition Syrien/Russland gegen den IS um Aleppo war in der Mainstreampresse kein Wort davon zu lesen, dass die syrische Opposition, genauso wie der IS, die Zivilbevölkerung als Schutzschild missbraucht. Es ging nur gegen den „Diktator Assad“ und gegen Russland, wenn zivile Opfer zu beklagen waren. Beim Kampf der Koalition Irak/USA um Mossul ist die Kriegspropaganda genau umgekehrt ausgerichtet (s. auch Video von Todenhöfer „Stoppt die Befreiungskriege im mittleren Osten“). Und auch um Mossul wieder zynische Beileidskultur. Die Presse, die das so verbreitet, nenne ich Lügenpresse. Schlimm nur, dass dieses Wort in Deutschland von den falschen, rechten Leuten in Pegida und AfD, für ihre konservative Propaganda missbraucht wird.
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Zynische Beileidskultur
Keine Alternative zum Krieg?
Wie entstand die chaotische Situation in Syrien?
Der Krieg arabischer Länder im Nahen Osten, in dem sich geostrategische und regionale Machtinteressen mit einem Modernisierungskonflikt in der islamischen Welt kreuzen und in einer politischen und gesellschaftlichen Neuordnung der Region entladen. Dort wird weniger ein Religionskrieg, als vielmehr Macht- und Interessenkämpfe unter Instrumentalisierung des sunnitisch-schiitischen Religionsgegensatzes ausgetragen. Das IS-Kalifat ist eine machtpolitische Staatsgründung, die nur in einem entstehenden Vakuum von sich vielfältig überlagernden Stellvertreterkonflikten möglich war.
Die Katastrophe in Syrien wurde durch den „jämmerlichen Arabische Frühling“ heraufbeschworen, der mit seinen chaotischen Auswirkungen nach Tunesien, Libyen, Ägypten und Libanon auch auf die Republik von Damaskus übergegriffen hatte. Damit löste sich eine staatliche Ordnung auf, die sich noch auf die Grenzziehung aus dem Ersten Weltkrieg stützte. In dem entstandenen Vakuum entfaltete sich ein Flächenbrand. Es sammelten sich skrupellose Dschihadisten, die ihr mörderisches Handwerk in Afghanistan und Bosnien, in Kaschmir und Algerien, in Pakistan und im Niger erlernt hatten und nun für einen „Gottesstaat«“ kämpfen. In Syrien war Hafez al- Assad (Vater des heutigen Präsidenten) in Zeiten des Kalten Krieges noch unersetzlich. Der sozialistische Laizismus seiner Baath-Partei, sowie seine Frontstellung gegen die Baath- Partei von Saddam Hussein in Irak, war eine für West wie Ost vorteilhafte Garantie gegen arabische Spaltung und Ohnmacht.
Es hätte nicht zum Krieg kommen müssen, wenn nicht im südsyrischen Daraa im Frühjahr 2011 die syrischen Sicherheitsorgane mit hemmungsloser Gewalt gegen die Demonstranten vorgegangen wären. Wir hatten Daara gerade in Richtung Jordanien verlassen (s. Blog www.asien.blogger.de/topics/Reise+Nahost%2C+Nordafrika/ ), als in der an der Grenze zu Jordanien gelegenen Stadt übermütige Jungen an die Wände ihrer Schule Parolen wider Bashar al-Assad gepinselt hatten. Verhaftung und Folter der Kinder trieben deren Mütter auf die Straße. Aber kaum war in Syrien der Konflikt entbrannt, hatten westliche Dienste in Komplizenschaft mit saudischen Wahabiten, jordanischen Salafisten und anderen sunnitischen Eiferern gegen die als Häretiker gebrandmarkten Alawiten, die die Elite Syriens stellen, das Feuer geschürt und den Stellvertreterkrieg Saudi- Arabiens und der Golfstaaten unterstützt. Der Westen hatte nichts gelernt aus Afghanistan und Irak. Die blinde Zerschlagung aller Strukturen in Irak und das Verjagen aller Beamten Saddams Husseins, bescherte den Dschihadisten Massenzulauf und das Land wurde eben nicht befriedet. Genau das droht sich jetzt in Syrien zu wiederholen.
Ist der Krieg in Syrien verhältnismäßig?
Die deutschen Volksvertreter haben Kriegshandlungen im Syrienkonflikt mit 445 gegen 145 Stimmen der Linken und der Grünen im Eilverfahren zugestimmt. 3000 Menschen haben allein in Berlin am Vorabend der Abstimmung im Bundestag gegen den Einsatz der Bundeswehr in Syrien demonstriert. Dieselben Volksvertreter von CDU, CSU und SPD, die für den Kriegseinsatz stimmten, stimmen zugleich dafür, die Grenzen dicht zu machen, um Flüchtlinge vor dem Krieg daran zu hindern, in das noch sichere Europa zu flüchten. Sie nennen sich Abgeordnete des Volkes. Dasselbe Volk, das diese Abgeordneten wählt, wird nicht gefragt, ob es den Krieg will. Wenn es um Olympiade geht, wird die Bevölkerung Hamburgs gefragt. Geht es um einen Krieg, wird kein Volk gefragt. Nicht nur Deutschland ist noch weit entfernt von einer wirklichen Demokratie. Über das Geld für den Krieg sprechen die Abgeordneten nicht, man hat es. Über das Geld für Flüchtlinge feilscht man.
Solidarität mit vom Terror betroffenen Ländern ist wichtig, Deshalb muss Deutschland aber noch lange nicht in einen völkerrechtswidrigen Krieg ziehen, nur weil Obama oder Hollande darum bitten. Krieg ist nur die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln. Sind die Mittel noch verhältnismäßig, wenn der Krieg weit mehr Opfer an Zivilisten nach sich ziehen wird, als nach dem Terroranschlag zu beklagen sind?
Warum das deutsche Interesse am Krieg? „Volksvertreter“ Röttgen (CSU) lässt die Katze aus dem Sack: Man dürfe „die Region nicht Assad, Putin und dem IS überlassen“. Gegen Syrien in den Krieg zu ziehen hält er für „legitim und legal“. Für solche Vertreter ist es vielleicht ein Abwasch bei der Gelegenheit auch noch den unbequemen Putin zu beseitigen. Ach ja, und dann ist da ja auch noch der selbst hochgezüchtete IS. Aber Zynismus beiseite: Für diesen Krieg gibt es weder eine Legitimation, noch einen klar benannten Feind, kein umrissenes Operationsgebiet oder einen Oberbefehlshaber. Es gibt auch keine Strategie wie es nach dem Bomben, was Jahre dauern kann, weitergeht. Deutschland hat auch keinen Einblick in die militärisch-strategische Konzeption der sich formierenden Militärallianz. Spielt keine Rolle, Hauptsache Dabeisein? Was ist das für eine Politik! Ursprünglich wollte die Bundesregierung die Syrien-Verhandlungen der UNO unterstützen. Hat sie sich dem Druck Frankreichs nach dem Anschlag in Paris nicht mehr entziehen können, nachdem sie allzu oft den EU-Verbündeten ihren Willen aufgezwungen hat? Oder fällt das mehr in den Rahmen des Strategiepapiers der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), wonach Deutschland mehr Verantwortung für das instabil werdende europäische Umfeld von Nordafrika über den Mittleren Osten bis Zentralasien übernehmen soll, damit sich die USA mehr um Rivalitäten in der Region um China kümmern kann. Vielleicht trifft die Bundeswehr in Mali auf den IS, nachdem dieser sein Hauptquartier dorthin verlegen musste. Dann wird Deutschland zum Hauptziel, und es wird wohl endgültig mit der lokalen Ruhe und relativen Sicherheit in Deutschland vorbei sein.
Krieg ist und bleibt staatlicher Terror. Auch wenn es ein Unterschied ist, ob Terroristen Menschen gezielt töten, oder ob im Kampf gegen diese Terroristen Zivilisten getötet werden. Für die toten Zivilisten ist es letztlich egal, ob sie als Kolateralschaden von Amerikanern (usw.), Russen oder von Assad abgetan werden. Obwohl zwischen Letzteren auch zu differenzieren ist. „Terrorismus ist der Krieg der Armen und Krieg ist der Terrorismus der Reichen“ (Peter Ustinov).
Lässt sich eine Terrororganisation wie der Islamische Staat nur militärisch besiegen?
Der Krieg ist nur zu stoppen, wenn sich alle involvierten Global- und Regionalmächte auf eine Lösung einigen. Die Entflechtung aller Stellvertreterkriege, die die Staatsgründung des IS überhaupt erst militärisch, ökonomisch und ideologisch ermöglichten, wäre die Voraussetzung. Krieg ist die Schlechteste aller möglichen Alternativen. Der eigentliche Feind ist der Krieg selbst.
