Nordamerika ab 25.7.19

Mir fällt auf, dass ich schon in Zentralamerika sehr wenig geschrieben und Bilder geschossen habe. Die besten Bilder gelingen, wenn es einem gut geht. Und die allerbesten, wenn man glücklich ist. Für mich hat diese Reise aufgehört, dass zu sein, was ich von ihr erwartet habe. Das hat viele Ursachen. Die zunehmende Hitze, Krankheit einhergehend mit Kraft- und Lustlosigkeit. Habe noch nie so viel abgenommen, wie in letzter Zeit. Man findet kaum Stellplätze, die Erholung von der Fahrerei bieten. Essen wird ohne Selbstversorgung und ohne vernünftige Gaststätten zum Problem. Ich konzentriere mich darauf, auf kürzestem Wege einen Hafen an der Ostküste der USA zu erreichen. In den letzten 10 Jahren war ich mind. die Hälfte ständig auf Reisen (Asien, Afrika, Europa). Ich glaub das reicht jetzt. Zumindest was die langen Weltreisen betrifft. Irgendwann kommt der Punkt, wo man glaubt, der Entdeckerdrang lässt nach. Mein Sohn meint, auch in Deutschland gibt es viel zu sehen. Schaun wir mal, ob es dort noch einen außergewöhnlichen Ort gibt, den ich noch nicht gesehen habe.

In Nogales geht es über die Grenze Mexiko-USA. Keine Mauer, aber ein mächtiger stacheldrahtverzierter Metallzaun trennen die beiden Länder. Der Zaun soll Süd- und vor allem Zentralamerikaner davon abhalten, in die USA einzuwandern. Ungeachtet dessen stehen von beiden Seiten der Grenzkontrolle unzählige PKW an. Amerikanische und mexikanische Touristen, die eine befristete Einreisegenehmigung  erworben haben. Die erste Grenze in Amerika, bei der alles geordnet abläuft, während man im Auto sitzen bleibt. Keine Papiere, die man irgendwo ergattern und dann auch noch ablichten muss, außer des Permit.

Hinter der Grenze in Tucson flüchte ich wieder in ein Hotel mit Klimaanlage. In einer Kakteenlandschaft schaue ich mir vorher noch ein Camping-Stellplatz an. Da mein Camper keine Klimaanlage hat, ist es aber bei 40° unmöglich auch nur daran zu denken, im zusätzlich aufgeheiztem Auto zu schlafen. Ringsum nur spärlich bewachsene Wüste, kein Schatten spendender der Baum, keine Wolke am Himmel. Die Sonne erbarmungslos am Zenit, Hitze wie im Backofen. Anfang August steigen die Temperaturen in Arizona bei einer Jahrhundert-Hitzewelle bis auf 47°. Erst mit der Erfindung der Klimaanlagen sind solche Städte wie Phoenix oder Las Vegas denkbar geworden.

Das Gebiet südlich des 37. Breitengrades der USA nennt sich Sun Belt (Sonnengürtel). Diese Region hat sich in den letzten Jahren zur Zukunftsregion der Amerikaner entwickelt. Nach Tuchson fahre ich nach Phoenix, einer gesichtslosen Stadt. Dort versuche ich einige Dinge zu regeln: Einen Reifen wechseln und den Motor reparieren, der nur noch verringerte Leitung hat (schlechter Diesel, Dieselfilter zugesetzt?). Bin aber im Land der unbegrenzten Möglichkeiten maßlos enttäuscht. Auch hier bekomme ich keine Ersatzteile für den Toyota Proace, ein Auto, was es hier nicht gibt. Für Amerika war das Fahrzeug ein Fehlkauf. Die auf Geschwindigkeit und Gewicht dieses Kastenwagens geprüften Reifen gibt es nicht. Und welche zu ordern, ist kein Reifenladen imstande. Und ein Dieselfilter ist nicht auf Lager. Einen zu bestellen dauert länger, als ich warten kann. Jetzt fährt das Auto nur noch 120 km/h. Na gut, die müssen reichen, mehr sind hier auch nicht zugelassen. Trotzdem fahren auf diesen ausgezeichneten, asphaltierten Straßen außergewöhnlich viele Allrad-Geländewagen, die noch nie im Gelände gefahren sind. Fahren  kann man hier sehr entspannt auf meist mehr als 4 Spuren. Kein Stau, keine Agressivität, aber wehe wenn.

Zugleich suche ich einen Arzt, der mir sagen kann, wie meine eigene, akut verringerte Leistung eingestellt werden kann. Mein Herz ist o.k., sagt der Kardiologe nach EKG und Kardiogramm. Schön, aber was war es dann? Kann er nicht sagen. Auf Reisen nehme ich immer ab, aber 15 kg? Das war zu viel.

Eine der unangenehmsten Seiten bei der Art zu Reisen, ist der Papierkram. An der Grenze hat sich keiner interessiert für eine Haftpflichtversicherung für das Auto. Also suche ich eine Versicherung. Aber keine will für das Auto oder den Fahrer versichern. Wie soll ich da meiner Pflicht nachkommen? Ich überlege schon, ohne zu fahren, bin ja schon bis Phoenix gekommen. Aber das wäre eine Straftat. Ich hatte zwar noch keine Begegnung mit der Polizei, die ist hier auch wenig präsent, aber das Risiko wäre dann doch sehr hoch. Eine der ganz wenigen Versicherungen, die versichern würde, verlangt für 90 Tage 1.200,- Dollar. Das ist mir zu heftig. Dann finde ich eine Versicherung, die man im Internt abschließen kann und für 30 Tage „nur“ 170 Dollar kostet (fernando@segurogringo.com). Für ein Fahrzeug, das nicht in den USA zugelassen ist, und dessen Fahrer keinen festen Wohnsitz in den USA hat. Ob eine Versicherung auch im Fall des Falles bezahlt, weiß man auch bei den ganz teuren nicht. Mir reicht eine, die man vorzeigen kann und die zumindest theoretisch eine ausreichende Absicherung hat.

Nach 13 Tagen im klimatisierten Hotel geht es endlich weiter nach Kingmann. Kingman nennt sich die „Route-66-Hauptstadt“. Außerdem sprengen die Hotelkosten meine geplanten Budget-Traveller-Kosten. Die Route 66 galt ab 1926 als eine der ersten durchgehend befestigten Straßenverbindungen von der Ost- zur Westküste. Sie wurde durch den Interstate Highway ersetzt und so vom Durchgangsverkehr abgeschnitten. Heute sind die nicht mehr durchgehend befahrbaren, aber erhaltenen Teilstücke ein romantisch verklärter Anziehungspunkt für Touristen und Nostalgiker. Die Straße ist ein ähnlich mythischer, verklärter Kult wie die Pferde und Cowboys des Wilden Westens. In Arizona existiert zwischen den Orten Seligman und Kingman ein gut erhaltener Streckenabschnitt. Seligman wird als „Geburtsort der historischen Route 66“ bezeichnet. Dort quartiere ich mich in eins der der hier typischen Motels ein, das von sich behauptet, Elvis sei hier. Stattdessen spielt abends in der Bar ein in die Jahre gekommener Langweiler auf seiner Gitarre.

Vor dem Grand Canyon windet sich die Straße bis auf über 2.000 m hoch aufs Colorado Plateau, wo ich hoffe, dass die Wüstenhitze verschwunden ist und eine frische Brise weht. Am Rand des Grand Canyon hält man erst mal die Luft an. Die gigantische Schlucht in dem Hochplateau mit ihren Schichtenfolgen ist etwas 250 Mio Jahre alt und bis zu 1.600 m tief. Geformt vom Colorado River. Ich übernachte im Nationalpark auf dem Camp im Auto. Die Sonne brennt zwar am Tag wie gehabt, aber man findet unter Kiefern Schutz und in der Nacht kühlt es stark ab.

Ein 10 km Fahrradweg führt entlang der Kante des Canyons und ich und lass den Canyon-Film vor mir ablaufen. Zurück nehme ich den Shuttle-Bus, der alle 2 km hält und Fußgänger mitnimmt.

Abends wechsele ich den Campingplatz am Ende des Canyons ein paar Meilen weiter und beobachte die Touristen, wie sie den Sonnenuntergang beobachten. Das die Straße überquerende Rehwild scheint an den Besucherstrom gewöhnt zu sein. Auf der Weiterfahrt ist noch der kleine Canyon zu sehen, von denen es hier unzählige gibt. Hier ist deutlicher zu sehen, dass es eine vom Wasser ausgespühlte Rinne in einer Ebene ist.

Der Horseshoe Bend ist ein hufeisenförmiger Mäander des Colorado River in der Nähe der Stadt Page (Arizona), am Lake Powell. Landschaftlich sehr schön, aber leider überlaufen. Die Menschenmassen wälzen sich vom teuren Parkplatz über einen Berg. Bei der Hitze ist der staubige Sandweg nur mit genug Wasser und Kopfschutz zu empfehlen. Aber der Anblick der Flussschlinge entschädigt für die Strapazen.

Die wahrscheinlich bekanntesten und berühmtesten Motive des westlichen Teils der USA sind die gewaltigen Felsen im Monument Valley. Die isolierten roten Tafel- und Restberge, die von einer leeren, sandigen Wüste umgeben sind, wurden schon unzählige Male fotografiert und waren Hintergrund für Filme (z.B. Western mit John Wayne), Prospekte und Werbungen. Das Monument Valley ist für die Navajo Nation ein heiliger Ort und befindet sich im nördlichen Teil des großen Reservats in der Four Corners Area (übrigens dem einzigen Punkt der USA, wo vier Bundesstaaten – Utah, Colorado, Arizona und New Mexico – aufeinandertreffen). Monument Valley hat sein Erscheinungsbild seit vielen Jahrtausenden nicht verändert. Einige der bekanntesten Formationen sind die „Mittens“, zwei erodierte Erhebungen mit daumenähnlichen Türmen. Andere Monolithen und Türme wurden mit Namen versehen wie ‚Castle Butte’, ‚Sitting Henn, oder Three Sisters’.
Abends sehe ich vom Campingplatz aus den Vollmond aufgehen.

Monument Valley Panorama

Auf dem Weg zum Reef-Nationalpark wechseln die verschiedensten Felsformationen auf etwa 300 km in rasanter Folge. Die Straße führt unter anderem auf eine Felswand zu und ich frage mich, wo da eine Straße hochführen soll. Allein die Vorstellung da jetzt hochzufahren, erzeugt Schwindelgefühle (folgende Bilder oben rechts, Blick von unten und von oben). Aber die Serpentine überwindet die einzelnen Schichten mühelos. Im Natural Bridges National Monument mache ich einen Abstecher zur Sipapu Bridge, einer natürlichen Felsbrücke, die in Millionen Jahren vom Wasser ausgespült wurde, und die in Utah den White Canyon überspannt.

Da ich im Wilden Westen zwischen Flagstaff, Las Vegas, Salt Lake City und Denver kreuz und quer fahren muss, um die Sehenswürdigkeiten zu erreichen, überquere ich nochmals den Colorado River. Einige Rafting Schlauchboote schippern sehr gemächlich unter der glühenden Sonne flussabwärts. Das ganze Gebiet von hunderten m² Kilometern ist eine einzige Sehenswürdigkeit. Man bräuchte sehr lange, um alles zu bewundern. Die Kunst besteht wieder mal im Weglassen.

Auch die Fahrt durch den Capitol Reef National Park zum Camp nach Torrey und von dort zum Bryce Canyon wird zum Erlebnis.

Der Bryce Canyon ist eine „gigantische Kulisse, wie von einer anderen Welt“. Stimmt. Und ein würdiger Rahmen für einen ziemlich runden Geburtstag. Gewöhnlich stößt man bei solchen Gelegenheiten an, aber für einen alleinigen Durchreisenden fällt das in Ermangelung an daran Anstoß nehmenden aus. Um so mehr freut man sich über die lieben Glückwünsche aus der Heimat.
Heimat hier nicht im Sinne von „Dirndl und Lederhose“, sondern als der Ort für einen Weltreisenden, an dem er immer wieder nach Hause zurückkehrt. Auch nicht im zynischen Sinne des sog. Heimatministeriums, das vor Not und Krieg Geflüchtete besser in ihrer Heimat aufgehoben sieht. Zynisch deshalb, weil dieses Ministerium nichts für die Beseitigung der Fluchtursachen tut. Und schon gar nicht im nationalistischen, fremdenfeindlichen Sinne z.B. der AfD, die den Begriff Heimat für ihre politischen Zwecke missbraucht.

