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Deutsche Einwanderung in Chile

Auch Chile war betroffen von Kolonialismus, woran Deutschland jedoch nicht beteiligt war. Deshalb soll hier unterschieden werden zwischen Kolonialisten, Kolonisten und Siedler.
Nachdem Kolumbus den Seeweg nach Amerika fand, waren es vor allem spanische und portugiesische  Kolonialisten, die weite Teile Mittel- und Südamerikas eroberten und unter sich aufteilten. Ihre gewaltsame Expansion war verbunden mit Versklavung und Ausbeutung billiger Arbeitskräfte aus den „unterentwickelt“ bezeichneten Völkern. Die einheimischen Sklaven wurden später mit aus Afrika verschleppte Sklaven ersetzt. Fremdherrschaft durch ein Volk aus einer anderen Kultur, durch eine fremde Staatsmacht bedeutet Kolonialismus. Die Aufteilung unter den Mächten zur Wahrung wirtschaftlicher und machtpolitischer Interessen war ein wesentlicher Faktor des Imperialismus bis zum 1.Weltkrieg. Europäische Mächte hatten im Februar 1885 auf der Berliner Konferenz den afrikanischen Kontinent unter sich aufgeteilt. Bis heute sind nur wenige Schritte zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte unternommen worden. In Berlin wird demonstriert, weil im Humboldt-Forum des Berliner Schlosses afrikanische Kunst ausgestellt werden soll, deren Herkunft unklar bleibt. Andererseits gibt es immer noch keine Gedenkstätte, um an afrikanische Opfer rassistischer Gewalt zu erinnern. Mehr als 30 Millionen Afrikaner*innen wurden Opfer von Versklavung und kolonialer Verbrechen, die auch von Deutschland ausgingen. Da Gegenwart und Vergangenheit eng verwoben sind, haben Flucht und Migration heutzutage auch mit damaligem Kolonialismus zu tun.
In der Neuzeit kann Kolonisation auch die Urbarmachung, Besiedelung und Entwicklung durch Siedler und Kolonisten bisher ungenutzter Gebiete eines Staates bedeuten.

Deutsche Minderheit in Chile
Es gab mehrere Einwanderungswellen von Deutschen nach Chile: Ab 1848, 1883, 1933 und nach 1945.
Während der spanischen Kolonialzeit war Ausländern die Einreise nach Chile (damals noch das zum Vizekönigreich Peru gehörende Generalkapitanat Chile) verwehrt, sodass bis ins 19. Jahrhundert bis auf Sonderfälle keine Auswanderungen nach Chile aus deutschsprachigen Ländern möglich waren. Mit der Unabhängigkeit von Spanien 1818 fanden europäische Kaufleute und Handelsreisende in zunehmendem Maß ihren Weg nach Chile. Zentrum der deutschen Kaufleute war Valparaíso.
Auch wenn rein zahlenmäßig die Zuwanderung weit geringer war als beispielsweise nach Argentinien oder Brasilien, war der kulturelle und wirtschaftliche Einfluss in Chile bedeutender. Etwa 500.000 Chilenen stammen von Deutschen ab, für rund 20 bis 40 Tausend ist die deutsche Sprache noch heute die Muttersprache. Ihr Hauptsiedlungsgebiet sind die heutigen Regionen Araucanía, Los Ríos und Los Lagos im Kleinen Süden von Chile.
Die Bedeutung der deutschen Einwanderung für Chile ist jedoch umstritten. Maßgebliche Meinungen reichen von: „Deutsch-Chilenen spielten eine relevante Rolle bei der Herausbildung der chilenischen Nation“, bis: „deutsche Einwanderer hätten sich nie in die chilenische Gesellschaft integriert und sich bis heute kulturell abgegrenzt“.
Die Bezeichnung „Chile-Deutsche“ wird zumeist für Auslandsdeutsche verwendet, die selbst nach Chile auswanderten und im Regelfall noch ihre alte Staatsangehörigkeit besitzen. „Deutsch-Chilenen“ sind hingegen Chilenen deutscher Herkunft, die die chilenische Staatsbürgerschaft, teilweise zusätzlich zur deutschen oder österreichischen, besitzen und deren Vorfahren seit mehreren Generationen in Chile leben. Viele von ihnen haben Deutsch nur als Fremdsprache erlernt.