Die Überzeugung, dass im Notfall nur Gewalt hilft, ist ein Grundmuster im menschlichen Denken. Nicht der gewaltfreie Weg ist unrealistisch, sondern die Behauptung, nur durch Krieg könnte den sog. Islamischen Staat (IS) besiegt und dieser schwierige und verflochtene Konflikt in Syrien gelöst werden. Die Kriege in Afghanistan, Irak und Libyen sollten das eigentlich belegt haben.
Schon im Krieg gegen Jugoslawien wurde keines der Nato-Ziele erreicht. Im Gegenteil, das Elend der Flüchtlinge in diesem Bürgerkrieg war auch eine Folge der Nato- Bombardierung. Die humanitäre Katastrophe, die als Kriegslüge auch für die Beteiligung Deutschlands herhalten musste, gab es bis zum Eingriff der Nato nicht (s. Doku „Es begann mit einer Lüge“ https://www.youtube.com/watch?v=MYcRjHX50og).
Aber die Entscheidungsträger von heute haben offensichtlich nichts daraus gelernt und stürzen sich ohne weitere Skrupel und ohne Bedenkzeit in das nächste Abenteuer, welches das ganze Desaster nur potenziell verschlimmern wird. Das ist mehr als einfach nur ein Ausdruck von Ratlosigkeit. Das ist fantasielos und erweckt den Eindruck, es gäbe keine Alternativen.
Selbst der kurdische Widerstand um Kobane war nur begrenzt erfolgreich, weil der IS kurz darauf zwei neue Städte eingenommen hat. Aber die Kurden haben keinen eigenen Staat und kämpfen in diesem Gebiet um ihre legitimen Rechte gegen den IS. Es sind keine Aggressoren, die völkerrechtswidrig über ein anderes Land von außen herfallen. Der IS wird durch Krieg nicht besiegt. Er kann sich aus dem Bombenterror z.B. nach Libyen zurückziehen. Der Terror wird weitergehen und sich durch Krieg vervielfältigen. Wenn Deutschland jetzt mit in den Krieg zieht, wird es auch verstärkt zum Ziel des Terrors werden. Es ist legitim, wenn die, die heute den Krieg ablehnen, morgen daran erinnern, dass die falschen Schlüsse aus dem z.T. selbst verschuldeten Terror gezogen wurden.
Russlands militärisches Eingreifen steht einer friedlichen Lösung genauso kontraproduktiv gegenüber, wie das des Westens. Aber Russland steht zumindest dafür, dass niemand „dem syrischem Volk von außen eine Regierung aufzwingt“ und damit für die Einhaltung des Völkerrechts.
Welche Alternativen zum Krieg gibt es?
Den IS und deren Terror würde es ohne den Krieg gegen den Irak gar nicht geben. So simpel wie diese Erkenntnis ist, haben sie die am Krieg Beteiligten noch nicht begriffen. Sie wollen oder können daraus keine Schlussfolgerungen ziehen. Vier Jahre lang hat der Westen versäumt, zur Entschärfung des Bürgerkriegs in Syrien beizutragen. Inzwischen hat sich der IS auch in Syrien ausgebreitet. Der IS wäre bedeutungslos, wenn er nicht von außen unterstützt werden würde. Er terrorisiert nicht mit eigenen Waffen, sondern ausschließlich mit Waffen, die entweder erbeutet oder direkt geliefert wurden. Einer der weltweit wichtigsten Waffenexporteure ist Deutschland, das Waffen wenn nicht direkt, doch zumindest indirekt liefert. Finanziert wird der IS auch von außen, z.B. über arabische Ölmonarchien und die Golfstaaten. Nicht unerheblich finanziert sich der IS auch selbst z.B. durch den Verkauf von erbeutetem Öl. Der Westen toleriert es, solange er nicht selbst verstrickt war und ist. Es wäre ein Einfaches, dem IS im wahrsten Sinne des Wortes den Ölhahn abzudrehen.
Gegen Russland war man sich einig bei der Durchsetzung von Sanktionen hat aber die direkte Konfrontation gemieden. Nicht weil die NATO so friedliebend ist, sondern weil der Westen seine militärischen Grenzen kennt, ohne selbstmörderisch zu sein. In der Ukraine hat man diese Grenzen schnell erkannt und ist auf den Verhandlungsweg eingeschwenkt. Im Kalten Krieg hat das Gleichgewicht der Kräfte die Welt 55 Jahre vor einem heißen Krieg verschont. Seit dem Zusammenbruch des Sozialismus fehlt dieses Gleichgewicht und der Westen fühlt sich ermuntert seine Interessen auch durch Krieg durchzusetzen.
Der Türkei verspricht man Milliarden €, wenn es für Europa die Grenzen gegen Kriegsflüchtlinge, z.B. aus Syrien dicht machen soll. Den wichtigsten Nachschub-Weg des IS über die Türkei lässt man dagegen offen. Der Westen unterschlägt diesen Fakt und macht sich unglaubwürdig, gegen den Terror in den Krieg ziehen zu wollen. Zynisch werden die wirklichen Interessen wieder einmal verschwiegen. Fakt ist, dass das erbeutete Öl des IS über die türkische Grenze exportiert wird, soweit es nicht selbst verbraucht wird. Erdogan will zurücktreten, wenn bewiesen wird, dass er von Terroristen Öl gekauft hat. Hauptsache er hält sein Versprechen, auch wenn er nicht persönlich das Geschäft abgewickelt hat. Wer muss dann noch aus Koalition der Kriegswilligen zurücktreten?
Gegen den IS erfolgreich zu sein, heißt auch, gegen dessen ideologischen Grundlagen vorzugehen. Schon deswegen, um den Nachschub an Terroristen einzudämmen, die beim IS einer Gehirnwäsche unterzogen werden. Rechtsgerichtete Kampagnen im Abendland des Westens gegen den Islam sind nicht nur kontraproduktiv, sondern geistig minderbemittelt. Der IS ist kein Kalifat im Sinne des Islam. Die allerwenigsten Muslime sind auch Islamisten oder gar Dschihadisten. Nachschub an Terroristen erhält der IS auch aus dem Westen, wo Menschen nicht nur mit Migrationshintergrund infolge einer unsozialen Politik ausgegrenzt werden und ohne Perspektive leben.
Wer soll die Alternativen zum Krieg organisieren?
Eigentlich wäre es Aufgabe der Völkergemeinschaft sich für eine friedliche Lösung der Konflikte einzusetzen. Wenn eine Streitmacht notwendig wäre, die deeskalierend wirkt, dann nur unter der Schirmherrschaft der UNO. Aber es gibt keine Völkergemeinschaft, nur Länder mit verschiedenen Interessen, die in der UNO zu keiner gemeinsamen Lösung kommen. Fakt ist, dass weder Deutschland, noch die EU, schon gar nicht die NATO, wie der Westen insgesamt, im Sinne der Verständigung wirkt, oder mit gutem Beispiel vorangeht. Es gibt zu wenige Ausnahmen, z.B. im Bürgerkriegsgebiet wie den Philippinen war man sich einig.
Wenn Länder militärisch in Syrien eingreifen, direkt oder indirekt durch Unterstützung, dann dient es nicht der Lösung des Konfliktes, der z.B. in Syrien 4 Jahre anhält. Im Gegenteil. Es besteht u.a. die Gefahr, dass sich Länder in die Quere kommen, die einen Stellvertreterkrieg auf dem Kriegsfeld Syrien führen, nur um ihre eigenen Interesse zu verfolgen. Ein Flugzeugabschuss reicht, einen dritten Weltkrieg auszulösen. Das wäre z.B. der Fall gewesen, wenn die Türkei als NATO-Land und einer der wichtigen Akteure in diesem Konflikt um NATO-Beistand gebeten hätte, weil Russland angeblich deren Grenze verletzt hat. Um ein paar strittige Meter wäre es passiert. Wie viel solcher heiklen Situationen soll die Welt noch überstehen?
Syrien hat Russland um Unterstützung gebeten. Iran hält den Kriegseinsatz der USA, Großbritanniens, Frankreichs und nun auch Deutschlands, für nicht legitim, sondern für eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens. Die USA und die westlichen Länder werfen Russland vor, nicht den IS, sondern die Freie Syrische Armee zu bombardieren und Assad zu unterstützen. Syrien, Iran und Russland werfen den westlichen Ländern vor die reguläre Syrische Armee und nicht den IS zu bombardieren. Zugleich schlagen sie vor, Assad in die Konfliktlösung mit einzubeziehen. Assad schlägt schon seit Jahren vor, freie Wahlen abzuhalten und das syrische Volk über seinen weiteren Weg abstimmen zu lassen. Genau das wird durch die jahrelange äußere Einmischung durch einen Stellvertreterkrieg verhindert. Russland, selbst ein vom Terror betroffenes Land, hält den Einsatz der westlichen Länder gegen den IS für richtig und wichtig, spricht sich aber für ein koordiniertes Vorgehen der Vereinten Nationen im Kampf gegen den Terror aus.
-Peter Scholl-Latour, aus seinem vorletzten Buch „Fluch der bösen Tat“.