Der letzte Nationalpark auf dem Colorado-River-Plateau ist für mich der Arches bei Moab. Hier schließt sich der Routenkreis. Ab 3 Nationalparks lohnt sich der Kauf einer Karte für alle Parks.
Im Arches hat die Natur Bögen (hier das Delicate Arch) und Fenster (hier das Nord- und South-Windows) geformt, wie es kaum ein Architekt oder ein Bildhauer besser kann. In der Natur übernimmt dabei die Erosion z.B. von Sandstein über Millionen von Jahren die Rolle des Künstlers.
Man hat den Eindruck, die USA erodiert. Ein Prozess, der sich mit Trump noch beschleunigt. Aber zum Glück betrifft es ja nur das Colorado-River-Plateau.

Kurz vor Denver mache ich einen Abstecher nach Aspen. Der Wintersportort liegt in den Rocky Mountains und ist ein ganzjähriges Reiseziel für Naturliebhaber. Die Kleinstadt soll wohl die Reichste der Vereinigten Staaten und der Welt sein. Der Durchschnittspreis eines Hauses liegt bei über 1,5 Mio US-Dollar. Hinter Aspen fahre ich über den 12.095 Feed (rd. 3.690 m) hohen Independence Gebirgspass. Im schreienden Gegensatz zur bisherigen Hitze : Hier liegen noch Reste von Schnee. In Denver bestätigt sich der Hinweis, dass man sich auf den Campinglätzen anmelden soll. Sonst hab ich immer noch ein Platz ohne Reservation bekommen, hier nicht, wie überhaupt in den Großstädten. Halt mache ich noch einmal in Russel und Kansas.

St. Louis liegt im US-Bundesstaat Missouri am Mississippi. Dort steht die 192 m hohe „Gateway Arch“ (Torbogen). Das 1968 eingeweihte Meisterwerk der Ingenieurkunst ist eine Verbundkonstruktion aus Beton und Edelstahl. Das höchste von Menschenhand geschaffene Monument in den USA, bzw. der höchste künstliche Bogen der Welt. Und eines der 12 Ikonische Denkmäler und Gedenkstätten der USA Die Form entspricht einer umgekehrten, durch die Schwerkraft hängenden Kette,  wodurch sich das Bauwerk statisch selbst trägt und unter der notwendigen Spannung steht. Die Linie beruht auf einer exakten, seitenlangen mathematischen Formel (Gleichung der Hyperbelfunktion).
Die Arch steht für die Ausdehnung der USA in Richtung Westen (Ausgangspunkt der Lewis-und-Clark-Expedition), nachdem die USA 1804 die französische Kolonie Louisiana kaufte. Mit der visionären Weitsicht des ersten US-Präsidenten Jefferson wurde der Pioniergeist geweckt und der Grundstein für das heutige Gebiet der USA bis zum Pazifik gelegt.

Davon erfährt man Einiges aus dem Museum unter dem Arch. Auch davon, dass infolge der Besiedlung durch die zumeist weißen Amerikaner die indigenen Völker (Indianer) in Reservate gefercht wurden. Und auch von den Mythen um den wilden Westen. Als Jugendlicher hat mich z.B. der gut gemachte Western „Die glorreichen Sieben“ im Kinosessel gefesselt, ohne dass mich damals die Mythen interessiert hätten. Aus diesem Grund wurde wohl damals der Film vom Spielplan genommen, nachdem ich ihn gesehen habe. Oder köstlich amüsiert hat mich die Westernparodie „Cat Ballou“ mit Jane Fonda.
Vor Baltimore mache ich noch mal halt in Mount Vernon, Shelbyville, und Burnsville.

Meine stark gekürzte Route durch die USA (ohne Los Angeles und San Francisco) endet nicht in Halifax, sondern in Baltimore. Von hier aus wird mein Vehikel nach Hamburg verschifft. Entschieden habe ich mich auf dem Weg hierher für die niederländische Firma „Robert World Wide Shipping“ (R. J. van Straten, sales@robertwws.com), der in Baltimore mit der Agentin elena.gazarkh@oceanfreight.com zusammenarbeitet. Das Fahrzeug wird im Hafen (Dundalk Marine Terminal) abgeliefert und mit Hilfe des Escort-Service (Büro: 39° 15′ 24.2″ ; -76° 31′ 57.6″) werden die Formalitäten im Hafen abgewickelt.

Bevor ich das Auto abliefere, und nachdem ich mir in Baltimore den alten, neu gestalteten Hafen Inner Harbor und das Aquarium angeschaut habe, mache ich noch eine letzte, kurze Spritztour mit dem Auto nach Washington. Mit dem Fahrrad fahre ich vorbei am Hauptbahnhof mit der wunderschönen Halle, vorbei an den Schalthebeln der Macht Kapitol (Senat und Repräsentantenhaus) und Weißes Haus (Wohn- und Amtssitz des Präsidenten), am Obelisk Washington Monument, am Lincoln Memorial und am und im Air and Space Raumfahrt-Museum.

Vorbei auch am Denkmal der im 2.Weltkrieg gefallenen US-Soldaten, an der Vietnamkriegs-Gedenkstätte und am Korea-Kriegerdenkmal.
Bei den letzten beiden habe ich mich schon gefragt, was die USA in Korea und Vietnam zu suchen hatten. Nach dem 2.Weltkrieg waren es Stellvertreterkriege im Kalten Krieg, an denen die USA als Weltmacht direkt beteiligt war. Um ihre globalen Interessen durchzusetzen und um den Kommunismus zurückzudrängen. Die Angst vor der roten Revolution und der Rassismus gegen Afroamerikaner wurde in den USA schon nach dem 1. Weltkrieg geschürt. Der Red Summer hat seine Ursachen auch im Red Scare. Hier vermisse ich in der offiziellen USA jede kritische Auseinandersetzung mit Ihrer Geschichte.
Aber Geschichtsverdrängung und -verfälschung ist kein rein amerikanisches Phänomen. In Deutschland, bzw. in der vergrößerten BRD, wird das Zerrbild von den beiden deutschen Diktaturen hochgehalten, wobei Hitlerfaschismus verharmlost und die Geschichte der DDR ausgeblendet wird, bzw. ihre positiven Spuren getilgt werden. Die BRD erkennt bis heute ihre Doppelbiografie in der deutschen Nachkriegsgeschichte nicht an. Ausgeblendet wird auch die Tatsache, dass die deutsche Spaltung nach dem Krieg vor allem von den USA vorangetrieben wurde.

Nachdem mein Fahrzeug im Container verstaut ist, geht es mit dem Bolt-Bus von Boltimore nach New York. Vom Kennedy Flughafen fliegt mein Flieger über Stockholm nach Berlin. Aber vorher habe ich noch ein paar Tage im Hotel und fahre mit dem roten Bus durch New York: Broadway, Wall Streat, Freiheitsstatue, Trafalgar Square bei Nacht usw.

Zum 18.mal jähren sich heute die Ereignisse um das World-Trade-Center (WTC und Nine Eleven). Es wird den 3.000 Toten gedacht, Abends auch mit Laserstrahlen (weiter unten hinter der Brooklin Bridge zu sehen). Mir fällt es bis heute schwer, an die offizielle Version von 9/11 zu glauben (Terror oder Politik einer Weltmacht?). Zu viele Fragen bleiben offen.
Aktuell behaupten die USA, hinter den Angriffen auf saudische Ölanlagen könnten nicht die jemenitischen Huthis stecken, weil diese „nicht die technischen Kapazitäten“ hätten, einen solchen Militärschlag zu verüben. So gesehen, hatte Osama Bin Laden und seine an höchstens am Maschinengewehr ausgebildete Truppe vor 18 Jahren erst recht nicht  die technischen Kapazitäten, eine derart komplizierte Aktion ohne äußere Hilfe durchzuführen.

Die Stadt, die niemals schläft: Nachtleben am Platz der Plätze: Times Square, Broadway und Ecke Wall Street.

Mit dem Mietfahrrad durch den Central Park. An der Ecke Wall Street und am Rockefeller Center.

In der Abenddämmerung vom Top of the Rock (Point of View).

New York bei Nacht von oben. Diesmal nicht vom Empire State Building, oder vom World Trade Center wie vor Jahren (vor 9/11, Hallo Stefan), sondern vom Rockefeller Center. Und am Bryant Park.

Das war die gefahrene Route durch die USA bis Baltimore, bzw. bis New York.
Stand 14.9.2019,
Insgesamt in Amerika gefahrene km: 41.500 (0,79 €/l Diesel),
in 369 Tagen und
142 Etappen (pro Etappe 255 km und 2,4 Tage).
Von den 3 Weltreisen (Asien, Afrika und Amerika) war das die teuerste Reise. Allein die Fährkosten (mit Flug und Hotel) haben diesmal einen Anteil von über einem Drittel an den Gesamtkosten.

Auch Abenteurer Reinhold Messner sieht sich als Heimatsehnsuchtsverräter. Sein „Unterwegssein spiegelt die Zerrissenheit des Romantikers, der von der Sehnsucht nach draußen lebt, wenn er daheim ist, und der sich nach daheim verzehrt, wenn er draußen ist.“
Der Gipfel des Strebens ist gar nicht das Draußen, der Gipfel liegt in dir. Die Quelle der Euphorie liegt im Weg, auf dem man sich auch fühlt wie ein sehr, sehr armer Hund. Wer eine Grenze überschreitet und nicht erschauert, hat keine Grenze überschritten. Messner ist inzwischen 75 und Einzelkämpfer, frei nach Schillers Motto: Der Stärkste ist am mächtigsten allein – allein auch mit allen Risiken, allem nötigen Egoismus.

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Zentralamerika ab 8.6.2019

Vom 26 Stock des Hard Rock Hotels in Panama City hat man einen tollen Ausblick auf die Stadt mit seinen Wolkenkratzern, sowie auf die Altstadt. Viele der Wolkenkratzer gehören Banken, die hier legal Möglichkeiten zur Steuervermeidung für große Firmen, aber auch Geldwäsche anbieten. Bekannt wurden diese Praktiken durch ein Whistleblower, der die sog. Panama-Papers öffentlich machte. Die haben zwar 2016 eine öffentliche Debatte über Steuermoral ausgelöst, aber sonst blieb wie immer alles beim Alten. Die Personen, die in den Papieren genannt werden, lesen sich wie das How is How der Welt. Zu den Steuerspar-Klienten gehören auch mehrere tausend Deutsche. Und Panama City ist nur eine Steueroase von über Hundert. Die weltweit älteste Steueroase liegt mitten in Europa – in der Schweiz. Dabei geht es weltweit um die 30 Billionen Dollar privates Schwarzgeld! Das ist etwa 1/3 der weltweiten Wirtschaftsleistung, bzw. des Bruttoinlandsproduktes (BIP)! Zocker- oder Spielgeld, welches an der Wirtschaft vorbei in private Taschen fließt. Ungleichheit ist eines der drängendsten Probleme der Gegenwart.

Fahrradtour in Panama City mit Sicht auf die beeindruckende Skyline, in die Altstadt, und zum Bio-Museum (der Artenvielfalt) und zur Einfahrt zum Panamakanal. Diesmal mit einem gemieteten Fahrrad, weil meins noch mit dem Auto im Containerhafen Colon steht.
Zur und von der Jahrhundertbrücke hat man einen Blick auf den Panamakanal. Hier bekommt man einen Eindruck von den Erd- und Felsmassen, die beim Kanalbau bewegt werden mussten.

Nachdem ich den Kanal voll hatte, ging es wieder die Pazifikküste entlang. Am Strand von Farallon gibt es einen Golfplatz mit Flugplatz. Ich stehe im anschließenden Fischerdorf mit Campern aus Österreich, Argentinien und Brasilien. Junge Leute, die schon länger hier umsonst stehen und dafür den Platz sauber halten. Hunde bewachen nachts den Platz sicher, wie das hier üblich ist. Dass die Madonna gleich neben den Mülltonnen steht, ist eher unüblich.
Las Lajas stehe ich direkt am Strand, den ich wie so oft hier, fast für mich allein habe.  Es ist Regenzeit und es regnet fast jeden Abend. Aber trotzdem fehlt es an Abkühlung. Nichts ist schlimmer, als nachts in der Schwüle zu schwitzen. Ich schlafe im offenen Auto unterm Moskitonetz, das ich wie in Afrika jeden Abend um die Matraze aufspanne.