Die erste deutsche Einwanderungswelle begann im Jahr 1845 mit dem Gesetz zur gesteuerten Einwanderung (ley de inmigración selectiva), mit dem der noch junge chilenische Nationalstaat die menschenleeren Gebiete im sogenannten kleinen Süden, die an das Mapuche Land grenzten, besiedeln wollte. Gesteuerte Einwanderung hieß, die anzuwerbenden Siedler hatten katholisch zu sein, sowie über mittlere bis höhere Bildung zu verfügen. Da die katholische Kirche in Deutschland gegen die Kolonisierung war, gelang es jedoch nur, Protestanten anzuwerben. Um zu verhindern, dass europäische Mächte wie Frankreich oder Großbritannien das von Chile beanspruchte und nahezu unbesiedelte Land für sich in Besitz nehmen konnten, plante die chilenische Regierung die Ansiedlung von Kolonisten südlich des Herrschaftsbereichs der Mapuche in den späteren Provinzen Valdivia und Llanquihue. Mit der gescheiterten Deutschen Revolution von 1848/49 sah man in Deutschland die Chance gekommen, deutsche Auswanderer als Kolonisten für Chile zu gewinnen, die rund um den Llanquihue-See angesiedelt werden sollten. Die ersten deutschen Kolonisten, bzw. Siedler fanden eine fast menschenleere, von Urwald beherrschte Gegend vor, die erst urbanisiert werden musste. Auch Puerto Montt, Valdivia und Osorno sind Städte, die für die deutsche Kolonisation in Chile symbolisch sind. Nachdem 1912 die Eisenbahnlinie zwischen Santiago und Puerto Montt fertiggestellt und das deutsche Siedlungsgebiet endgültig an die chilenischen Zentralregionen angeschlossen worden war, kam es zu einem stärkeren Bevölkerungsaustausch zwischen den beiden Regionen und damit zu einer verstärkten kulturellen Annäherung.
Die Machtübername der NSDAP in Deutschland führte zu einer neuerlichen Einwanderungswelle. In den 1930er Jahren schlossen sich mehr als 1000 Deutschstämmige der 1931 gegründeten NSDAP/AO in Chile an. Nach 1933 verließen viele politische Flüchtlinge und deutsche Juden Deutschland und suchten eine neue Heimat. Aufgrund der bestehenden deutschsprachigen Gemeinde war Chile auch in dieser Zeit ein Ziel vieler Auswanderer. Zwischen 1933 und 1941 emigrierten 15.000 Juden aus Deutschland nach Chile. Mitte der 1930er Jahre war der größte Teil des Ackerlandes um die Städte Valdivia und Osorno von Chile zurückgefordert worden. Einige deutsche Einwanderer zogen weiter nach Süden.
In Puyuhuapi, das mal Waldhagen hieß, in der Region Aysén, siedelten deutsche Einwanderer zusammen mit angestellten Arbeitern aus Chiloe und gründeten mit Zustimmung des Ministeriums für Landangelegenheiten und Kolonisation den Ort am 10.1.1935.(1) Einer der ersten war der Forscher Hans August Grosse, der den Puyuhuapi-Fjord erkundete. (1) Luisa Ludwg Winkler, „Puyuhuapi war Waldhagen“
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren es dann Faschisten, die Zuflucht in Südamerika fanden. Auch viele Vertriebene aus den Ostgebieten verließen Deutschland in den 1940er und 1950er Jahren und kamen nach Chile.