-Interview Christine Schweitzer, Bund für Soziale Verteidigung, Hamburger Friedensarbeiterin.
-Tageszeitung „neues deutschland“.
Auf der Flucht
Die Überschrift suggeriert ein Krimi. Es geht aber um ein Drama, ein Flüchtlingsdrama. Aus aktuellem Anlass war im Fernsehen der britische Film „Der Marsch“ von 1990 zu sehen (unangekündigt, zur Unzeit und auf den hintersten Sendeplatz). Vor 25 Jahren ein Film mit einer Vision: Der lange Marsch Tausender Afrikaner gen Norden, die vor Hungersnot in das reiche Europa flüchten. Sie waren der Meinung, dass sie arm sind, weil Europa reich ist. tatsächlich ist Afrikas Rolle innerhalb der Weltwirtschaftsordnung als reiner Rohstofflieferant festgeschrieben. Es hat damit seit der Kolonialisierung keine Chance, sich aus der Unterentwicklung zu befreien. Der Marsch nach Norden erreicht im Film zwar sein Ziel, aber Europa machte die Schotten mit militärischer Gewalt dicht gegen Flüchtlinge.
Von allen Fluchtursachen wie Krieg, Vertreibung, Verfolgung und Klimawandel thematisiert der Film „nur“ die der Armut. Zusammenhänge zwischen globalen Kapitalismus und Weltwirtschaftsordnung, die den Süden extrem benachteiligen, sowie zwischen Neoliberalismus und Anhäufung des Reichtums einerseits und der Abwicklung der Sozialsysteme andererseits, bleiben unterbelichtet. Allein die letzte, seit 2008 noch anhaltende Weltwirtschaftskrise hat weltweit 50 Mio Arbeitsplätze vernichtet. Was der Film auch nicht vorausgesehen konnte, ist, dass das aktuelle Flüchtlingsdrama vor allem durch Krieg verursacht ist. Frieden wäre die Lösung aber schwer machbar, weil Frieden weit mehr als nur die Abwesenheit von Krieg ist.
Der „Krieg gegen den Terror“, den die USA nach dem 11. September 2001 entfacht haben, stürzte ganze Regionen ins Chaos. Die Folge: die Fluchtbewegungen, die derzeit Europa erreichen. Das Ziel, Terrorismus zu bekämpfen, wurde nicht nur verfehlt, sondern konterkariert. Die Militärintervention brachte den Terrorismus erst in den Irak und dann nach Syrien. Der „Islamische Staat“ ist eine der Fehlgeburten. Der „Krieg gegen den Terror“ hat bereits Millionen Menschen das Leben gekostet. Der Zusammenhang von Kriegsstrategie des Westens und der anschwellenden Massenflucht aus den betroffenen Ländern wird im Westen weitgehend ausgeblendet. Laut UNHCR gab es Ende 2014 38,2 Millionen Binnenvertriebene, 19,5 Millionen Flüchtlinge und 1,8 Millionen Asylsuchende. Weltweit sind etwa 60 Millionenen Menschen auf der Flucht, so viel wie noch nie seit dem 2. Weltkrieg. Dagegen war der Kalte Krieg noch friedlich. Es wird Zeit, dass politisch Verantwortliche darüber, wie auch über die eigentlichen Ursachen der Flüchtlingskatastrophe nachdenken.
Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, alles Länder die vom Westen bombardiert wurden, direkt oder über Waffenlieferungen. Rund die Hälfte der syrischen Bevölkerung ist auf der Flucht, über vier Millionen Menschen mussten ins Ausland flüchten, wo sie schon seit Jahren in sog. Flüchtlingscamps unter katastrophalen Bedingungen „leben“. Etwa 70 % der Flüchtlinge sollen vor dem Assad Regime geflüchtet sein, 30% vor dem IS-Terror. Die Auffanglager für syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern Türkei, Jordanien und dem Libanon sind überfüllt, die sanitären Verhältnisse katastrophal. Im 5. Jahr des Stellvertreterkrieges in Syrien haben die Menschen die Hoffnung verloren, dass sie wieder zurück in ihr Land und in ihre Heimat können. Unter den größten Aufnahmeländern von Flüchtlingen befindet sich keines aus Europa. Allein das kleine Land Jordanien hat 630.000 syrische Kriegs-Flüchtlinge aufgenommen. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl müsste die Europäische Union danach 100 Millionen Flüchtlinge aufnehmen. Aber Europa streitet sich über Aufteilung oder Abschiebung von ein paar Zehntausend. Die 120.000 Flüchtlinge, die in Europa aufgeteilt werden sollen, entsprechen 0,02% der gesamten europäischen Bevölkerung. Ob das reiche Europa das schafft ist noch fraglich. Auf der einen Seite „Willkommenskultur„ auf der anderen Seite Stacheldraht und Wasserwerfer. Vor allem Pegida und Konsorten sollten die Kirche im Dorf lassen und gelegentlich mal über die Ursachen der Flüchtlingskrise nachdenken. Stattdessen üben sie Schulterschluss mit den Konservativen und Rechten in der Politik, und umgekehrt. Die Gefahr, dass die fremdenfeindliche Stimmung in der Bevölkerung kippt und selbst zur Gefahr wird, ist groß.
Dass Russland jetzt auch noch in den Krieg direkt eingreift macht die Situation nicht besser. Aber es erhöht die Chance auf eine friedliche Lösung, da Russland mit Syrien daran interessiert ist, was man von den anderen seit 4 Jahren am Stellvertreterkrieg Beteiligten nicht sagen kann. Denen ging es von Anfang an nur um die Beseitigung Assad`s um jeden Preis. Dabei schießt die sog. „Freie syrische Armee“ (Vertreter der Opposition, die es nicht mehr gibt), ebenfalls gegen das eigene Volk. Deshalb hat der Westen nicht das moralische Recht, sich über das Eingreifen Russlands zu echauffieren. Im Unterschied zum Westen hat Russland zudem eine völkerrechtliche Legitimation, weil es von Syrien aufgefordert wurde zu helfen. Die Bombenangriffe der USA und Frankreichs sind dagegen nicht von der UNO sanktioniert. Die USA gibt vor, den Islamischen Terroristenstaat (IS) bekämpfen zu wollen, bekämpft aber gleichzeitig Assad. Jetzt stehen sich USA und Russland direkt als Kriegsgegner gegenüber, Russland auf der Seite der syrischen Regierung, die USA auf der Seite der Regierungsgegner. Russland betont, dass eine Beilegung der Syrien-Krise nur durch politische Reformen und einen innersyrischen Dialog aller »gesunden Kräfte« des Landes möglich sei, wozu Assad schon lange bereit ist. Ohne Assad ist eine friedliche Lösung nicht in Sicht. Ein sofortiger Rücktritt Assads würde die Situation nur verschlimmern. Assad trägt zwar eine hohe Schuld, weil er die Proteste im Land während des arabischen Frühlings brutal niedergeschlagen hat. Aber er wird immer noch von einem großen Teil der Bevölkerung unterstützt, sonst wäre er nicht mehr an der Macht. Ihn zu ignorieren oder mit Krieg zu stürzen ist keine Lösung. Diese Politik des Westens und vor allem der USA ist kläglich gescheitert, wie Afghanistan, Irak, Libyen und bisher auch Syrien gezeigt haben. Assad allein verantwortlich zu machen für die Misere in Syrien geht weit an der Wirklichkeit vorbei. Schon lange ist es zu einem Stellvertreterkrieg geworden, in dem die syrische „Opposition“ (wie z.B. die Nusra-Front, den Al-Qaida-Ableger in Syrien) von Monarchien arabischer Ölscheichs, der Türkei und nicht zuletzt vom Westens unterstützt wird. Auf der anderen Seite wird Syrien von Iran und Russland unterstützt.
Nicht zuletzt wird Assad vom sog. islamischen Staat (IS) bekämpft. Ursache für deren Stärke war der von den USA, wieder auf der Grundlage einer Lüge, angezettelte Krieg gegen Irak. Massenvernichtungswaffen wurden dort nie gefunden, aber Saddam Hussein war beseitigt. Operation gelungen, Patient tot. An seine Stelle setzte der Aggressor USA einen schiitischen Statthalter, der seinen Hass gegen die Sunniten Saddam Husseins auslebte, und damit einen Bürgerkrieg provozierte. Der Bürgerkrieg wird uns jetzt als ethnische Auseinandersetzung verkauft, obwohl es im Hintergrund der Strippenzieher doch nur ums schnöde Geld geht, hier um das der Öl- Oligarchen. In das von den USA hinterlassene Chaos und Machtvakuum im Irak stieß der IS, welcher sich neben den Sunniten vor allem aus der Al-Qaida rekrutierte. Die wiederum haben sich schon im afghanischen Chaos organisiert, das die USA hinterlassenen haben.