In der Hoffnung auf Abkühlung fahre ich von David aus in die Berge nach Bajo Boquete, eine der bekanntesten Tourismusstädte Panamas, die wegen ihres angenehmen Klimas auch von europäischen und US-amerikanischen Auswanderern als Alterssitz gewählt wird. Die Kaffeebohnen Boquetes sollen die Besten des Landes sein.

Auf dem Weg nach Costa Rica mache ich ein Abstecher zu einem kleinen Canyon mit herrlich kaltem Badewasser.
Hinter der Grenze am Rio Tortuga übernachte ich im gleichnamgen Camp mit Pool. Das nächste Camp Swiss Palmgarden in Parrita wird von Inka und Jörg betrieben.  Das Schweizer Ehepaar ist seit etwa 5 Jahre hier und hat das Grundstück urbar gemacht. Ein Camp wie es sich Europäer vorstellen (nicht nur mit WC und Dusche, sondern auch mit Strom am Camper, Küche und kühlem Pool), wie man es hier nicht oft findet. Ich nehme mir Zeit für eine kleine Fahrradtor am Strand entlang.

Hinter La Cruz, kurz vor der Grenze nach Nicaragua stehe ich in der Finka Canas Castilla, die auch von einem Schweizer Paar, Agi und Guido, betrieben wird. Ihre Tochter ist hier geboren, zur Schule gegangen und macht jetzt ihren Master. Sie spricht deutsch und spanisch und einen nicht zu verstehenden schweizer Dialekt. Auf dem naturbelassenen Camp bekomme ich ohne Eintritt das besondere Naturerlebnis mit der Tierwelt. In dem kleinen Stausee vor dem Camp schwimmt ein Ast. Als ich frage, wo man ins Wasser kann, rät man mir ab. Der Ast ist ein Krokodil, was träge im Wasser schwebt. Manch ein Hund hat es schon erwischt. Braune Klammer- und  schwarze Brüllaffen schwingen sich in freier Wildnis in den Baumwipfeln über mein Camper. Das Faultier bekomme ich wegen Faulheit nicht zu Gesicht. Es liegt zusammengerollt auf einem Ast hoch oben. Die Affen gibts sogar zum fürstlichen Frühstück. Nein, nicht was ihr denkt: Die gibts zu sehen. Zumindest bei Menschenaffen gilt es inzwischen als ethisch fragwürdig, sie zu essen. Tierversuche an Menschenaffen sind in vielen Ländern gesetzlich verboten. Sie lachen und trauern, sie lügen und stehlen und lösen komplexe Aufgaben. Das Erbgut von Schimpansen stimmt mit dem des Menschen zu fast 99 Prozent überein. Bonobos z.B. sind dadurch bekannt, dass sie Sex zum Abbau sozialer Spannungen einsetzen und ähnlich wie Menschen gleichgeschlechtliche Kontakte pflegen. Deshalb wird von Wissenschaftlern gedordert, Menschenaffen Grundrechte zu gewähren, die bisher nur für Menschen gelten. Also: Das Recht auf Leben, der Schutz der individuellen Freiheit sowie die Garantie der körperlichen und psychischen Unversehrtheit. Noch zu Zeiten der Sklaverei herrschte die Meinung, Sklaven sind keine Menschen, sondern eine minderwertige Rasse, nur Besitz ihrer Eigentümer. Nach der Abschaffung der Sklaverei (gar nicht so lange her) sei es an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun.

Zwischen Nicaragua und El Salvador liegt nur eine kurze Strecke durch Honduras. In Nakome übernachte ich auf dem Hof der Feuerwehr. Dort stehe ich ruhig und sicher und habe Strom und WC. Unterwegs muss ich um brennende Reifen fahren und sehe viele Stellen auf der Straße, an denen Reifen gebrannt haben. Am zehnten Jahrestag des Putsches in Honduras gegen den linken Präsidenten José Manuel Zelaya am 28. Juni 2009 regt sich Widerstand gegen die drohende Privatisierung des Gesundheits- und des Bildungssystems und Gewalt der Militärpolizei. Löhne und Gehälter wurden eingefrohren. 86% der Honduraner misstrauen der rechten Regierung von Juan Orlando Hernández („JOH muss weg“), der 2017 nach einer Wahlmanipulationen im Amt bestätigt wurde. Honduras befindet sich seit dem Putsch in einer latenten Krise.

Auch in El Salvador übernachte ich wegen der kurzen Strecke in dem Kleinstaat nur zweimal, jeweils am Meer bei Sunzal und kurz vor der Grenze auf einer schmalen Landzunge zwischen Meer und Fluss.

In Guatemala liegt Antigua, die alte Hauptstadt der spanischen Kolonien Zentralamerikas, in einer Talsohle eingebettet und wird von den gewaltigen Vulkanen Acatenango, Agua und Fuego Übertrumpft. Einer ist noch aktiv. Das mittelalterliche Flair und das immer frühlingshafte Klima machen die alte Stadt zu einer der Hauptattraktionen von Guatemala und ganz Mittelamerika. Eine Camper Familie auf dem Stellplatz ist mit 5 Kindern unterwegs (www.7aufweltreise.de). Sie sind nach der Wende nach Stuttgart rübergemacht, und haben jetzt Haus und Hof gegen den Camper eingetauscht. D.h. sie sind auf einer sehr langen Route unterwegs.

Lago Atitlan besticht mit einem Rundum-Panorama der Extraklasse, sowie mit einem ganzjährig mild-warmen Klima und mit wunderschöner Natur. Er wird von vielen Menschen als der schönste See der Welt beschrieben. Zumindest ist er unbestritten der schönste in Mittelamerika. Eingekreist von 3 Vulkanen befüllt das Wasser des Sees einen ebenfalls ehemaligen Krater eines Riesenvulkans. Mich zieht eine Grippe mit Durchfall aus dem Gefecht. Lustlos und ohne Appetit harre ich aus, über eine Woche und nehme ungewöhnlich stark ab. Aber Glück im Unglück, hier ist der richtige Wohlfühlort, fast wie im Paradies, um sich auszukurieren.

Gegenüber meiner Planung habe ich bis hier insgesamt etwa 4 Wochen Verzögerung. Das ist etwa die Zeit, die ich z.B. durch Pannen verloren habe. Wenn ich wie geplant weiterfahre, besteht die Gefahr, dass ich am Ende der Reise bis Halifax in den Winter komme. Daher habe ich an der Route Mexiko 1.000 km zusammengestrichen.

Die Stufenpyramiden Monte Albán bei Oaxaca waren das religiöse Zentrum der Majas (Zapoteken, später der Mixteken). Das Reich der Maya war neben das der Azteken und der Inka eine der drei großen amerikanischen Hochkulturen in der Zeit vor der spanischen Eroberung des Kontinents. Es erstreckte sich vom Süden Mexikos bis in den Norden Honduras. Nach neuesten Forschungen waren die Mayas nicht nur eine friedliche Hochkultur, sondern auch eine Kriegerkultur, in denen Dynastien jahrhundertelang um die Vorherrschaft kämpften.

Weiter geht es über die Küstenorte: San Sebastian, bei Acapulco und Las Tijanas. Guadalajara wird auch als die mexikanischste aller mexikanischen Städte bezeichnet, in Bezug auf Tradtion und Kultur. Nicht zuletzt wegen des ralativ hohen Lebensstandards ist es inzwischen die zweitgrösste Stadt in Mexiko. Die Stadt rühmt sich, das beste Klima in ganz Amerika zu haben (das ganze Jahr über ist es klar, mild und trocken, mit angenehmen Temperaturen zwischen 20° und 26°). Gegenüber der Hitze am Ozean ist das Klima hier oben am Lake Chapala nahe der Stadt sehr angenehm. Am Ozean kann man nur bei offenen Türen unter dem Moskitonetz schlafen. Wenn bei über 30° nicht einmal ein Lüftchen geht, liegt man jede Nacht im Schwitzkasten. Die Selbstversorgung ist zusammengebrochen. Es gibt auch keine vernünftigen Supermärkte. Die Stellplätze sind meist nur Parkplätze an Restaurants mit wenig Komfort. Campingplätze wie in Europa sind hier eher unüblich.

Ab Los Mochis übernachte ich wegen der Hitze in Hotels und überlege, in die Berge zu fahren. Eine Bahnreise durch die Kupferschlucht, von Los Mochis an der mexikanischen Pazifikküste in die Hochebene der Sierra Madre nach Chihuahua, zählt zu den außergewöhnlichsten Eisenbahnreisen der Welt. Die Landschaft des Schluchtensystems der Barranca del Cobre ist um einiges grösser und ebenso spektakulär wie der Grand Canyon in den USA, jedoch nicht halb so bekannt. Außerdem mache ich mir keine Hoffnung den geheimnisvolle Schatz der Sierra Madre zu finden. Die entlegene, einsame Bergregion kann nur mit der Bahn erreicht werden und man muss 3 Tage Hotelaufenthalt für eine Hin- und Rückfahrt einplanen. Darauf verzichte ich dann doch, da ja der Grand Canyon noch auf meiner Strecke liegt.

Guaymas ist der vorletzte Standort in Mexiko vor der Grenze in die USA. Die Küstenorte entlang der mexikanischen Küste am Pazifik sind alle sehr schön und jeweils ein Urlaub wert. Allerdings gibt es wenig zu berichten und die Bilder gleichen sich. Im Grenzort Nogales übernachte ich wieder im Hotel, direkt über der Bar. Das stelle ich aber leider erst Nachts fest, als ich eigentlich schlafen wollte.  Im Camper schläft es sich doch am besten.

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Panamericana ab 27.2.2019

Von Barliloche geht es wieder über die Grenze nach Chile. Der Vulkan Lanin sticht mit seinen 3747 m und dem Gletscher aus der Landschaft hervor. Dagegen ist der Villarrica in Chile mit 2840 m eher bescheiden. Am pazifischen Feuerring (Vulkangürtel) entlang sind einige Vulkane noch aktiv.
Auf dem Weg nach Santiago steht man auf einem Stellplatz mit Wasserfall sehr angenehm. Das Rauschen des Wassers übertönt alle lästigen Geräusche. Kurz vor Santiago ist ein Stellplatz am Pool mitten unter Palmen. In Santiago selbst findet man keinen Stellplatz. Also muss ich mit einem Hotel vorlieb nehmen.

Santiago ist eine fahrradfreundliche Stadt. Also erobere ich die Stadt mit meinem Fahrrad. Am Präsidentenpalast (La Moneda) an dem vor einigen Jahren noch die Einschusslöcher des Militärputsches 1973 zu sehen waren, steht ein Denkmal für den sozialistischen Präsidenten Allende. Die USA hat sich damals massiv mit Geheimdienstoperationen in Chile eingemischt, mit dem Ziel, die linke Regierung in Chile zu destabilisieren und die Voraussetzungen für den Militärputsch am 11. September 1973 zu schaffen.
Das gleiche läuft gegenwärtig wieder in Venezuela ab. Wenn es dort noch zu keinem Putsch kam, dann weil das Militär in Venezuela, anders als unter Pinochet in Chile, noch auf der Seite des vom Volk gewählten Präsidenten steht.

Im Zusammenhang mit dem aktuellen Stromausfall in Venezuela streiten Regierung und Opposition über die Ursachen. Dass dieser Ausfall eine Cyberattacke der USA waren, dafür spricht der Zeitpunkt und die Tatsache, dass das Szenario eines anhaltenden Blackouts in Handbüchern für Regime Change beschrieben ist und auch vor dem Putsch gegen Salvador Allende in Chile 1973 Anwendung fand.
Pinochet und seine Militärdiktatur ermordete und folterte tausende Chilenen, vor allem Linke. Die USA haben sich an diesen zahllosen Menschrechtsverletzungen mitschuldig gemacht. Chile fand erst nach fast 30 Jahren zur Demokratie zurück. Das sollte man*frau nicht vergessen, die meinen, Chile sei unter Pinochet marktwirtschaftlich geöffnet und entwickelt worden. An die Zeit eines sozialistischen Präsidenten Allende erinnert nicht mehr viel in diesem Land. Aber die neoliberale Politik seit der Diktatur Pinochets hat ihre Spuren hinterlassen, die zunehmend Unzufriedenheit erzeugt.