Anfang der 1960er Jahre wanderte der Laienprediger Paul Schäfer, der 1961 wegen Kindesmissbrauchs aus der BRD geflüchtet war, mit etwa 200 Anhängern nach Chile aus und gründete bei Parral die Colonia Dignidad.  Erst ein Film (2015 „Es gibt kein Zurück“) lenkte die Aufmerksamkeit in Deutschland auf dieses Thema und unbewältigten Vergangenheit. Die deutschen Siedler lebten unter einem von Schäfer angeführten Regime des Terrors und des religiösen Fanatismus. Während der Diktatur von Augusto Pinochet war es ein Haft- und Folterzentrum. Außerdem wurden Kinder in ihren Unterkünften sexuell missbraucht und gefoltert. Nach dem Militärputsch unter Augusto Pinochet 1973 verließen zahlreiche Oppositionelle das Land. Viele fanden Zuflucht in der BRD, als auch und vor allem in der DDR. Im Gegensatz zur Botschaft der DDR stand die Botschaft der BRD in Chile auf der Seite der Militärdiktatur. Etliche gründeten in Deutschland Familien und kehrten nach dem Ende der Militärdiktatur 1990 mit diesen nach Chile zurück.

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Brasilien nach der Wahl

Mit der Wahl Bolsonaros als Präsident Brasiliens, dem größten Land Lateinamerikas, ist der Rechtsruck auf dem Subkontinent, der ein Jahrzehnt lang mit wenigen Ausnahmen von linken und gemäßigt linken Regierungen gelenkt wurde, besiegelt. Nach der Wahl schwor er vor Gott, dass er die Verfassung, die Demokratie und die Freiheit verteidigen und gegen Sozialismus, Kommunismus, Populismus vorgehen will. Als Rechtsextremist will er Linksextremismus bekämpfen. Die Kriminalität soll mit einem Freibrief für Polizisten für das Töten mutmaßlicher Verbrecher bekämpft werden. Funktionieren demokratische Institutionen nicht, die sich in der jungen Demokratie des Landes entwickelt haben, besteht die Gefahr, dass das Land auf ein autoritäres Regime zusteuert, in dem Gewalt, Hass und Verfolgung zur Norm werden. Die Brasilianer hatten die Nase voll von den jahrelangen Korruptionsskandalen und einer massiven Wirtschaftskrise seit 2012, die eine Unzufriedenheit ausgelöst hat, die sich Bolsonaro zunutze machte. Da wo die asphaltierten Straßen enden, hinter den weißen Hochhäusern am Strand, ist die Wohnungsnot groß. Die Strom- und Abwasserversorgung ist improvisiert und fällt oft aus. Die ständig steigenden Mieten können sich die meisten Bewohner nicht mehr leisten und landen zwangsweise in den Fawelas („Armen-“ oder „Elendsviertel“ in Randlagen der großen Städte Brasiliens). So gesehen haben die Brasilianer auch für einen Neuanfang gestimmt.
In der Regierungszeit „Lula“ da Silvas (Präsident 2003 –2011) wurden Millionen Menschen durch Sozialprogramme aus der Armut befreit. Als jedoch ein gigantisches Korruptionsnetz ans Licht kam, in die Lula verstrickt wurde, wurde er von der technokratischen Dilma Rousseff abgelöst. Aus Enttäuschung wurde Wut, die sich von Lima auf seine gesamte politische Klasse übertrug. Für die Linke blieb Lula ein „politischer Gefangener“, weil ihm seine Vergehen nicht nachgewiesen wurden. Für die Rechte ist er der „größte Verbrecher“. Der Widerstand der Eliten gegen soziale Veränderungen in einem der ungleichsten Länder der Welt ist jedoch groß. Die Hälfte der Kongressmitglieder stand unter Verdacht, sich bereichert zu haben. Das war der Ausgangspukt vor der Wahl.
Der stärkste Konkurrent Bolsonaros, der ehemalige Bürgermeister der Millionenmetropole São Paulo Fernando Haddad, wurde von Lula ins Rennen geschickt und hatte daher nur eine geringe Chance. Hinter Haddad stehen linke Parteien, wie die Kommunistische und die Sozialistische. „Ele Não!“ (Nicht er), protestierten Hunderttausende Brasilianer vor der Wahl gegen den rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten. Ein brasilianischer Philosoph nannte Bolsonaro einen Faschist. Andere befürchten einen Rückfall in eine Militärdiktatur. Einige fragen sich, wohin sie wohl am besten auswandern. Für die vielfältigen sozialen Bewegungen (die feministischen, indigenen, afrobrasilianischen, gewerkschaftlichen, queeren und anderen) kommen harte Zeiten, ohne die Brasilien nicht mehr bunt und fröhlich wäre.