Auch die eigentlichen Kriegsgründe in Syrien werden in den westlichen Mainstream-Medien ständig unterschlagen. Ohne zu wissen, was im Hintergrund zum Thema Erdgas läuft, kann man den Konflikt nicht verstehen, ist z.B. im „US-Armed Forces Journal“ zu lesen. Dem Rest der Welt dagegen wird nahe gelegt, dass es sich bei dem Konflikt in Syrien um einen Bürgerkrieg handelt, in dem das alawitische (schiitische) Bashar al Assad-Regime sich gegen sunnitische Rebellengruppen verteidigt, wobei beide Seiten auch Gräueltaten begehen. Das stimmt, verschweigt aber die wirkliche Erklärung. Es geht wieder nur ums schnöde Geld, welches hier mit Erdgas verdient werden kann. 2009 hat Katar vorgeschlagen, eine Erdgaspipeline durch Syrien und die Türkei nach Europa zu bauen. Stattdessen hat Assad mit Iran und Irak einen Vertrag unterzeichnet, so dass den von Schiiten dominierten Ländern der Zugang zum europäischen Erdgasmarkt ermöglicht würde, während er Saudi-Arabien und Katar abblitzen ließ. Seitdem steht Assad auf der Abschussliste. Die von den USA unterstützten Golfstaaten wollen Syrien kontrollieren und ihre eigene Pipeline durch die Türkei nach Europa führen. Damit würde man auch Russland empfindlich treffen, welches Europa mit Erdgas versorgt. Entscheidend ist nicht, wessen Erdgas- Oligarchie nun das Rennen macht, die der Saudis, der Amis oder die der Russen. Entscheidend für den Rest der Welt ist, dass Konflikte friedlich gelöst werden und nicht die Hardliner und Scharfmacher ihre Interessen auf dem Rücken der Bevölkerung durch Krieg austragen. Geradezu widerlich wird es, wenn dem Rest der Welt die Sorge des Westens um Syrien über die Mainstream-Medien als humanitäre und demokratische Sorge verkauft wird, während die eigentlichen Fakten verschwiegen werden.
Das Gleiche in Libyen, Afrikas ölreichstem Land. Der IS hat im Machtvakuum, das der Westen mit der libyschen Opposition im Krieg gegen Gaddafi geschaffen hat, Fuß gefasst. Nicht anders, als in Syrien. Der libysche Bürgerkrieg geht weiter und produziert Flüchtlinge, die sich von der 2000 km langen libyschen Küste aus auf den Weg übers Mittelmeer machen.
Die Sanktionen gegen Russland in der Ukraine-Krise waren übrigens auch eine Retourkutsche des Westens für Syrien, vor allem der USA-Regierung. Putin und sein Außenminister Lawrow haben 2013 den US-Neokonservativen ihren direkten Krieg gegen Syrien vereitelt. Zur Vorbereitung des Krieges wurde behauptet, Präsident Baschar al-Assad hätte die Giftgasangriffe befohlen. Damit wollte man Assad die Schuld in die Schuhe schieben und Obama in den Krieg drängen. Russland hat das verhindert, indem es den Vorschlag machte, die chemischen Waffen zu vernichten. Damit wurde auch die USA entwaffnet, ihr Kriegsgrund ging verloren. Wie in der Ukraine Krise drohte und droht auch in Syrien ein 3. Weltkrieg. Die Scharfmacher sitzen aber nicht nur in Russland, wie uns weiß gemacht werden soll, sondern auch im Westen und vor allem in den USA.
Der Hauptakteur USA schaut derweil aus der Ferne zu, wie sich das von ihnen zu verantwortende Flüchtlingsdrama entwickelt. Die USA-Regierung ist auch nicht bereit, Flüchtlinge aufzunehmen. Und ausgerechnet die Osteuropäischen Staaten, welche vorgeben selbst einmal Flüchtlinge vor dem Kommunismus gewesen zu sein, sind heute die größten Ausländerfeinde, die das Menschenrecht auf Asyl verwehren und sich gegen Flüchtlinge abschotten. Einige westeuropäische Staaten, wie auch Deutschland, machten am Anfang den Eindruck, als würden sie die Flüchtlinge willkommen heißen. In Wirklichkeit haben sie sich nur völlig unvorbereitet von einer Flüchtlingswelle überrollen lassen und sind dabei die massenhafte Abschiebung vorzubereiten und ein Bollwerk gegen Flüchtlinge aufzubauen. Konservative sind nicht in der Lage Einwanderung als Chance zu begreifen, die andere Nationen in ihrer Entwicklung weiter gebracht haben.
Kürzlich geisterte ein Bild über ein Flüchtlingslager durchs Internet, welches von Flüchtlingen völlig verwüstet hinterlassen wurde. Bis sich herausstellte, dass es noch ein altes Foto war, welches in Ungarn aufgenommen wurde, nachdem DDR-Flüchtlinge von BRD Außenminister Genscher grünes Licht bekamen, ausreisen zu dürfen. Wie sich die Zeiten ändern und doch gleichen. Damals hat Ungarn kein Zaun gegen Flüchtlinge gebaut, sondern geöffnet. Vom Westen wurde den „politischen Flüchtlingen vor dem Kommunismus“ noch der rote Teppich ausgerollt. Dagegen waren damals etwa 85% der DDR-Flüchtlinge nach heutigem Sprachgebrauch auch nur „Wirtschaftsflüchtlinge“, aus „gesicherten Drittländern“, die nicht mehr als die D-Mark wollten.
Fluchtursachen sind neben Krieg vor allem Hunger, Elend und Rassismus, wie auch Gewalt und Perspektivlosigkeit. Auch Deutschland geht dagegen zu wenig vor. Im Gegenteil, Deutschland trägt als drittgrößter Waffenexporteur der Welt Verantwortung und Schuld an dieser Situation. Der Umgang mit Griechenland ist ein aktuelles Beispiel des egozentrisch auf deutsche Interessen orientierten Vorgehens in Europa und weltweit. Deutsche Interessen sind in erster Linie Interessen der deutschen Wirtschaft. Bis heute ist es Deutschland nicht gelungen, die internationale Verpflichtung zu erfüllen, 0,7 % des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe aufzubringen.
Krieg gegen den „Islamischen Staat“
Obama erklärt den IS-Terrormilizen den Krieg. Die USA hat den Luft- Krieg im Irak begonnen und dehnt diesen auf Syrien aus, da der IS (Islamischer Staat) nicht nur im Irak sondern auch aus Syrien heraus agiert. Die USA hat den Krieg 2003 gegen den Irak völkerrechtswidrig begonnen. Unter Obama wurden die Bodentruppen erst kürzlich abgezogen.
Der IS will eine „barbarische Herrschaft aus dem 7. Jahrhundert“ errichten und verfolgt alle, die aus der Sicht der IS der falschen Religion folgen. Dabei schrecken sie auch nicht vor Mord zurück. Der massenhafte Mord an Andersgläubige muss verhindert werden. Darin ist sich die friedliebende Welt einig. So weit so gut. Aber besteht die Einzige Alternative wieder mal nur darin Krieg zu führen ohne an die Ursachen der Misere zu erinnern?
So notwendig die „Verteidigung der Zivilisation gegen die Barbarei“ ist, so angemessen wäre es, zu fragen, was der religiöse Irrsinn mit den globalen ökonomischen Verhältnissen zu tun hat. Der gegenwärtige, religiöse Irrsinn ist mit der westlichen Zivilisation ebenso verflochten, wie es der Faschismus war, der trotz Aufklärung des Abendlandes in die bürokratisch verwaltete Vernichtungsindustrie von Auschwitz führte.
Bilder von Trümmern der durch Tomahawk-Raketen zerstörten Gebäude vor Aleppo zeigen jedenfalls keine toten Terroristen. In dem aus der Luft geführten Krieg werden nach 3 Jahren Stellvertreterkrieg auch weiterhin Zivilisten getötet, als „Kollateralschaden“ sozusagen. Weiterhin werden gezielt syrische Industrieanlagen zerstört, um die Geldquellen der Dschihadisten abzuschneiden. US-Geheimdienstquellen sprechen von 2 bis 3 Millionen Dollar pro Tag an Erlösen aus dem Ölverkauf ins Ausland.
Diese nicht verifizierbaren Quellen verraten natürlich nicht, über welche Grenzen in welches Ausland. Also spielen die Nato Partner, wie Türkei und USA, ein falsches Spiel, denn sonst wäre es einfach die Geldquellen auch ohne Bomben mittels Embargo abzuschneiden. Stattdessen zerstören sie die verbliebene Infrastruktur eines ohnehin durch Stellvertreterkrieg auch mit Beteiligung des Westens fast völlig zerstörten Landes. Wenn alles zerstört ist werden sie abziehen und nur ein Trümmerfeld hinterlassen. Den Menschen in Syrien könnte es dann egal sein, durch wen ihr Land zerstört wurde. In ihrem Leid und ihrer Trauer werden sie nicht fragen, ob ihre Familienmitglieder durch bestialische Dschihadisten oder westliche Bomben getötet wurden.