Buntes Treiben in der Stadt, wie hier auf dem zentralen Plaza de Armas mit Musik oder Schachspiel. Zum Schach bin ich leider zu spät gekommen. Oder im Park mit Fahrrad über Kopf. Mit der Gondel- oder der Seilbahn kann man hoch hinaus und die Aussicht auf die Stadt genießen, soweit es der Dunst zulässt. Der Berg ist heilig und somit wird auf einem Schild auch eine angemessene Kleidung gefordert. Der Papst war auch schon mal da.
Unter der Überschrift „Wir begrüßen jede der Frauen, die ein besseres Land aufbauen“ setzen sich Studenten an der Universität in Santiago zum Frauentag für Gleichstellungsfragen ein, und für eine volle Beteiligung von Frauen in der Gesellschaft. Sie sehen den  8. März als Gedenktag, um daran zu erinnern, dass bei der Gleichstellung noch viel zu tun ist. Sicherlich noch viel mehr, als in entwickelten Industrienationen. Die Frauen in Berlin haben es da leichter. Seit diesem Jahr ist der 8. März in der Hauptstadt ein Feiertag, lt. Beschluss der Berliner Regierungskoalition aus SPD, Grüne und Linkspartei.

In Vina del Mar erreiche ich wieder das Meer, diesmal den Pazifik. An der Westküste Südamerikas ist auch wieder der Sonnenuntergang zu bewundern.

Zwischen Tongoy und Caldera liegt das La-Silla-Observatorium der ESO (Euopäische Südsternwarte), 2400 m hoch auf dem gleichnamigen Berg, neben dem Observatorium auf dem Cerro Paranal. Die schon in Jahre gekommenen Teleskope sind immer noch hochproduktiv im Entdecken von neuen Sternbildern. Man soll sich zur Besichtigung lange vorher anmelden. Ich habe Glück und kann mich ungeplant einer Gruppe mit 4 Fahrzeugen (dav. 3 Schweizer) anschließen. Von Null auf nix geht es auf eine Höhe von 2.400 m. Dort hat man einen faszinierenden Panoramablick auf die Berge der Atacama Wüste. Bei gutem Wetter bis zu 190 km. 300 Tage wolkenloser Himmel, sowie geringe Luft- und Lichtverschmutzung zeichnet den Standort aus. Im Observatorium arbeiten viele Nationen. Rassistisches Denken und Fremdenhass ist verpönt, wie einer Skizze an der Pinwand zu entnehmen ist.

In TalTal handle ich an der Rezeption der Hostelleria einen günstigen Preis für Toilettennutzung aus. Nebenan ein Standplatz auf dem Parkplatz mit Blick auf das Meer. Eine Unmenge von Möwen und sogar eine Robbe kann ich beim Frühstück vom Auto aus beobachten. Und ich habe Internet, um in Ruhe den Block zu vervollständigen.

Hinter Chanaral im Nationalpark Pan de Azucar liegt ein Camping, Platz inmitten der Natur bietet, direkt am Strand und das außerhalb der Ferienzeit kaum besucht ist.

Zwischen TalTal und Antofagasta liegt das Teleskop Very Large auf 2600m Höhe. Besichtigung ist nur Samstags nach wochenlanger vorheriger Reservierung im Internet möglich, wie ich unten an der Einfahrt erfahre. Daher begnüge ich mich diesmal  nur mit einem Blick von, obwohl Very Large höher  liegt und moderner ist, als das Teleskop auf La Silla.

In Antofagasta hält mich nichts auf. Ich stehe zwar auf einem Stellplatz mit Meerblick, aber der ist zu weit außerhalb der Stadt.

Auf dem Weg durch die Wüste sieht man schon von weitem eine Kette von Vulkanen und seltsame Linien im Wüstensand. Ausläufer der Nazca-Linien? Sicher nicht, aber dazu später. San Pedro, eine Oase in der Atacama-Wüste, erinnert auf den ersten Blick an Ballermann, zumindest was die vielen Touristen betrifft. Auch hier wird bis früh um 6 sinnlos geballert. Aber hier gibt es auch viel zu entdecken. Z.B. das Valle da la Luna (Tal des Mondes). Dort treffe ich auch viele deutsche Touristen: Ein Pärchen mit Fahrrad und 2 Kleinkindern, hinten auf dem Sattel. Sicher sehr anstrengend für alle. Und sehr mutig von den Eltern. Ein Pärchen auf dem Fahrrad, die sehr interessiert nach meinem Weg fragen. Ihre Eltern würden auch gerne noch so eine Reise machen wollen, lassen es aber wegen Bluthochdruck und künstlicher Hüfte lieber sein. Wenns danach ginge …. . Dann ist da noch eine Gruppe  angehender Geologen, die eine Exkursion an diesen für sie fachlich sehr spannenden Ort machen. Nicht zuletzt ist da noch ein Pärchen zu Fuß. Er bittet mich um Wasser, sie seien kurz vor dem verdursten. Ich fülle ihre Flasche und sie fällt ihm in den Arm, weil er Wasser organisiert hat. Na ja …. , aber ich bin ja gern rettenender Engel.

Massen an Touristen strömen auch zu den Geysiren. Wer kann, kann auch den nahe gelegenen Vulkan Licancabur bis auf 6000 m besteigen. Aber da wird die Luft sehr dünn und ab 4000 m sollte man nicht anfällig für die Höhenkrankheit sein. In der trockensten Wüste der Welt ist auch die Atmosphäre sehr trocken. Zudem wurde auf dem Krater die höchste UV-Strahlung auf der Erde gemessen. Astro-Touristen mit Bluthochdruck sollten daher Alma (Large Millimeter/Submillimeter Array) besser nicht besuchen), denn es liegt 5000 Meter über dem Meeresspiegel. Auf einem Hochplateau, unweit von San Pedro, formen sich 66 bewegliche Parabolantennen zu einem riesigen Auge für Radiowellen. Es besteht, wie bei Fliegen, aus vielen einzelnen Augen, die zu einem fast 360 Grad-Blick verhelfen. Astronomen eröffnet es einen tiefen Blick ins Universum: Sie sehen Galaxien aus der Frühzeit des Universums, aber auch Planeten im Embryonalzustand. Das Extremely Large Telescope, das größte (Radio-)Auge der Welt, ist im Bau und in Nordchile keine 500 Kilometer von Alma entfernt.

In der von San Pedro am nächsten liegenden Lagune in der Salzwüste sind zwar keine Flamingos zu sehen, aber man kann im Salzsee baden. Untergehen kann man bei dem hohen Salzgehalt nicht. Bei der sengenden Hitze eine willkommene Abkühlung. Die kommt auch nachts, da die Temperaturen extrem fallen.

In Iquique kommt mein Fahrrad wieder zum Einsatz. Auf dem Camp stehen Silke und Stefan, welche etwa den gleichen Weg haben. Die beiden sind mir sympathisch und es gibt eine Menge zu erzählen. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder.

Auf dem Weg von Iquique nach La Paz über Oruro geht es hoch über die Anden. Unterwegs sehe ich abseits von der Straße einen mir bekannten Camper. Und siehe da es sind Silke und Stefan, die ich in der Mittagsruhe störe. Auf einer Höhe von 3.260 m stehen wir mit herrlichem Ausblick auf einem freien Stellplatz in der Natur und genießen bei gekühltem Bier den Sonnenuntergang. In Ihrem gemütlichen Camper  lerne ich das Kartenspiel Skip-Bo. Der richtige Ort um noch größere Höhen langsam anzugehen.

Am nächsten Tag geht es über einen 4.340 m hohen Pass. Anzeichen für eine Höhenkrankheit stellt sich Gott sei Dank nicht ein. Vor der Grenze nach Bolivien führt eine Schotterpiste durch ein gespenstisch leeres Dorf mit Kirche vor schneebedeckten Bergen zu einem Stellplatz mit Therme in Caraguano bei Isluga in 3.915 m Höhe. Silke und Stefan stehen schon da.Am nächsten Tag sehen wir schon in der Frühe, dass eine Herde Lamas herangetrieben werden (oder sind es Guanakos, Alpaka oder Wikunias?). Wie wir erfahren, werden die Tiere nach der Regenzeit gewaschen, um sie vom Ungeziefer zu befreien. Gleichzeitig wird ein Tier ausgesondert und anschließend geschlachtet. Das ganze Dorf trifft sich auf dem Stellplatz zum Grillen. Mit der Ruhe ist es leider vorbei. Zuerst helfen wir die Herde zusammenzuhalten und beobachten aus der Nähe, wie die Tiere in einem kleinen Wasserkanal untergetaucht werden. Aber als es auch noch anfängt zu regnen, ziehen wir es vor zum nahen Grenzort Colohani zu fahren. Ich übernachte am Municipal mit WC.

Anderntags geht es nach Oruro. Silke und Stefan müssen noch bleiben, um einen Automechaniker zu suchen. Die faulen Grenzer hinter der Scheibe lassen mich ins Messer laufen. Ich muss sie darauf aufmerksam machen, dass ich mit Auto einreise. Wenn ich ohne Formular weitergefahren wäre, hätte sich das bei der Ausreise bitter gerächt.

Die Straße zwischen Iquique und Oruro ist zwar neu asphaltiert, aber es gibt noch keine Tankstellen. Im peruanischen Grenzort Pisiga Bolivar fehlt mir wiederum das nötige Cash, da man mit Karte nicht zahlen kann. Touristen zahlen etwa das 3-fache für Diesel, der sehr preiswert ist (aus der €-Sicht). Die LKW-Schlange in umgekehrte Richtung vor der chilenischen Grenze ist km lang.

Oruro ist eine quirlige Großstadt, leider ohne Stellplatz. Ich finde ein Hotel mitten in der Stadt und kann das Markttreiben unmittelbar vor dem Hotel beobachten. Die ganze Innenstadt ist ein Markt, alles spielt sich auf der Straße oder in den Markthallen ab. Größere Supermärkte oder gar Malls gibt es nicht. Auffallend gegenüber Brasilien, Argentinien und Chile ist der Wohlstand auf unterem Niveau, bzw. die mehr verbreitete Armut.
Als ich nach wenigen Tagen auf dem Weg zum größten Salzsee bin, holt mich im dichten Autoverkehr Stefan zu Fuß ein. Ich bleibe noch eine Nacht und erfahre beim Kartenspiel, dass der Salzsee kurz nach Ende der Regenzeit noch mit Wasser bedeckt ist. Am Rand des Salzsees könnte man sich zu dieser Zeit im größten Spiegel der Welt betrachten, aber ich ändere meine Route und fahre weiter auf der Route nach La Paz. Silke und Stefan wollen später noch über den Salzsee fahren. Unsere Wege trennen sich.

La Paz liegt in einem Kessel, dessen Rand auf einer Höhe von etwa 4100 m liegt. Die Stadt ist nicht nur der höchste Regierungssitz, bzw. Verwaltungshauptstadt, sondern auch die Stadt mit dem größten Seilbahnnetz (anstelle z.B. einer U-Bahn). Hauptstadt Boliviens ist Sucre. Für etwa 20 Boliviano (etwa 3,-€) kann man in Gondeln mit 11 Linien über die gesamte Stadt schweben. Dabei hat man eine spektakuläre Sicht auf die Stadt. Im Hintergrund ragen schneebedeckte Berge hervor. Der höchste davon ist der 6.438 hohe Illimani.
Gert (genannt Gustavo), zeigt mir die Stadt. Er ist Deutscher, der mit seinen Eltern nach Bolivien kam und jetzt in der Tourismusbranche arbeitet. Nebenbei arbeitet er für das Camp (Hotel Oberland) als Guide. Aufmerksame Zuhörer können von ihm viel über Land und Leute hören.
Am Hexenmarkt gibt es alles an Zubehör für okkulte Rituale, Opfergaben, Mittel für Potenzsteigerung oder gegen böse Nachbarn. Soger Lama-Föten, die unter einem Hausbau Glück bringen sollen. Überhaupt spielen ethisch-religiöse Haltungen, oder Aberglaube eine große Rolle. In der Schamanen-Straße, mit einem atemberaubenden Blick über La Paz, stehen am Abhang kleine Hütten dicht an dicht, in denen man sich von Schamanen z.B bei gesundheitlichen Problemen „beraten“ lassen kann. Gegenüber steht eine grün-weiße katholische Kirche in  ungewöhnlicher Architektur.