Die Masse des Wahlvolkes hat jedoch (noch) nicht gescheckt, dass Bolsonaro den Teufel mit dem Beelzebub austreiben will. Dass sie einen Rechtsradikalen gewählt haben, berührt sie nicht. Bolsonaro meint z.B., dass er lieber tot wäre, als einen schwulen Sohn zu haben. Zu einer Abgeordneten sagte er, dass sie es nicht verdiene, vergewaltigt zu werden, weil sie zu hässlich sei. Er forderte, politische Gegner zu erschießen und will die UNO verlassen. Bolsonaro inszenierte sich als Anti-Establishment-Politiker. Er verstand es, mit rassistischer, sexistischer und homophober Hetze die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Anders als Donald Trump in den USA ist er jedoch kein direkter Vertreter des Großkapitals. Zwar ist er gut situiert, aber kein Multimillionär. Der Ex-Militär Bolsonaro fordert die Bewaffnung der Bevölkerung oder die Einführung von Folter und Todesstrafe und erhält dafür sogar Zustimmung. Denn 2017 starben in Brasilien mehr als 60.000 Menschen eines gewaltsamen Todes, so viele wie nirgendwo sonst auf der Welt. Doch die Gewalt in Brasilien hat auch eine Adresse und die Opfer haben eine Hautfarbe: Vor allem schwarze Jugendliche aus armen Vierteln. Wie Donald Trump verachtet Bolsonaro die traditionellen Medien und macht durch Fake-News und Hass auf sich aufmerksam. Ein Großteil der Brasilianer bezieht seine Informationen fast nur noch über die sozialen Netzwerke, wie Facebook. Und so funktionierte auch der Wahlkampf. WhatsApp ist zur wichtigsten Waffe der Rechten geworden. Über den Kurznachrichtendienst wurden Falschinformationen in die Welt gesetzt. So wurde z.B. ein geplantes Programm der Arbeiterpartei PT zur Bekämpfung von Homophobie (gegen Lesben und Schwule gerichtete soziale Aversion) an Schulen zur »Frühsexualisierung von Kindern« umgedichtet. Soziale Bewegungen, z.B. die der wohnungslosen Wohnungsbesetzer, will er verbieten, und die Mehrheit seines Kabinetts soll aus Militärs bestehen. Über die brasilianische Militärjunta von 1964 bis 1985 sagt er: Der einzige Fehler der Diktatur war, dass sie nur gefoltert und nicht getötet hat.
Der rechtsradikale Präsident, der die Wahl erst im 2. Wahlgang erreichte, spaltet das Land. Hinter ihm stehen weite Teile der Mittel- und Oberschicht, die die Arbeiterpartei verachtet, sowie fast die gesamte Wählerschaft des bürgerlichen Lagers, deren traditionellen Parteien PSDB und MDB bei den Wahlen abstürzten. Zudem haben sich große Teile des Finanzkapitals und Wirtschaftsverbände hinter seine Kandidatur gestellt.
Irgendwie kommt einem Vieles bekannt vor. Der Zerfallsprozess des politischen Parteiensystems und der nachvollziehbare Frust auf das Establishment, der scheinbar die ganze westliche Welt erfasst hat. Sowie die fatale Gleichgültigkeit, bzw. Verharmlosung rechtsradikaler und faschistischer Tendenzen. Und nicht zuletzt, dass gerade die Rechtsradikalen die sozialen Probleme nicht lösen werden. Flucht und Emigration spielt zwar in Brasilien und im Wahlkampf nicht die entscheidende Rolle, der Hass auf Emigranten existiert aber ebenso und wird von Bolsonaro angeheizt.

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