Vor der UNO stellt die USA überraschend die Khorosan-Gruppe, ein Ableger der Al-Nusra-Front in Syrien, die zu Al Qaida gehört, als die derzeit größte Bedrohung Amerikas dar, wie einst Al Qaida. Mit dem plötzlichen Auftauchen einer bisher völlig unbekannten Terrorgruppe konstruiert die USA das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta als völkerrechtliche Grundlage für die Luftangriffe. Angeblich versucht Khorosan im Unterschied zum IS seinen Herrschaftsbereich nicht „nur“ territorial auszuweiten. Artikel 51 setzt aber einen direkten Angriff voraus. Da es den nicht gab, bleiben die Luftangriffe völkerrechtswidrig. Um nicht zu vergessen: der Kampf gegen Al Qaida wurde mit nine eleven (9.11.2001) zu den Hauptzielen der USA erklärt.
Für den Friedensnobelpreisträger Obama bleibt das Ziel in Syrien militärisch einzugreifen eine offene Rechnung. Als Assad nach russischer Vermittlung anbot, die Chemiewaffen abzurüsten, war dem Westen wohl die Begründung zur direkten Invasion abhandengekommen. So wie nie zweifelsfrei aufgeklärt wurde, wer Giftgas in Syrien angewendet hat, wurde auch bis heute nicht aufgeklärt, wer das zivile Flugzeug über der Ukraine abgeschossen hat. Trotzdem war für den Westen die Schuldfrage keine Frage, sondern Teil der psychologischen Kriegsführung. Dabei übernimmt diesmal der Westen selbst die Rolle des Verschwörungstheoretikers. Das von Assad kontrollierte Syrien ist in erster Linie Feind, gegen den IS zugleich aber auch „Verbündeter“. Da Assads Staat nach westlicher Logik aber keinerlei Anspruch auf Legitimität eingeräumt werden darf, kooperiert die USA nicht mit Syrien, zumindest nicht offiziell. Die Zurückhaltung der USA gegenüber einem direkten Angriff gegen Assad ergibt sich aus der Befürchtung, dass nach dem Sturz Assads in Syrien die Herrschaft eines radikal sunnitischen Islam folgt, wie dem IS.
Die USA sind zynisch und unglaubwürdig, solange sie Verbündete des IS zu ihren Verbündeten zählen. Über Ankara wurde der IS mit Waffen beliefert, bezahlt wurden sie von Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Emirate. Das Feindbild der sunnitischen Monarchien richtet sich gegen schiitische bzw. säkulare Regierungsformen, wie die von Assad, oder wie in den syrischen Gebieten der kurdische Selbstverwaltung. Das ließ sie zu IS-Sponsoren werden. Wenn sich diese Monarchien am Luftkrieg der USA beteiligen und sich auch noch als Speerspitze gegen das „Kalifat“ darstellen, so ist das mehr als unglaubwürdig.
Die Türkei ist Teil des Problems. Der Iran lehnt eine kurdische Eigenstaatlichkeit ebenso ab, wie ein Angriff gegen Assad.
Deutschland will rechte Kurden-Milizen mit Waffen versorgen, hält sich aber ansonsten außenpolitisch aus dem Konflikt um Kobane heraus. Dass der IS die Menschenrechte mit Füßen tritt, ist für Deutschland kein Grund sich einzumischen. Deutsche Islamisten wurden von deutschen und türkischen Behörden nicht daran gehindert, nach Syrien zu gelangen, um sich dort dem IS anzuschließen. Die deutschen Behörden führen nach eigenen Angaben etwa 6.000 aktive militante Glaubenskämpfer in ihren Unterlagen. Solange die IS-Milizen „nur“ gegen Assad gekämpft haben, wurden sie vom Westen unterstützt. Erst als die als Islamisten verkleideten IS-Milizen außer Kontrolle gerieten, wurden sie im Westen als Gefahr erkannt und sollen in Deutschland verboten werden.
Im Zusammenhang mit dem IS kommt man nicht umhin daran zu erinnern, dass das Problem erst entstand, nachdem der Westen alle gegen Assad gerichteten Parteien direkt unterstützt hat. In Syrien wurde ein Stellvertreterkrieg geführt, in dem alle unterstützt und ausgerüstet wurden, die gegen den Staat Syrien Krieg führten. Dazu zählten auch Islamisten aller Schattierungen und aus vielen Ländern, die bereits Kampferfahrungen in Afghanistan und Irak gesammelt haben und gegen die die USA völkerrechtswidrig Krieg geführt hat. Nur zur Erinnerung: Auch Osama Bin Laden war einst „Verbündeter“ der USA im Afghanistan-Krieg. Der IS hat Syrien nicht nur als sicheren Rückzugsraum genutzt, wie es die USA jetzt versuchen darzustellen, sondern die Milizen des IS sind in Syrien erst durch die Unterstützung des Westens groß geworden.
Man bekommt den Eindruck, dass die USA überhaupt nicht überblicken, was sie mit „ihren“ Kriegen bewirken. Kann man ihnen zubilligen, dass sie jede Büchse der Pandora öffnen, nur weil sie die Technik des Öffnens beherrschen? Sie zerstören zur Durchsetzung der Interessen ihrer Eliten vorhandene Strukturen in anderen Ländern und beherrschen in keinster Weise die Folgen ihres Tuns. Das ist nicht nur verantwortungslos, sondern im höchsten Maße auch gefährlich. Entsprechend ihrer nach dem 11.September 2001 angepassten Außenpolitik (weil sich der Gegner aus dem Kalten Krieg aufgelöst hat, oder besiegt wurde) stürzt sie mit ihren westlichen Verbündeten nicht nur Irak, sondern auch Afghanistan und Libyen ins Chaos. Frei nach dem Motto: Teile und herrsche. Dabei werden unbequeme „Schurken“ ausgeschaltet, Märkte neu verteilt und geostrategische Punkte besetzt. Die Rüstungsindustrie verdient daran.
Oder ist die Politik der USA doch eher kalte, über Leichen gehende Taktik? Einerseits beanspruchen sie nach dem Ende des Kalten Krieges die alleinige Weltmacht und gebaren sich auch als solche. Andererseits steht die USA neben den aufkommenden neuen Weltmächten China und Russland unter enormen Druck, die dem amerikanischen Unilateralismus im Wege stehen. Unilaterismus heißt uneingeschränkte, alleinige Weltmacht. D.h. die USA halten eine Legitimierung ihres Handelns durch den Sicherheitsrat mehr nicht für nötig. Da dieser kein Mandat für eine militärische Intervention zur Bekämpfung des Terrorismus gegeben hat, und Syrien im Gegensatz zu Irak um keine militärische Unterstützung gebeten hat, ist auch dieser Krieg (Luftangriff) völkerrechtswidrig. Genauso verfährt die USA auch in Pakistan, das sich gegen ungebetenen „Beistand“ durch Drohnenangriffe nicht wehren kann.
Putin gehört wohl jetzt zu den „Schurken“, wie einst Libyens Gaddafi und Iraks Hussein, oder wie immer noch Syriens Assad. Gestern Verbündete, heute Feinde. Hier der „einzig friedliebende“ Westen, dort „Terroristen“. Der Unterscheid zu den anderen „Schurken“ ist nur, dass ein Krieg gegen Russland ein 3. Weltkrieg bedeuten würde, den der Westens bei seinem eigenen Untergang nicht riskieren kann. Ungeachtet dessen bringt sich die Nato weiter in Richtung Osten in Stellung. Wenn sie offen sagen würden, sie brauchen Krieg zur Durchsetzung ihrer Interessen, wäre das nicht minder bitter aber verständlich. Stattdessen lügen sie, dass sich die Balken biegen. Sie brauchen für ihre Politik die Zustimmung des Volkes, oder besser des Wählers. Bei der Vorbereitung und Begründung ihrer Kriege folgen die USA immer dem gleichen Muster.
Interessant in diesem Zusammenhang, dass 7 ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter in einem offenen Brief an Merkel auf mögliche Fehlinformationen der Amerikaner über den Ukraine-Konflikt warnen. „Die Vorwürfe einer großen russischen Invasion in der Ukraine scheinen nicht von vertrauenswürdigen Geheimdienstinformationen gestützt zu werden“. Sie vergleichen die Vorwürfe des Westens gegen Russland mit der Argumentation der USA vor dem Irak-Krieg 2003. Alle „Argumente“ waren erfunden und konstruiert, wie sich hinterher herausstellte.