In der historischen Altstadt, in der die Unabhängigkeitsbewegung gegen die spanische Kolonialherren ihren Anfang nahm, erklärt uns eine indigene Frau in Cholitas-Kleidung, der typischen Nationaltracht, dass die Mode in den 20`ern aus Spanien kam. Die Hüte waren ursprünglich für Männer entworfen. Die Röcke sind schwer, weil sie sich in der Hüfte ausweiten. Außerdem ist eine starke Hüfte leider ein Zeichen für Fruchtbarkeit. Während man in Deutschland bei einem Einkommen etwa unter 1.100,-€ von einer „Armutsgefährdung“ spricht, liegt die Armutsgrenze in El Alto (Nachbarstadt von La Paz, der wohl ärmsten Stadt Südamerikas), bei 2 Dollar am Tag! Auch Bolivien leidet noch schwer an kolonialen Folgen. Lässt sich ein Gringo (Jargon: von Europäern abstammende Person) vom Latino die Schuhe putzen, hat das einen unwürdigen Anschein, der an koloniale Zeiten erinnert. Auch ein Grund, warum die meisten vermummt Schuhe putzen. Andererseits hat der Schuhputzer die Möglichkeit, mit dem sehr bescheidenen Lohn (max. 3 Boliviano in den besseren Gegenden), zumindst über die Armutsgrenze zu kommen. In diesem Zusammenhang muss man auch die Kokabauern sehen. Sie für die Droge Kokain verantwortlich zu machen, ist der falsche Ansatz. In Bolivien wird Koka wie Erdbeeren geerntet. Die Blätter sind heilig und sollen gegen Erschöpfung, wie auch gegen die Höhenkrankheit helfen.  Die Weiterverarbeitung der Blätter zu Kokain ist verboten, d.h. die Bauern verdienen in der Drogen-Kette am Wenigsten. Schuld ist die Nachfrage nach Rauschgift insbesondere aus dem Westen. Bei der Bekämpfung des Kokains setzt die linke Regierung nicht auf das Verbot der zuerst nützlichen Pflanze, sondern auf deren Anbaubegrenzung, um den Mindestverdienst der Bauern zu sichern und auf den Eigenverbrauch zu beschränken.
Evo Morales wurde 2006 als erster  Indigener Präsident mit großer Mehrheit gewählt.  Unter dem linken Präsidenten hat sich die Armut in dem arg gebeutelten Land halbiert, die Kindersterblichkeitsrate wurde gesenkt und die Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr um 4,5%. Ein Referendum zu einer Verfassungsänderung, nach der der Präsident für weitere 2 x 5 Jahre gewählt werden kann, brachte keine Zustimmung. Dem hat sich das oberste Wahlgericht widersetzt. Nun kann er 2019 abermals kandidieren. Dabei berief sich der Präsident u.a. auf Merkel, die schon viel länger regiert als er. Offensichtlich will er an der Macht festhalten. Das hat schon in Nicaragua und in Venezuela nicht funktioniert und der lingen Bewegung geschadet.
Das Valle de Luna (Mondtal) unweit des Camps in La Paz erinnert sehr an Capadokien in der Türkei. Wasser und Wind haben aus Sandstein bizarre Formen gebildet.

Hinter La Paz erreicht man das bolivianische Copacabana über eine Fähre aus Pontons. Der kleine Touristenort hat eine riesige Basilika mit einer schwarzen Madonna und liegt am  Titicacasee, der einer der größten Süßwasser Seen in Südamerika. Der See gilt auch als Geburtsort der Inkakultur und ist das höchste (3.800 m) schiffbare Gewässer der Welt. Bolivien hat zwar keinen Meerzugang, bildet aber eine Flotte aus, die am Titicacasee stationiert ist. Die Politik und die Diplomatie Boliviens ist darauf ausgerichtet, einen Zugang zum Meer zu erhalten. Gespräche mit Chile haben bisher zu nichts geführt.

Am Titicacasee geht es über die Grenze nach Peru. In Puno stehe ich im Hof eines Hotels und beobachte Meerschweinchen, die dort massenweise rumlaufen. Erst dachte ich an Ratten. Die Meerschweinchen stammen aus den Anden und sind dort ein kulinarisches Grundnahrungsmittel. In Peru wurde in den 1960er Jahren ein modernes Zuchtprogramm gestartet, mit dem Ziel den Verbrauch des Tieres außerhalb Südamerikas zu steigern.

Hinter Puno geht es über den Abra la Raya- Pass (4.338 m). Von Cusco aus plane ich den Ausflug nach Machu Picchu, da man dort nicht mit dem Auto vorfahren kann. Außerdem gibt es hier eine Toyota Werkstatt, die ich konsultiere. Wegen Machu Picchu ist Cusco ein Touristemagnet.

Machu Picchu ist eine gut erhaltene Ruinenstadt der Inka in Peru. Ich mache von Cusco Ausflug mit Bus und Bahn dorthin.

Camper mit Wohnmobil stehen am besten in Cusco auf dem Campingplatz „Quinta Lala“, der auch Storage (Langzeitstellplatz für Urlaub vom Urlaub) bietet. Von Cusco nimmt man nach Machupicchu am besten den Bus bis Ollantaytambo und steigt dort in die Bahn (Luxuszug mit Modenschau) um. Statt mit der teuren Bahn kann auch mit dem Kleinbus über die Berge bis zur Bahnstation Hidroelectrica (eine hinter Macchu Picchu) fahren. Das ist aber sehr unbequem und zudem schwindelerregend, gefühlte 1.000 m über dem Abgrund. Von da aus mit dem Zug nach Aguas Calientes, bzw. Machu Picchu Pueblo. Hier nimmt man sich ein Hotel und kann am nächsten Tag mit dem großen Bus die Serpentinen nach Machopicchu hinauffahren. Ganz sportliche können auch laufen. Wer nur eine Nacht bleibt, ist etwa 9 pm zurück in Cusco. Für diesen Ausflug muss man etwa 180,-US-Dollar berappen.
Man kann das Ganze auch bei einer sog. Reisefirma buchen, hat aber den Nachteil, dass man doch alles selber organisieren muss. Die Reiseanbieter am Plaza Regocijo in Cosco bieten zwar ein Gesamtpaket und kassieren dafür auch, aber dann fehlt jede Organisation: d.h. kein Guide, der einem das Hotel zeigt, kein Ticket für die Rückfart, keine Information usw.).
Aguas Calientes ist ein kleines Dorf am Fuße des „alten Gipfels“, das nicht mit dem Auto zu erreichen ist. „Machu Picchu“ ist die Sehenswürdigkeit als Solche und leider auch Ort des Massentourismus in Reinkultur. D.h. das Weltkultur- und Naturerbe ist bedroht, wenn man es vor lauter Touristen nicht mehr sieht. Über 2.000 täglich! Den Einheimischen, bei denen am Wenigsten von der riesigen Rendite verbleibt, sehen vor lauter Touristen (meist Ausländer) ihren eigenen Ort nicht mehr.

Der Anblick dieses einmaligen Naturwunders, bzw. der Blick über die Ruinen der peruanischen Inkastadt, entschädigt aber für Vieles.

Von Cusco nach Nasca geht es meist am Fluss entlang, bzw. die Serpentinen rauf bis auf 4550 m und wieder runter auf 2000m über dem Meeresspiegel. Eine sehr schöne Strecke. Z.T. über den Wolken.

In Nazkca schaue ich mir Perus Nazca-Linien, die im Zeitraum zwischen 800 Jahren vor und 600 Jahren nach unserer Zeitrechnung  entstanden, von oben an. Denn nur von oben kann man erkennen, dass sie etwas darstellen. Sie zeigen 100 Meter große Tierfiguren, sowie Linien und Richtungspfeile, die als Stätten für Fruchtbarkeitskulte in Zeiten abnehmender Niederschläge sowie Wegmarkierungen zum Erreichen dieser Kultstätten gedeutet werden. Sie liegen auf halbem Wege zwischen Perus Hauptstadt Lima und der Inka-Festung Machu Pichu. Die Linien sind in den Wüstenboden eingeritzt. Da nicht restlich geklärt ist, wozu die Linien gedient haben, wurde und wird die Fantasie vieler Menschen beflügelt. Erich von Däniken geht hier von einem Kontakt mit Außerirdischen aus. Schon Anfang der 60er Jahre war in Dresden ein entsprechender Dokumentarfilm von ihm zu sehen, der die Figuren und Linien so  deutete. Jüngere Forschungen konnten aber keinen systematischen Zusammenhang zu Gestirnen erkennen. Bestätigt wurde allerdings, dass ein Teil der Linien, von einer bestimmten Stelle aus gesehen, auf einen Ort am Horizont zulaufen, an dem am Tag der Sommersonnenwende die Sonne untergeht. Die Pfeile könnten also als Wegmarkierungen für eine kultische Massenveranstaltung (ein frühzeitliches Woodstock) gedient haben, zu der die Menschen in Scharen von den Hängen der Anden herunterströmten. Reizend altmodisch ist das Museum einer Nazca Pionierin in ihrem ehemaligen Wohnhaus im Örtchen El Ingenio, etwa 40 Kilometer von Nazca entfernt. Maria Reiche, eine 1903 in Dresden geborene Mathematikerin, hat sich bei der Kartographierung und Erhaltung der Linien verdient gemacht, die als 8.Weltwunder jetzt Weltkulturerbe sind. Das Haus zeigt wie spartanisch sie gelebt hat (höchstwahrscheinlich ohne deutsche Fahne an ihrem Schreibtisch). Man bekommt etwa eine Vorstellung, in welchen einfachsten Behausungen heute noch die meisten Menschen nicht nur in Peru leben.

Wie fruchtbar die Gegend zu Zeiten der Erschaffer der Linien gewesen sein muss, lässt sich bei der Anfahrt von Lima in der Oase Huacachina nahe der Stadt Ica ermessen. Früher waren hier vorwiegend die reichen Limeños zugegen, um einen kleinen Wellness- und Erholungsurlaub zu machen, da die kleine Lagune heilende Kräfte durch ihren Mineralstoffgehalt verspricht. Heutzutage ist das Wasser aber sehr stark zurückgegangen und kaum mehr zum Baden geeignet. Dennoch haben sich hier kleine Hostels und Hotels für Backpacker und Paushal-Touristen angesiedelt, die unter anderem mit erfrischenden Pools punkten. Das stetig gute Wetter und die umliegenden, bis zu 100 Meter hohen Sanddünen, die Sandboarding und Buggyfahren ermöglichen, machen dieses kleine Stück Wüste zu einem Adrenalin-Erlebnisort mit Spaßgarantie.

In Lima erkunde ich vom Hitchhikers Hostel aus die Hauptstadt Perus mit dem Fahrrad. Z.B. den Präsidentenpalast am Plaza de Armas, hier bei der täglichen Wachwechselzeremonie. Lima hat zwei Seiten. Als es abends dunkel wird und ich im Marktgewühl der ärmeren Randgegenden versinke, bin ich doch froh wieder die etwas besseren Lagen zu erreichen. Das Hitchhikers liegt günstig im Zentrum.
Eigentlich wollte ich die Gelegenheit nutzen, um in der Toyota Werkstatt ein Fehler beseitigen zu lassen, die die Anzeige meldet. Man erklärt mir in der Werkstatt, dass ihr Computer-System den europäischen Computer des Fahrzeugs nicht auslesen kann. Aber es sollte doch ein Liter Motoröl nachgefüllt werden. Das aber haben sie nicht und ich müsste es mir in der Stadt besorgen. Über soviel „Service“ bin ich dann doch etwas sauer. Der Toyota- Pro Ace ist ein Mix aus dem Japaner mit Citroën und Renault. In der Renault-Werkstatt eröffnet man mir, dass grundsätzlich keine fremden Typen zur Reparatur angenommen werden. Also kann ich nur hoffen, in diesem Land keine größeren Probleme zu bekommen.

Ein wenig abseits von der Piste liegt das kleine Fischerdorf La Gramita, in dem man das Gasthaus Las Aldas findet. Ich stehe zwar allein dort, aber der freundliche Gastwirt mit seiner zauberhaften Bedienung zaubert mir in seinem bezaubernden Restaurant mit Blick aufs Meer ein fürstliches Abendmal. Soviel Ambiente bekommt man auf keinem Pauschalurlaub.