Dass fast alle westlichen Medien (Mainstream) im Krieg gleichgeschaltet werden und nur der psychologischen Kriegsführung dienen, zeigt auch „Die Anstalt“ aus ihrer satirischen Sicht (ZDF 23.09.14 http://www.youtube.com/watch?v=LSDitudiGR4&feature=youtu.be ). Leider wird im Mainstream das sehr ernste Thema (Ausschalten wichtiger Fakten wie z.B. im Ukraine Konflikt) ausschließlich nur aus der satirischen Sicht behandelt. Wie im privaten Leben gibt es auch in der Politik immer zwei Darstellungen ein und desselben Konfliktes. In der Ehe heißt das Rosenkrieg. Wenn aber in der Politik wesentliche Fakten einfach ausgeblendet werden, ist das psychologische Kriegsführung in einer gleichgeschalteten Gesellschaft. In der DDR konnte man noch zwischen „Ost- und Westsender“ wählen. Heute gibt es (Fortschritt sei Dank) das Internet. Die Masse aber „hängt am Tropf“ (im Sinne von Herrschaftswissen, das der Masse vorenthalten wird, oder das sich dieser nicht erschließt, weil sie unwissend nur dem folgt, der wider besseren Wissen halbe „Wahrheiten“ verbreitet).
Die öffentlich rechtlichen Fernsehsender wehren sich gegen Vorwürfe nicht nur aus den eigenen Reihen, dass sie einseitig und parteilich von Krisen berichten, wie im Ukrainekrieg. Wenn sie ihre „ neutrale Berichterstattung“ rechtfertigen, zeigt das nur, dass sie nervös werden und verwundert sind, dass es auch eine andere öffentliche Meinung gibt. Nichts fürchten sie mehr als Ausschaltquoten. Das lässt hoffen.
Kriegstreiber oder Schwerter zu Pflugscharen
Deutschland ist jetzt Dritter beim Rüstungsexport und Siebenter bei den Rüstungsausgaben. Die Ausgaben für die Bundeswehr sollen entsprechend der NATO-Zielmarge auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden. Frei nach dem alten amerikanischen Motto: Totrüsten ohne Tote. Die NATO-Zielmarge erfüllen außer den USA bisher nur Großbritannien, Griechenland (!) und Estland. Da die Bundeswehr in die NATO integriert ist, gibt es 2 Möglichkeiten die Milliarden zu verpulvern: Entweder für die alte NATO (früher gegen den Warschauer Pakt, heute gegen Russland), oder für die neue NATO (schnell verlegbare Truppen für Interventionen in Afrika und Asien).
Für eine neue NATO müsste das Grundgesetz um die Aufgabe der Auslandseinsätze ergänzt werden. Laut der vom Deutschen Bundeswehrverband (DBwV) vorgelegten „Tiefenagenda 2020“ können durch eine Grundgesetzänderung „die Bürger sicherheitspolitisch leichter mitgenommen werden“. Bei einer Orientierung der NATO hin zu Auslandseinsätze wäre aber die russische Gefahr nicht so groß, wie sie gerade an die Wand gemalt wird. Egal, das deutsche Volk wird es wohl wieder mal schlucken ohne zu mucken. Für die demokratisch gewählte Koalition wäre eine Grundgesetzänderung kein Problem, während die Kriegsministerin die friedliebende Bevölkerung weiter mit Losungen wie „Kinderkrippen in den Kasernen“ ablenkt. Indes lagern auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel auch nach der Wende, die keine friedlichere Welt brachte, immer noch US-Atomwaffen. Diese sollen modernisiert statt vernichtet werden. Deutschland ist daran im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ beteiligt, wie auch Belgien, Niederlande, Italien und Türkei.
Um gegenüber dem deutschen Volk die Mehrausgaben für das Militär zu begründen, kommt auch der deutschen Regierung die Ukraine-Krise wie gerufen. In der Kriegsberichterstattung der gleichgeschalteten Medien wimmelt es deshalb auch nur so von Falschinformationen. Nach dem Motto: „haltet den Dieb“ zeigt der Westen dabei auf Russland, um von den eigenen kriegstreibenden Aktionen abzulenken.
Die Bundeswehr ist derzeit in 13 Ländern bzw. Regionen an internationalen „Einsätzen“ mit rund 5000 deutschen Soldaten beteiligt. Zumindest einer dieser Einsätze wurde von einem geschassten Kriegsminister auch als Krieg bezeichnet. Aber geschasst wurde er natürlich nicht dafür. Dem Bundespräsident sind diese „Einsätze“ zu wenig um „unsere“ Interessen zu schützen. Die Medien loben ihn dafür. Wer ihn dafür kritisiert kann wegen Majestätsbeleidigung nach Gummiparagrafen zu 5 Jahren Gefängnis bestraft werden. In seinem Edelmut verzichtet Majestät auf eine Anklage, weil er sich auf keine Diskussion einlassen will, ob an der Beleidigung des Bundespräsidenten als „widerlichen Kriegstreiber“ nun Subjektiv oder Adjektiv zu bestrafen wäre.
Der DDR-Bürgerrechtler Schorlemmer hat Bundespräsident Gauck wegen dessen Plädoyer für Auslandseinsätze der Bundeswehr zum Schweigen aufgefordert. In einem Protestschreiben werfen ostdeutsche Pfarrer dem Bundespräsidenten vor, sich von den Idealen der christlichen DDR-Friedensbewegung abzuwenden. Zudem beklagen sie die von Gauck geforderte Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik. Enttäuschend die Haltung der meisten ehemaligen Bürgerrechtler, zu denen sich auch Pfarrer Gauck zählt. Vergessen die Zeit, als sie noch die Losung „Schwerter zu Pflugscharen“ hochhielten. „Kein Volk wird wider das andere das Schwert erheben“ (Bibelspruch Micha 4,3). Das abgebildete Denkmal wurde von der Sowjetunion gestiftet und steht vor dem Hauptgebäude der UNO in New York und wurde Symbol der DDR-Friedensbewegung.
Dass ehemaligen Bürgerrechtler nur die Schwerter des Warschauer Vertrages meinten, zeigte sich nach der Wende, als sie die Pflugscharen aus ihrer Losung strichen, nicht aber die Schwerter, die heute ihren Interessen dienen, d.h. westlichen Interessen. Nur darum geht es. Ihre Kriege sind jetzt „gerechte“ Kriege, ihre Waffen sind jetzt die „besseren“ Waffen. Ihre Freiheit ist eine Freiheit ohne Frieden; eine ziemlich zweischneidige Weltanschauung.
Die Losung der DDR-Friedensbewegung hat an Aktualität nicht verloren. Zu sehen war sie auch vor dem Brandenburger Tor zur Montagsdemo, bei der auch Linke präsent waren. Hier Dieter Dehm als Liedermacher mit seinem Song Bella Ciao. Friedensbewegungen welcher Art auch immer und so kontrovers man sie auch bewertet, sollten nicht Kriegstreibern und Rechten überlassen werden.
Der letzte Präsident, den man noch nach Belieben beleidigen konnte, trat 9 Tage später zurück, nachdem er die Interessen, für die er militärische Einsätze für gerechtfertigt hält, beim Namen nannte: „zum Schutz der Außenhandels-Orientierung und – Abhängigkeit sowie z.B. freier Handelswege, und z.B. zur Verhinderung regionaler Instabilitäten“. Aber natürlich nicht deshalb trat er zurück. Dagegen klingen des Feldpredigers Worte über Menschenrechts-Girlanden recht blumig. „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder genannt werden“, heißt es im Matthäus-Evangelium. Zu ihnen gehört Gauck, der zum Präsidenten erhobene Pfarrer offensichtlich nicht.
Der Westen (USA, Europa, NATO) begründet die meisten der „Einsätze“ mit dem Schutz vor Terrorismus, der Stabilisierung fragiler Regime und humanitärer Hilfe.
2013 war mit 20 als Krieg eingestuften Konflikten das kriegerischste Jahr seit 1945. Außer den Kriegen in Afghanistan und Syrien zählen dazu auch die Konflikte im Irak, in Mali sowie in der Zentralafrikanischen Republik. In den meisten Konflikten hatte der Westen (USA, NATO, Westeuropa) indirekt und/oder direkt die Finger im Spiel, oder richtiger am Abzug. Infolgedessen waren 2013 51,2 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Und das obwohl sich der Warschauer Vertrag in Luft aufgelöst hat.
Nach der Implosion des Warschauer Vertrages war die USA die einzig verbleibende Supermacht, die eine unipolare Weltordnung schaffen will. Dem liegt die Illusion zugrunde, dass sich alles nur durch Gewalt lösen lässt. Russland hofft dagegen, akute Probleme mit politischen und diplomatischen Mitteln zu regeln. Die militärtechnische Überlegenheit der USA muss außer von den Verbündeten als Bedrohung aufgefasst werden.
Aufrüstung – Wer bedroht hier wen?
2013 wurden nach dem Bericht des Stockholmer SIPRI- Instituts weltweit 1.747 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben. Für Entwicklungshilfe gaben die Industrienationen dagegen „nur“ rd. 135 Milliarden Dollar aus. Um die drängendsten Probleme dieser Welt zu lösen, müsste das Verhältnis umgekehrt sein. Die Verhinderung der Klimakatastrophe „kostet nicht die Welt“, die Rüstungsausgaben tun es. Die aus dem Klimawandel resultierenden Gefahren sind nicht geringer, als die, die aus den Rüstungsausgaben erwachsen, eher umgekehrt. Der Anteil der Rüstungsinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt beträgt z.B. in den USA „nur“ 3,8%. Der Mainstream an Nachrichten im Westen stellt dieses „nur“ in den Vordergrund und damit die Tatsachen auf den Kopf. Die USA drängt die Nato die Rüstungsausgaben entsprechend zu erhöhen. Das Nato-Bündnis steckt 14 mal mehr in die Rüstung als Russland und China. Die Argumentation über den Anteil der Rüstungsausgaben am Bruttosozialprodukt ist also ein Taschenspielertrick.
Die Symbolik in New York vor dem Gebäude der Vereinten Nationen steht auf Abrüstung. In Wirklichkeit ist das Staatenbündnis ein Aufrüstungsbündnis. Der Westen und die Nato versuchen den Eindruck zu vermitteln, sie würden ihre Rüstungsausgaben senken. Absolut geben allein die USA mit 640 Milliarden US-Dollar beim Wettrüsten aber immer noch den Ton an.
Rüstungsausgaben in Mrd. Dollar (top ten)
Sie gaben trotz einer leichten Kürzung (u.a. durch Abzug ihrer Invasionstruppen aus Afghanistan) mehr als siebenmal soviel wie Russland für ihr Militär aus. Und das nun schon über Jahrzehnte. Die USA geben so viel für Aufrüstung aus, wie die folgenden 9 Länder in der top-ten-Liste zusammen!
Die Nato ist mit seinen übermächtigen Truppen bis an die Grenzen Russlands vorgerückt und steht wieder kurz vor Petersburg und Wolgograd (im 2.Weltkrieg noch Lenin- und Stalin-grad). Russland sieht dagegen entsprechend seiner Wirtschaftskraft eher wie ein Zwerg aus und muss sich daher bedroht fühlen. Der Westen, der Russland als Bedrohung darstellt, fordert von sogenannten Schurkenstaaten, wie Nordkorea oder Iran, Atomwaffen zu vernichten, bzw. nicht erst zu entwickeln. Mit welchem Recht? Mit dem des Stärkeren? Sind die Atomwaffen der USA, Pakistans oder Israels weniger bedrohlich? Müssen nur die Chemiewaffen Syriens vernichtet werden? Müsste nicht das Abendland, bzw. der Westen mit seinen Werten mit gutem Beispiel vorangehen?
Die USA bleiben auch größter Exporteur für konventionelle Waffen und waren zwischen 2008 und 2012 für 30 % der weltweit gehandelten Kriegsgeräte verantwortlich. Die Aufrüstung dient weniger der Verteidigung als vielmehr dem Angriffskrieg (Vietnam, Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen usw.). Nur die Begründung hat sich in der westlichen Welt „weiterentwickelt“. In den 1. Weltkrieg zog man noch mit Hurra- Patriotismus. Heute leben wir in einer Demokratie, in der sich die Eliten sorgen müssen, dass ihre Politiker wiedergewählt werden, und in der die angebliche „Verteidigung der Menschenrechte“ nur der Begründung von Krieg und ständiger Aufrüstung dient. Nach den Anschlägen vom 11.September 2001 (nine eleven) musste der „Kampf gegen den Terror“ herhalten. Danach hat die USA einen beispiellosen staatlichen Überwachungsapparat ausgebaut, auch zur Sicherung der Aufrüstung. Verurteilt werden nicht die dafür Verantwortlichen, sondern die, die das Herrschaftswissen im Detail veröffentlichen. Entsprechend seiner Werte (Demokratie, Freiheit, Menschenrechte), die der Westen für sich in Anspruch nimmt, bzw. vorgibt, müsste er eigentlich für Abrüstung stehen. Die Pflicht und die Fähigkeit des Westens entsprechend seines Bruttoinlandsproduktes zur Abrüstung beizutragen, ist um ein Vielfaches höher, als im Rest der Welt. Stattdessen bestimmt er das Wettrüsten und sichert so seine Vormachtstellung in der Welt.
Deutschland ist jetzt Dritter beim Rüstungsexport und Siebenter bei den Rüstungsausgaben. Die Ausgaben für die Bundeswehr sollen entsprechend der NATO-Zielmarge auf 2 % des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden. Frei nach dem alten amerikanischen Motto: Totrüsten ohne Tote. Da die Bundeswehr in die NATO integriert ist, gibt es 2 Möglichkeiten die Milliarden einzusetzen: Entweder für die alte NATO (früher gegen den Warschauer Pakt, heute gegen Russland), oder für die neue NATO (schnell verlegbare Truppen für Interventionen in Afrika und Asien).
Für eine neue NATO müsste das Grundgesetz um die Aufgabe der Auslandseinsätze ergänzt werden. In der vom Deutschen Bundeswehrverband (DBwV) vorgelegten „Tiefenagenda 2020“ liest sich das so: „Die Bürger können sicherheitspolitisch leichter mitgenommen werden“. Dann wäre aber die russische Gefahr nicht so groß, wie sie gerade an die Wand gemalt wird. Egal, das deutsche Volk wird es wohl wieder mal schlucken ohne zu mucken. Für die demokratisch gewählte Koalition wäre eine Grundgesetzänderung kein Problem, während die Kriegsministerin die friedliebende Bevölkerung weiter mit solchen Losungen wie „Kinderkrippen in den Kasernen“ ablenkt. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel lagern seit der Wende immer noch US-Atomwaffen. Diese sollen modernisiert statt vernichtet werden. Deutschland ist daran im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ beteiligt, wie auch Belgien, die Niederlande, Italien und die Türkei. Um gegenüber dem deutschen Volk die Mehrausgaben für das Militär zu begründen, kommt auch der deutschen Regierung die Ukraine-Krise wie gerufen. In der Kriegsberichterstattung wimmelt es auch deshalb nur so von Falschinformationen. Nach dem Motto: „haltet den Dieb“ zeigt der Westen dabei auf Russland, um von den eigenen kriegstreibenden Aktionen abzulenken.
Wird Mali jetzt demokratisch?
(Fortsetzung meines Blog-Themas: Mali zwischen Spaltung und Krieg)
Frankreich hat in Mali mit militärischem Angriff einseitig Fakten geschaffen. Die ehemalige Kolonialmacht hat damit Erfahrung. Sie verfuhr in Tschad Anfang 2008 nach dem gleichen Muster. Bei dem folgenden „EU-Einsatz“, stellten die Franzosen den Kommandeur vor Ort und entsandten rund 2100 Soldaten. Polen und Irland assistierten damals mit jeweils 400. Deutschland unterstützte den Einsatz mit Offizieren im Brüsseler Stab und 20 Millionen Euro. Aus Deutschland ist jetzt zu hören, dass in der malischen Wüste auch „europäische Interessen verteidigt“ werden, dass „wegducken falsch“ sei, dass man „Frankreich nicht im Stich lassen“ dürfe. Mali sei „ein altes französisches Interessengebiet“. Die EU betont, die islamistischen Kämpfer aus dem Norden könnten Mali zu einem Gottesstaat und damit zu einem Stützpunkt neuen Terrors machen, von dem aus Europa bedroht werde. Reichen diese Parolen für einen Krieg, oder geht es Frankreich und dem Westen um spezifische Interessen?
Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS bereitet unterdessen die Entsendung einer rund 3300 Mann starken Kampftruppe nach Mali vor. Unter anderem haben Niger, Burkina Faso, Senegal, Togo, Nigeria und Benin die Entsendung von jeweils mehreren hundert Soldaten angekündigt. Der UNO Sicherheitsrat hatte den ECOWAS Militäreinsatz am 20. Dezember einstimmig gebilligt.
Algerien, das der „arabischen Frühling“ noch nicht erreicht hat, strebt seit Jahren eine Führungsposition im nordwestafrikanischen Raum an und lehnt daher ausländische Einmischung seitens der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich oder der NATO ab, wie 2011 in Libyen. Der Westen war auch diesmal nicht der treibende Partner bei Friedensverhandlungen, die vor allem von Algerien und Burkina Faso ausgingen.
Ansar al-Dine ist die malisch dominierte Rebellenbewegung, die mit der algerisch dominierten AQMI und der mauretanisch geprägten Mujao (Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika) gemeinsame Sache machte, oder sich durch militärische Drohungen dazu gezwungen sah, hat sich von Letzteren getrennt.
Anfangs war der Norden faktisch dreigeteilt: Ansar al-Dine kontrollierte Kidal, die Mujao die Stadt Gao und der Al-Qaida-Ableger AQMI Timbuktu. Die säkulare Tuareg-Bewegung MNLA und die malischen Islamisten von Ansar al-Dine um Iyad Ag Ghali saßen bereits am Verhandlungstisch. Nur die dem Al-Qaida-Netzwerk zugerechneten AQMI und Mujao mit algerischer respektive mauretanischer Prägung waren nie an Verhandlungen interessiert. Es sind „Terroristen“, weil sie keine Hemmungen haben, auch Zivilisten zu opfern. Ob diese Klassifizierung auch für die Ansar al-Dine, die sich aus den Verhandlungen zurückgezogen hat, zutrifft, ist nicht bewiesen. Das 2003 in Aussicht gestellte Entwicklungsvorhaben, den Tuareg in ihrem traditionellen Lebensraum neue Perspektiven zu eröffnen, wurde nicht realisiert.