In Huanchacho (nahe Trujillo) halte ich mich nicht lange auf. Nächster Ort ist Pimentel, bei Chiclayo. dort treffe ich Santiago, ein Argentinier, der als Backpacker unterwegs ist und nach Lima mit dem Bus fahren will. Er bringt mir beim Abendessen und beim Frühstück auf dem Markt, ein Stück die Lebensweise der Südamerikaner näher, soweit das die Verständigung in englisch zulässt. Leider ist der Stellplatz vor dem Hostel Casa Amelia mehr als mies. Santiago meint, es gibt ein paar schöne Badeorte an der ecuadorianische Küste. Also wähle ich nicht den direkten Weg in Richtung Quito, sondern den an der Küste entlang, damit der Badeurlaub nicht zu kurz kommt. Dafür entfällt Ingapirca, die bedeutendste Inka-Stätte Ecuadors. Man kann nicht alles sehen und muss Prioritäten setzen. Außerdem, wer Machu Picchu gesehen hat, ist hier eher enttäuscht. Weiter entfällt Cuenca, die koloniale Stadt mit besonderem Charme, sowie die Thermalbäder in Baños.

Das Casa Mediteranea in Mancora bietet das, was das Hotel in Pimentel nicht hatte: Einen Stellplatz zwar auf dem Hof des  guten Hotels, dafür aber mit Pool am Strand, und Gastronomie im Ort. Hier gehe ich 3 mal am Tag ins Wasser, was am wilden Pazifik mehr für Surfer ideal ist, weniger zum baden. Einige dieser Badeorte leben heute mehr vom Tourismus, als von der Fischerei.

Auch das letzte Camp in Caleta Cruz, vor Grenze nach Ecuador habe ich wieder für mich allein.
In Ecuador gibt es einige Besonderheiten: Landeswährung ist US-Dollar, Haftpflichtversicherung fürs Fahrzeug ist nicht vorgeschrieben, für die 110-V Stecker braucht man einen anderen Adapter, als in den Nachbarländern. Für besondere Geräte wahrscheinlich einen Transformator. Ladegeräte für Laptop und I-Phone haben i.d.R. keine Probleme, auch nicht mit der anderen Frequenz. Das Wasser braucht in meinem Kocher länger bis es kocht. Gespannt bin ich, ob das Wasser genau ab Äquator wieder im Urzeigersinn abfließt. Diesel bekommt man pro Gallone und kostet nur etwa 0,30 € pro Liter, etwa ein Drittel vom Preis in den Nachbarländern.
Hinter der Grenze fährt man in Ecuador durch riesige Bananenplantagen. Salinas ist ein Touristenort, leider ist der Campingplatz mies und zu weit vom herrlichen Strand entfernt.

Die gut geführte Hosteria Farallon Dillon kurz hinter Salinas hat dagegen eine herrliche Lage am Strand und mit herrlichem Blick. Allerdings von einer größeren Anhöhe mit Leuchtturm aus. Wem das Treppensteigen nicht liegt kann auch im Pool direkt am Leuchtturm baden. Wahrscheinlich weil der Eigner ein Käpt’n war, hat das Anwesen auch ein Museum mit vielen nautischen Ausstellungsstücken. Einige Bewohner aus den weißen Villen der Umgebung kommen Samstags um Gitarren-Musikern zuzuhören. Viel mehr kommen aber Sonntags, um dort zu essen. Stört aber nicht auf dem großen Stellplatz, der insgesamt etwas Besonderes ist. Von der Besitzerin der Hosteria werden auch die Camper freundlich begrüßt.

Montanita ist ein kleiner Touristenort, in dem sich neben Hippies auch Kiffer treffen. Am Traveller Point (ein sehr einfacher Stellplatz mit WC und DU) an dem sich Traveller insbesondere aus den angrenzenden Ländern treffen, bekomme ich eine weitere Lektion zum Entschleunigen. Ich beobachte junge Leute beim jonglieren mit Kegeln (wahrscheinlich um sich an der nächsten Kreuzung ein paar Cent zu verdienen), beim Gitarre spielen, beim Nähen von Bezügen oder beim tagelangen Liegen in der Hängematte. Nachmittags dröhnt Musik aus der Anlage, um Leute zu animieren, hier ein Drink zu nehmen. Leider wird auch Gitarre gespielt bei laufender Musikanlage. Die Südamerikaner lieben offenbar Krach. Aus Erzählungen anderer Gringos weiß ich, dass ich nicht der Einzige bin, den das stört. Kein Mensch hört oder sieht hin, aber in jedem Camp oder in jeder Gaststätte dröhnt der Fernseher.

Entschleunigen ist ein relativer Begriff. Aus Sportlerzeiten weiß ich, dass jeder sein Rhythmus finden muss. Wer sich aus seinem Rhythmus bringen lässt, hat schon verloren. Mein Rhythmus beim Reisen sieht so aus (nach 215 Tagen und rd. 25.000 km in 81 Etappen): Im Schnitt pro Etappe 280 km bei 2,8 Tage Standzeit. Das deckt sich in etwa mit den Reisen durch Asien und Afrika. Wobei Start und Ziel, sowie Dauer der Reise (1 Jahr) selbst gewählten Vorgaben entspricht, die in etwa eingehalten werden. Auch die Strecke weicht vom Plan mehr oder weniger ab, je nachdem, welche Informationen man z.B. unterwegs bekommt.
Fabian ein Motoradfahrer aus der Schweiz, den ich hier traf, und mit dem ich mir ein Container ab Cartagena nach Panama teilen könnte, ist schon 5 Jahre auf mehreren Kontinenten unterwegs und nimmt sich entsprechend mehr Zeit beim kreuz und quer fahren. Ein ganz anderer Rhythmus, bei dem man sich kaum ein zweites mal trifft.

Dann heißt es vorerst Abschied nehmen vom Pazifischen Ozean und dem Strand von Ayampe im  Nationalpark Machalilla. Auf nach Quito, Hauptstadt von Ecuador, die höchste der Welt. La Paz liegt zwar höher ist aber „nur“ Regierungssitz und nicht Hauptstadt.

In Quito stehe ich im Hostel Zentral (https://hostalzentrum.com/wohnmobil-stellplatz) mitten in der Stadt. Gert, der Eigner aus Hamburg, ist 88 Jahre, schmeißt aber den Laden immer noch. Es ist ein deutsch geführtes Haus, d.h. die Frage, ob Wi-Fi überall funktioniert, sollte man sich sparen. Es gibt neben den Hotelzimmern eine Küche für Camper, 220 V-Steckdosen, eine Kneipe in der höchstens dezente Musik läuft und in der man auch arbeiten kann. Und es gibt ein Frühstück wie zu Hause.
Mit dem Fahrrad zu erreichen ist gleich eine Toyota-Werkstatt, die mir sogar helfen kann. Ein Motorölwechsel ist fällig und die Bremsbelege müssen gewechselt werden. Diese gibt es nicht im Original, also werden sie eigens angefertigt.

Zwischen Quito und Ibarra befinden sich die Überreste eines Bauwerks aus der Inkazeit (13.bis 16. Jahrhundert), das den Äquator genauer markieren soll und bereits vor über 1.000 Jahren errichtet wurde (Anlage Quitsato). D.h. die Inkas, die an ihren Sonnengott glaubten, waren z.B. in der Astronomie dem Abendland weit voraus! Während die konservative katholische Kirche noch glauben ließ (Beharren auf Althergebrachtem), die Erde sei eine Scheibe und Mittelpunkt des Universums, konnten die Inka  schon lange die Sonnen- und Erdbahn bestimmen. Der mittelalterliche Papst bezeichnete Kopernikus als Schwätzer. Die Bibel wurde als Waffe gegen Andersgläubige benutzt. Galilei, der das kopernikanischen System verteidigte, erklärte, die Forschung sollte frei von Kirchendoktrin sein. Er, der die Kirche vor einem Irrtum bewahren wollte, wurde von der römischen Inquisition noch 1633 zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt.Ecuador ist das einzige Land in Südamerika, in dem der Äquator an festen, natürlichen Orientierungspunkten verläuft, d.h. wo man die Bahnen der Himmelkörper beobachten kann. Ein paar km nördlich von Quito wurde das Monument La Mitad del Mundo (Stadt Mitte der Welt) an der Stelle errichtet, an der eine französischen Expedition 1736 eine (auf 240 m) genaue Position des Äquators bestimmte. In Zeiten des GPS stellte sich heraus, dass der Äquator tatsächlich 240 m nördlich verläuft. Die unzähligen Selfies (Narzissmus des Jahrhunderts, oder nur nur eine moderne Form der Identitätssuche?), welche belegen sollen, man stehe mit einem Bein auf der nördlichen, und mit dem anderen auf der südlichen Halbkugel, sind an dieser Stelle eine Falschinformation (fake news).

Auch in Iberra gibt es ein von Hans geführtes deutsches Haus, die Finka Sommerwind an der Laguna de Yahuarcocha, die von einigen Campern auch als Langzeitstellplatz (Storage) genutzt wird, um Urlaub vom Urlaub zu machen. Diese Idee hatte ich zwischendurch auch einmal. Aber dann habe ich in Quito über das Panamerikana-Forum das Angebot bekommen, mir mit York einen Container zu teilen, zwecks Verschiffung des Fahrzeuges von Cartagena (Kolumbien) nach Colon (Panama).
Hier halten die Fährgesellschaften richtig die Hand auf. Das Verschiffen ist hier so teuer wie von Hamburg nach Montevideo! Und RoRo-Fähren gibt es nicht, eine Landverbindung sowieso nicht. D.h. ich muss in relativ kurzer Zeit in Cartagena sein.

Übrigens: Dem aufmerksamen Leser dieses Blogs ist vielleicht nicht entgangen, dass die Qualität der Bilder nachgelassen hat, oder dass der langsame Rechner schneller geworden ist.  Das liegt einfach daran, dass ich in aufwändiger Handarbeit die Bilder dieser Reise in WordPress skalieren musste. Erst als der kostenlose Speicher übervoll war, bzw. als es zu spät war, konnte ich keine weiteren Bilder hochladen. Als auch das Skalieren nichts half, musste ich Speicher nachkaufen. Die Freaks haben für so viel Unkenntnis natürlich nur ein müdes und überhebliches Grinsen übrig und behalten ihr Wissen für sich. Ich bin sauer über so eine müde Software, die keinen Hinweis anbietet und mich ins offene Messer laufen lässt.

Auf Reisen sollte man keine Termine haben. Und schon gar nicht, wenn man durch Kolumbien fährt! Durch hunderte Schluchten mit 2.000 m Höhenunterschied, Millionen Kurven, hinter tausend langsamen Tracks und noch mehr Motorrädern. Wer vorbei will, riskiert viel. Autobahnen oder Tunnel gibt es in den Bergen nicht. Kolumbien war bis vor kurzem im Bürgerkrieg versunken. Dann brach der Kapitalismus über das Land ein und schüttete es mit Autos wie mit Müll zu. Jetzt beginnt man die Straßen zu erweitern und abgerutschte Hänge müssen saniert werden. Baustellen verschlimmern die Lage auf viele Jahre. Bei dieser Fahrweise, eingezwängt im Stau, bleiben kaum Möglichkeiten die schöne Landschaft auf Bildern zu bannen. Gleich hinter der Grenze Ecuador – Kolumbien nahe bei Ipiales gibt es z.B. diese in eine Schlucht auf einer Brücke gebaute Kirche (Santuario de las Lajas).

Am Karibischen Meer treffe ich York und Rita in Santiago de Tolu, mit denen ich mir einen Container teile. In Cartagena teilen wir uns auch ein Apartment im 16 Geschoss. Von dort, wie auch vom Pool im 26. Dachgeschoss hat man einen traumhaften Blick auf die sehr schöne Altstadt. In Panama City ist es dann genau umgekehrt.