Vor dem Hintergrund des Konfliktes zwischen den islamistischen Bewegungen und den säkular ausgerichteten Separatisten im heutigen Mali gewinnt der historische Roman „Die Mauern aus Lehm“ (2012 neu aufgelegt) auf tragische Weise an Aktualität. Es ist, als wiederhole sich die Geschichte des Reiches der Bambara.
Nach den Luftangriffen Frankreichs haben sich die Rebellen auch aus den Städten weitgehend zurückgezogen, um mit ihrem „Heiligen Krieg“ zu antworten. Nach der Intervention Frankreichs werden die Rebellen die Angreifer als Ungläubige deklarieren, sich in die Wüste zurückziehen und einen Guerillakrieg beginnen, meint der Tuareg-Experte Georg Klute. Für den Ethnologie Professor der Universität Bayreuth ist das Eingreifen Frankreichs eine Art „Neokolonialismus“. Unstrittig ist, dass die malische Regierung unfähig war, die Probleme im Norden selbst zu lösen und hat Frankreich um Hilfe gebeten. Legitimiert das zum Eingreifen? In diesem Zusammenhang kann ich mich an das Hilfeersuchen der Tschechoslowakei 1968 erinnern Das Geschrei war groß, als die Sowjetunion dem nachkam und in das Geschehen um den Prager Frühling militärisch eingriff.
Die Büchse der Pandora in Mali wurde doch erst durch den Krieg in Libyen geöffnet. Von dort kommen die vertriebenen Tuaregs samt umfangreichem Waffenarsenal. Das Ergebnis: Nach Angaben des UN Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind bisher etwa 150 000 Menschen in benachbarte Länder geflohen. Mit dem militärischem eingreifen wird sich diese Situation wesentlich verschlimmern.
Frankreich verfolgt in Mali klare Eigeninteressen: Zum einen wolle die „Grande Nation“ ihre Stellung in der Region ausbauen und zum anderen gibt es konkrete materielle Interessen: die Sicherung der Wirtschaftsinteressen der AREVA-Gruppe, des französischen Industriekonzerns, der seit 40 Jahren in Mali und im benachbarten Niger Uran für den europäischen Atomstrom abbaut. Die militärische Intervention ist nur dann juristisch und moralisch legitim, wenn sie keine imperialistischen Fernziele hat, wenn sie zeitbeschränkt ist und die Souveränität Malis wieder herstellt.
Mali gehört wie Niger zu den ärmsten Ländern der Welt, obwohl sie mit die größten Uranvorkommen der Welt haben. Der Schweizer Soziologe Jean Ziegler schreibt in seinem Buch „Wir lassen sie verhungern – Die Massenvernichtung in der Dritten Welt“: Die Beziehung Frankreichs zur Regierung in Bamako ist eine neokoloniale Ausbeutungsbeziehung. Erst wenn es einen absoluten Bruch mit der neokolonialen Erbschaft gibt und z.B. der französische Konzern AREVA einen vernünftigen Preis für das dort abgebaute Uran zahlt, gibt es in Mali keinen Hunger mehr. Dass Länder wie Mali ihre reichen Bodenschätze nicht selbst veredeln können, ist auch eine Folge der Kolonialisierung.
62 Prozent der malischen Bevölkerung sind schwer unterernährt. Seit der Kolonisierung erleidet Mali Hunger, obwohl es als großes Bauernland eine lange landwirtschaftliche Tradition hat. Dennoch muss Mali 71 Prozent seiner Nahrungsmittel importieren, weil die Regierung wegen der Auslandsverschuldung keine Investitionen in die Landwirtschaft tätigen kann. Seit infolge der Börsenspekulation die Preise für Grundnahrungsmittel explodiert sind, und Rohstoffbörsen astronomische Profite z.B. mit Getreide machen, können Länder wie Mali nicht mehr genug Nahrungsmittel importieren. Daraus entstand die politische Instabilität, die der Westen in keiner Weise militärisch lösen kann. „Das schärfste Schwert gegen Extremismus ist die Entwicklungspolitik“, das sind starke Worte aus dem Munde des deutschen Entwicklungsministers zur Krise in Mali. Allein es fehlt die Bereitschaft des Nordens für eine wirklich andere Welthandelspolitik. Das würde ja bedeuten eigene Vorteile aufzugeben, wie z.B. Dumpingexporte von Nahrungsmitteln oder das Leerfischen afrikanischer Küsten. So bleibt die Massenarmut als Nährboden für Terrorismus erhalten und Niebels schöner Satz nur graue Theorie.
Selbst wenn Frankreich im Norden den Status quo wieder herstellen sollte, wird doch nur der Zustand hergestellt, der erst zur malischen Krise geführt hat. Eine Konzeption, wie weiter nach dem Krieg, hat Frankreich nicht. Und der malischen Regierung fehlt jede Legitimität im eigenen Land. Sie wurde in den letzten Monaten mehrmals putschartig ausgetauscht, ist schwach und von der Armee abhängig. Sie hat den Ausnahmezustand ausgerufen und Meinungs- und Versammlungsfreiheit abgeschafft.
Die ECOWAS hat mit ihrer Militäroperation das Ziel, bis Mitte des Jahres 2013 Voraussetzungen für Wahlen zu einer demokratisch legitimierten Regierung zu schaffen. Demokratie durch Krieg schaffen? Das war bisher noch nie so richtig erfolgreich. Die ECOWAS will den malischen Norden von den Rebellen befreien, die säkularen Tuaregs wollten alle Menschen im Norden, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit befreien. Wer hat wen eigentlich zur Befreiung legitimiert?
Die afrikanischen Staaten stehen anders als im Fall Libyen geschlossen hinter Frankreich, weil der französische Präsident sie diesmal, wie noch nie zuvor, von seiner Operation vorher informiert hat. Sie sehen darin eine andere Gangart Frankreichs. Der gut gemeinte Ansatz: „Afrikanische Lösungen für Afrikanische Probleme“ ist in Mali jedoch gescheitert, weil Afrika allein zu schwach ist. Auch fehlt es an durchsetzungsfähigen Institutionen, die innerafrikanische Lösungen umsetzen könnten.
Wie sehen es die Franzosen, die nicht vorher gefragt wurden? Umfragen zufolge stehen bis zu drei Viertel der Franzosen hinter der Entscheidung ihres Präsidenten. Auch der Sprecher der Linksfront, Asensi, meint, man könne das Volk nicht der Barbarei von Fanatikern überlassen. Der mittelalterliche und mit den Terroristen von Al Qaida verbündete islamistische Fundamentalismus sei eine „neue Form des Faschismus“ und instrumentalisiere den Islam. Aber die Linksfront hat auch Vorbehalte hinsichtlich der militärischen Operation, ihrer Form, ihrer Bedingungen und ihrer Ziele. Die Intervention bringe Mali weder Stabilität noch die Demokratie. Der Krieg sei immer die schlechteste aller Lösungen und die unsicherste. Sie kann auch eine Kaskade von Explosionen in der ganzen muslimischen Welt auslösen, wie sich schon in Algerien andeutet. Auch die französische Friedensbewegung weist die Argumentation zurück, dass diese Aktion unausweichlich war.
Auch In Mali rührt sich Widerstand gegen ein Eingreifen von außen. Die Vereinigung der malischen Abgeschobenen (AME) plant seit Monaten einen Friedensmarsch der Zivilgesellschaft, und ruft jetzt zum „Marche Blanche“ auf. Sie weist alle Formen der Einflussnahme, insbesondere militärische Interventionen zurück und ruft die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich aus den geostrategischen Kalkulationen herauszuhalten und sich für eine politische Lösung der Tuareg- Problematik einzusetzen. Der Marsch fordert die Integrität des Territoriums und Unterstützung für die malische Armee, um die Bevölkerung vor den Dschihadisten zu schützen.
Nord-Mali ist ein aktuelles Beispiel dafür, dass Unterentwicklung den Staatszerfall befördert. Die zentralen entwicklungshemmenden Faktoren kommen nach wie vor von außen. Für internes Politikversagen gibt es Beispiele mehr als genug, aber sie verschärfen das Problem lediglich. Eigentliche Ursachen bleibt die seit Kolonialzeiten kaum veränderte Rolle Afrikas als Rohstofflieferant in der Welthandelsordnung, oder der noch vor der Unabhängigkeit liegende Ursprung der Auslandsverschuldung. Wenn der Norden an diesen Strukturen nichts ändert, bleibt Afrika auf der Verliererseite der Globalisierung.
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