Die Panamerikana: Mindestens 25.750 Km lang, führt durch 14 Länder, berührt dabei alle Klimazonen der Erde und verbindet Alaska im Norden der USA mit Feuerland an der Spitze Südamerikas. Keine Straße im klassischem Sinne, sondern wie die Seidenstraße ein Netz aus Straßen. Grandios. Wenn da nicht diese lächerlich kleine Lücke wäre, etwa 100 km Urwald im äußersten Südosten Panamas, an der Grenze zu Kolumbien. Ein Katzensprung auf der längsten Traumstraße der Erde.
Die Vereinigten Staaten, die Latein- und Mittelamerika als ihr Hinterhof betrachten, und die nach der „Rückgabe des Panama-Kanals“ weiterhin der „Große Bruder“ panamaischer Politik sind, tun alles, um zu verhindern, diese Lücke zu schließen. Sie fürchten das Einsickern von Rebellen und Drogen, so wie sie heute das Einsickern von Flüchtlingen befürchten und Mauern errichten, an denen auch geschossen wird. Das mit den Rebellen hat sich erledigt, dank des Friedensabkommens in Kolumbien. Bleibt die Einwanderungspolitik Trumps, die sich nicht wesentlich von der in Europa  unterscheidet. In Panama (oder Kolumbien) endet der Mythos Panamericana mitten im Dschungel. Das ist wie Panama ohne „a“, oder Kolumbus ohne Schiff. Das Ende der Zivilisation, ein Hohn auf das Machbare, in einem Land, wo der Panamakanal errichtet wurde (vor über 100 Jahren eine technische und logistische Meisterleistung, ein Jahrhundertbauwerk. Anders als am Suezkanal musste hier noch der Höhenunterschied überwunden werden). Der amerikanische Präsident Roosevelt, der das steckengebliebene Projekt übenahm, begriff den Bau eines Kanals als politisches Vorhaben. 1903 besetzten US-Truppen kurzerhand das damals kolumbianische Gebiet und riefen den Staat Panama aus. Die Kanalzone blieb jedoch in US-amerikanischer Hand und wurde erst Ende 1999 an Panama übergeben. Der Kanal verhalf der USA zu Ihrer globalen Rolle, wie sich schon im 1. Weltkrieg zeigte. Die Ersparnis an Zeit und Treibstoff wiegt heute die Transitkosten bei weitem auf, und für den Kleinstaat Panama sichern die Einnahmen durch die Kanalgebühren rund 1/12 des Staatshaushalts.
Seit dem Bau des Kanals sind zwar die beiden großen Ozeane verbunden, aber Zentralamerika ist nur noch durch drei Brücken miteinander verbunden und zwischen den beiden amerikanischen Kontinenten gibt es gar keine Landverbindung. Auch Versuche eine RoRo-Fähre einzurichten, (zum drauf- und mitfahren, wie in Europa üblich), sind gescheitert. „Verschluss des Darién“ für die Panamaer, ein Stachel im Fleisch für motorisierter Abenteurer, die die schmale Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika mit dem Schiff umfahren müssen. Für mich heißt das: Trennung von Auto (Wohn- und Schlafplatz) und Fahrrad, einen Partner finden, mit dem man die unverschämt, horrenden Kosten der Verschiffung teilen kann, einen Container chartern, einen Agenten finden, der die endlosen Formalitäten im Hafen hilft abzuwickeln, einen Flug nebst Unterkunft in Cartagena und Panama-City zu buchen, ein Mietauto organisieren, um das Auto aus dem Hafen Colon zu holen. Das hört sich vielleicht spannend an, ist aber auch anstrengend bei etwa 35° und 90% Luftfeuchtigkeit wie im Urwald. Glück für mich, dass York und Rita einen Großteil der Organisation übernommen haben.

Die Verschiffung per Container von Cartagena (Panama) nach Colon (Panama), oder umgekehrt, ist praktisch alternativlos. Es sei denn, man setzt gleich bis Mexiko oder bis Los Angeles über. Die Verschiffung der Fracht mit der Fährgesellschaft Seaboard hat über die Agentin Ana Rodriguez (+57 301 4146464, Büro in Cartagena, 10° 23′ 46.7″ -75° 31′ 09.4″) problemlos funktioniert. Ein Schiff fährt 2 mal die Woche und 3 Tage vor Abfahrt sollte man im Büro von Ana sein. Das Fahrzeug muss im Hafen komplett ausgeräumt werden und die Polizei lässt sich mit der Drogenkontrolle leider sehr viel Zeit. Leider hat Ana kein Partner in Colon, der die Auslieferung organisiert. Die kann aber auch allein wie folgt realisiert werden: Mit den Unterlagen von Ana kann der Frachtbrief (Bill of Lading) für den Container im Büro von Seaboard abgeholt werden (Manzanillo Port Administration, neben dem Restaurant, 9° 21′ 50.7″ -79° 52′ 49.4″). Der Frachtbrief muss komplettiert werden um eine Haftpflichtversicherung für Panama für max. 30 Tage (Büro bei Mapfre im Millennium Plaza erfragen, 9° 20′ 39.9″ -79° 53′ 33.3″). Nächste Station ist der Zoll (Manzanillo Port Administration, 9° 21′ 50.7″ -79° 52′ 49.4″). Der Schlüssel für das Fahrzeug ist dann mit vollständigen Papieren (Frachtbrief, Versicherung und Zoll) abzugeben im Manzanillo Terminal RoRo 9° 22′ 01.3″ -79° 52′ 43.9″. Dort kann auch das Fahrzeug abgeholt werden. Insgesamt braucht man etwa für 10 Tage ein Hotel in Cartagena, Panama City und ggf. in Colon. Kosten: 1.300,- USD Container + 100,- USD Hafengebühren Colon. Hinzu kommen Zusatzkosten für Hotel und Flug.

Das war die gefahrene Route (lt. GPS) auf der Panamericana von Santiago de Chiele bis Cartagena in Kolumbien.
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Deutsche Einwanderung in Chile

Auch Chile war betroffen von Kolonialismus, woran Deutschland jedoch nicht beteiligt war. Deshalb soll hier unterschieden werden zwischen Kolonialisten, Kolonisten und Siedler.
Nachdem Kolumbus den Seeweg nach Amerika fand, waren es vor allem spanische und portugiesische  Kolonialisten, die weite Teile Mittel- und Südamerikas eroberten und unter sich aufteilten. Ihre gewaltsame Expansion war verbunden mit Versklavung und Ausbeutung billiger Arbeitskräfte aus den „unterentwickelt“ bezeichneten Völkern. Die einheimischen Sklaven wurden später mit aus Afrika verschleppte Sklaven ersetzt. Fremdherrschaft durch ein Volk aus einer anderen Kultur, durch eine fremde Staatsmacht bedeutet Kolonialismus. Die Aufteilung unter den Mächten zur Wahrung wirtschaftlicher und machtpolitischer Interessen war ein wesentlicher Faktor des Imperialismus bis zum 1.Weltkrieg. Europäische Mächte hatten im Februar 1885 auf der Berliner Konferenz den afrikanischen Kontinent unter sich aufgeteilt. Bis heute sind nur wenige Schritte zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte unternommen worden. In Berlin wird demonstriert, weil im Humboldt-Forum des Berliner Schlosses afrikanische Kunst ausgestellt werden soll, deren Herkunft unklar bleibt. Andererseits gibt es immer noch keine Gedenkstätte, um an afrikanische Opfer rassistischer Gewalt zu erinnern. Mehr als 30 Millionen Afrikaner*innen wurden Opfer von Versklavung und kolonialer Verbrechen, die auch von Deutschland ausgingen. Da Gegenwart und Vergangenheit eng verwoben sind, haben Flucht und Migration heutzutage auch mit damaligem Kolonialismus zu tun.
In der Neuzeit kann Kolonisation auch die Urbarmachung, Besiedelung und Entwicklung durch Siedler und Kolonisten bisher ungenutzter Gebiete eines Staates bedeuten.

Deutsche Minderheit in Chile
Es gab mehrere Einwanderungswellen von Deutschen nach Chile: Ab 1848, 1883, 1933 und nach 1945.
Während der spanischen Kolonialzeit war Ausländern die Einreise nach Chile (damals noch das zum Vizekönigreich Peru gehörende Generalkapitanat Chile) verwehrt, sodass bis ins 19. Jahrhundert bis auf Sonderfälle keine Auswanderungen nach Chile aus deutschsprachigen Ländern möglich waren. Mit der Unabhängigkeit von Spanien 1818 fanden europäische Kaufleute und Handelsreisende in zunehmendem Maß ihren Weg nach Chile. Zentrum der deutschen Kaufleute war Valparaíso.
Auch wenn rein zahlenmäßig die Zuwanderung weit geringer war als beispielsweise nach Argentinien oder Brasilien, war der kulturelle und wirtschaftliche Einfluss in Chile bedeutender. Etwa 500.000 Chilenen stammen von Deutschen ab, für rund 20 bis 40 Tausend ist die deutsche Sprache noch heute die Muttersprache. Ihr Hauptsiedlungsgebiet sind die heutigen Regionen Araucanía, Los Ríos und Los Lagos im Kleinen Süden von Chile.
Die Bedeutung der deutschen Einwanderung für Chile ist jedoch umstritten. Maßgebliche Meinungen reichen von: „Deutsch-Chilenen spielten eine relevante Rolle bei der Herausbildung der chilenischen Nation“, bis: „deutsche Einwanderer hätten sich nie in die chilenische Gesellschaft integriert und sich bis heute kulturell abgegrenzt“.
Die Bezeichnung „Chile-Deutsche“ wird zumeist für Auslandsdeutsche verwendet, die selbst nach Chile auswanderten und im Regelfall noch ihre alte Staatsangehörigkeit besitzen. „Deutsch-Chilenen“ sind hingegen Chilenen deutscher Herkunft, die die chilenische Staatsbürgerschaft, teilweise zusätzlich zur deutschen oder österreichischen, besitzen und deren Vorfahren seit mehreren Generationen in Chile leben. Viele von ihnen haben Deutsch nur als Fremdsprache erlernt.
Die erste deutsche Einwanderungswelle begann im Jahr 1845 mit dem Gesetz zur gesteuerten Einwanderung (ley de inmigración selectiva), mit dem der noch junge chilenische Nationalstaat die menschenleeren Gebiete im sogenannten kleinen Süden, die an das Mapuche Land grenzten, besiedeln wollte. Gesteuerte Einwanderung hieß, die anzuwerbenden Siedler hatten katholisch zu sein, sowie über mittlere bis höhere Bildung zu verfügen. Da die katholische Kirche in Deutschland gegen die Kolonisierung war, gelang es jedoch nur, Protestanten anzuwerben. Um zu verhindern, dass europäische Mächte wie Frankreich oder Großbritannien das von Chile beanspruchte und nahezu unbesiedelte Land für sich in Besitz nehmen konnten, plante die chilenische Regierung die Ansiedlung von Kolonisten südlich des Herrschaftsbereichs der Mapuche in den späteren Provinzen Valdivia und Llanquihue. Mit der gescheiterten Deutschen Revolution von 1848/49 sah man in Deutschland die Chance gekommen, deutsche Auswanderer als Kolonisten für Chile zu gewinnen, die rund um den Llanquihue-See angesiedelt werden sollten. Die ersten deutschen Kolonisten, bzw. Siedler fanden eine fast menschenleere, von Urwald beherrschte Gegend vor, die erst urbanisiert werden musste. Auch Puerto Montt, Valdivia und Osorno sind Städte, die für die deutsche Kolonisation in Chile symbolisch sind. Nachdem 1912 die Eisenbahnlinie zwischen Santiago und Puerto Montt fertiggestellt und das deutsche Siedlungsgebiet endgültig an die chilenischen Zentralregionen angeschlossen worden war, kam es zu einem stärkeren Bevölkerungsaustausch zwischen den beiden Regionen und damit zu einer verstärkten kulturellen Annäherung.
Die Machtübername der NSDAP in Deutschland führte zu einer neuerlichen Einwanderungswelle. In den 1930er Jahren schlossen sich mehr als 1000 Deutschstämmige der 1931 gegründeten NSDAP/AO in Chile an. Nach 1933 verließen viele politische Flüchtlinge und deutsche Juden Deutschland und suchten eine neue Heimat. Aufgrund der bestehenden deutschsprachigen Gemeinde war Chile auch in dieser Zeit ein Ziel vieler Auswanderer. Zwischen 1933 und 1941 emigrierten 15.000 Juden aus Deutschland nach Chile. Mitte der 1930er Jahre war der größte Teil des Ackerlandes um die Städte Valdivia und Osorno von Chile zurückgefordert worden. Einige deutsche Einwanderer zogen weiter nach Süden.
In Puyuhuapi, das mal Waldhagen hieß, in der Region Aysén, siedelten deutsche Einwanderer zusammen mit angestellten Arbeitern aus Chiloe und gründeten mit Zustimmung des Ministeriums für Landangelegenheiten und Kolonisation den Ort am 10.1.1935.(1) Einer der ersten war der Forscher Hans August Grosse, der den Puyuhuapi-Fjord erkundete. (1) Luisa Ludwg Winkler, „Puyuhuapi war Waldhagen“
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren es dann Faschisten, die Zuflucht in Südamerika fanden. Auch viele Vertriebene aus den Ostgebieten verließen Deutschland in den 1940er und 1950er Jahren und kamen nach Chile.
Anfang der 1960er Jahre wanderte der Laienprediger Paul Schäfer, der 1961 wegen Kindesmissbrauchs aus der BRD geflüchtet war, mit etwa 200 Anhängern nach Chile aus und gründete bei Parral die Colonia Dignidad.  Erst ein Film (2015 „Es gibt kein Zurück“) lenkte die Aufmerksamkeit in Deutschland auf dieses Thema und unbewältigten Vergangenheit. Die deutschen Siedler lebten unter einem von Schäfer angeführten Regime des Terrors und des religiösen Fanatismus. Während der Diktatur von Augusto Pinochet war es ein Haft- und Folterzentrum. Außerdem wurden Kinder in ihren Unterkünften sexuell missbraucht und gefoltert. Nach dem Militärputsch unter Augusto Pinochet 1973 verließen zahlreiche Oppositionelle das Land. Viele fanden Zuflucht in der BRD, als auch und vor allem in der DDR. Im Gegensatz zur Botschaft der DDR stand die Botschaft der BRD in Chile auf der Seite der Militärdiktatur. Etliche gründeten in Deutschland Familien und kehrten nach dem Ende der Militärdiktatur 1990 mit diesen nach Chile zurück.

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Patagonien, Feuerland

Auf direktem Weg von Buenos Aires geht es wieder ans Meer. Über 3.000 km an der Atlantikküste entlang  durch Patagonien, ans Ende der Welt, durch endlose Steppe, Graslandschaften und Wüste. In dem Badeort nach Mar del Plata, in dem es zu wenige Gaststätten gibt, ist es noch heiß. Ein Tscheche mit seinem vierradangetriebenen Jeep, der mit auf dem Campingplatz steht, fährt direkt an den Strand, was mit dem Toyota nun gar nicht geht. Wer laufen muss, verbrennt sich die Fußsohlen in dem herrlichen Sand am Strand, hinter den Dünen. In Bahia Blanka findet sich nach langer Fahrt wieder einmal kein Campingplatz. In irgendwelchen Plänen eingezeichnete Plätze sind geschlossen, existieren nicht mehr oder sind sonst was. Aber an einer YPF-Tankstelle mit Motel kann man ruhig stehen und hat Restaurantanschluss. Trotzdem kein Ort zum Verweilen. Also geht es auf kurzem Weg weiter nach El Condor, auf einen Campingplatz gleich hinter der Straße am Meer. Auf dem Weg nach Las Grutas, auch ein kleiner Badeort, liegt in San Antonio Oeste ein Hafen ohne Wasser. Die noch intakten Schiffe liegen auf dem Trocknen. So sieht es aus, wenn man kommt und gerade Ebbe ist. Nur hier in der Hitze gibt es keinen Schlick wie an der Nordsee, sondern nur ausgetrockneter Sand und Salz. Auf der Halbinsel Valdez findet sich ein Campingplatz in Puerto Piramides. Um im Reservat Elefantenrobben und Pinguine zu beobachten, muss man sich über zig km staubige Schotterstrecken heranrobben. Auch Armadillos laufen dort rum, die wie kleine Stachelschweine aussehen. Um südlichen Glattwale zu sehen, muss man aufs Meer rausfahren und Glück haben. Ein erhebendes Erlebnis, deren riesen Schwanzflosse direkt unterm Schlauchboot zu sehen. Leider habe ich den „Farbfilm vergessen“. D.h. nicht vergessen, sondern nicht dabei, weil ich eigentlich nur baden wollte und zufällig dort ein Boot ablegte. Das letzte in dieser Saison, denn Glattwale sind hier zur Fortpflanzung nur von März bis Dezember und ziehen dann zur Nahrungssuche weiter südlich. So wie ich. Bis Playa Union ist es nur ein Katzensprung. D.h. der Begriff ist relativ. Für Alex ist es eine Tagestour …. mit dem Fahrrad. Er fährt die gleiche Strecke durch Südamerika. Wegen der endlosen, schnurgeraden Straßen durch die Steppe steigt er um und fährt mit im Toyota. Auf dem Träger passen 2 Fahrräder. Da wieder mal keine offene Kneipe zu finden ist, stoßen wir am Weihnachtsabend auf dem Campingplatz mit Bier an. Plötzlich Mitternacht fängt es an zu ballern. Die Argentinier feiern in Weihnachten hinein, d.h. Weihnachten beginnt erst Mitternacht, und sicher gibt es jetzt im Ort in einigen Imbissständen auch Bier, was dort sonst nicht verkauft werden darf. Unterwegs sind neben der Straße viele Guanakos und einige Emus zu sehen. Man soll achtgeben auf Wildwechsel. In Fitz Roy, ein kleiner Ort, nach dem großen Berg benannt, wird es windig und kalt. Auf dem Campingplatz in Commandante Luis Piedrabuena kann man im Fluss baden. Abends kommen Bekannte von Alex dazu. Ein junges Pärchen aus Argentinien, die mit dem Auto unterwegs sind. Gemeinsam geht es weiter zu einem Campingplatz kurz vor Rio Gallegos. Unterwegs wandern wir zu einer Pinguinkolonie am Ponte Leon und am nächsten Tag, kurz vor der Grenze, zur Laguna Azul, einem See im Vulkankrater. Der Grenzübergang nach Chile ist problemlos. Ein Stempel im Pass und ein Schein fürs Auto, der beim Verlassen des Landes wieder abzugeben ist.

Feuerland

Kurz und entspannt ist die Überfahrt mit der Fähre nach Feuerland. Weniger entspannt ist der Grenzübergang von Chile zurück nach Argentinien. Beide Grenzstationen liegen einige km auseinander. Dazwischen Waschbrett-Schotter-Piste. Und eine fast fertige Baustellenpiste mit Asphalt, die ich verbotener Weise nutze, worüber sich die beiden Argentinier totlachen. Die Annahme, dass die Abfertigung auf der argentinischen Seite erfolgt, war falsch. Wir müssen zurück um den chilenischen Stempel zu holen. Zu allem Überfluss finden sich anschließend wieder mal nicht die Campingplätze an der erwarteten Stelle. Es wird spät und wir finden zufällig einen free Campingplatz (d.h. einen wilden, ohne Wasser und ohne WC) an der Strecke. Auf der gesamten Fahrt ist an beiden Seiten der Straße ein Zaun gezogen. D.h. man kann sonst nicht so einfach an der Strecke halten und campen. Zufällig sehen uns die beiden Argentinier im nachfolgenden Auto auf dem free camp. Alex zaubert noch am Gaskocher eine Suppe für alle. Am nächsten Morgen steigt Alex wieder aufs Fahrrad um und fährt den „Rest“ bis nach Ushuaia.

In Ushuaia gibt es für mich einiges zu regeln. Ein Päckchen mit der verlustig gegangenen, neuen Visa-Karte sollte nach 3 Wochen hier sein, ist es aber nicht. Also warten. Und dass bei inzwischen ziemlich strenger Kälte, etwa wie in Deutschland. Da macht Camping nur noch für hartgesottene Spaß. Ich ziehe ins Hotel und verschlafe dort Sylvester. Dann nehme ich mir Zeit, um ein Gutachten fertig zu machen. Dann soll noch Geld über  Western Union beschafft werden, weil argentinische Banken etwa satte 10,-€ Gebühren gleich am Automaten einbehalten. Umgerechnet pro 100,-€ wohlgemerkt, denn mehr gibt es hier nicht am Automaten. Deutsche Banken schlagen dann noch mal ihre Beteiligung am Umsatz drauf. Etwa 15% Gebühren für die Banken. Letztendlich holen sich alle „Finanzinstitute“ die gleiche, überhöhte Rendite bei „Ihren Kunden“, die dann, wenn die Banken mal wieder in Schwierigkeiten sind, auch noch retten müssen. Verrückte Welt. Dazu kommt, dass Western Union nicht an den im Internet angesagten Plätzen zu finden ist und nicht immer über Geld verfügt. Argentinien steckt nach der letzten großen Finanzkrise wieder oder noch in einer schweren wirtschaftlichen und finanziellen Krise, was man sonst im gewöhnlichen Gewimmel auf der Straße nicht sieht. Alles läuft irgendwie weiter. Genial diese sog. „soziale“ Marktwirtschaft. Western Union ist keine Alternative, weil die sich neben den Gebühren noch am Wechselkurs beteiligen. Die DKB-Bank hält, bezogen auf die vorgenannten einheimischen Bankgebühren am Automaten, ihr Versprechen nicht, keine Auslandsgebühren zu erheben. Am besten bezahlt man alles direkt mit Kreditkarte, soweit möglich. Tankstellen z.B. zahlen die Differenz zu einer höheren als der konsumierten Summe als cash-Kredit.

Von Ushuaia geht’s zurück nach Chile. An der Grenze ziehen dunkle Gewitterwolken auf. Da stehen zwei Backpacker, die ich mitnehme, da es auch noch anfängt zu schneien. So werde ich auch mal zum erlösenden Engel, die mir schon oft aus der Patsche geholfen haben.

  

Von Porvenier, das nur über Schotter zu erreichen ist, fährt die Fähre nach Puerto Arenas, aber erst wieder am nächsten Tag. Als ich in der Schlange stehe, um einzuchecken, stehen die aus Sangt Petersburg kommenden Mädchen, die eigentlich zu den Pinguinen wollten, hinter mir. Auf der Fähre lässt uns der Käpten, der ganz angetan ist von seinen russischen Gästen, auf seine Brücke. Macht es der rote Stern an der Mütze der Dienstuniform? Puerto Arenas bietet zwar einen tollen Ausblick, aber wieder mal kein Campingplatz. Also schlafe ich im Bungalow, nachdem es im Hostel für mich gar nicht gastlich war. Abends sperrt die Polizei den Platz vor dem Restaurant ab, in dem ich ein Bier trinke, weil in einer abgestellten Tasche Sprengstoff vermutet wurde. Einerseits besser als Fernsehen, andererseits hätte es auf dem Logenplatz hinter großen Schaufensterscheiben auch sehr ungemütlich werden können, wenn die Vermutung, bzw. die vom gepanzerten Sprengstoffexperten geschüttelte Tasche, explodiert wäre.

 

Puerto Natales ist Ausgangspunkt für den Nationalpark Torres del Paine. Auf dem Weg dorthin (wieder über Schotterpiste) stehen wieder die beiden Backpacker per Anhalter, und wir setzen die Fahrt gemeinsam fort. Faszinierend nicht nur die herrliche Berglandschaft, sondern für mich auch die Begeisterung der jungen Mädchen, die dies auch zeigen können. Ich werde mit Wehmut an meine Jugend erinnert, mit Ausnahme der heute üblichen Art Begeisterung zu artikulieren. Lässt die Begeisterung nach, wenn man (fast) alles gesehen hat? Vielleicht habe ich mir einen Rest erhalten, weil ich ja erst spät angefangen habe, die Sehenswürdigkeiten der Welt zu sehen. Zu guter Letzt erscheint hinter dem Bergmassiv der Torres (Towers). In diese Richtung wollen die Mädchen am nächsten Tag wandern, unsere Wege trennen sich. Ich lasse mich auf einem free Camping im Park nieder, nachdem ich mir noch den Wasserfall angeschaut habe.

Anderntags auf der Weiterfahrt mache ich einen Abstecher und entdecke rein zufällig das Hotel Tierra Patagonia am Lago Tel Torro. An der Straße kein Hinweisschild und von außen nicht zu ahnen, dass hier ein top Luxushotel steht. Ich werde vom Manager empfangen und zum Restaurant mit einer überwältigenden Aussicht geführt. Der bestellte Cappuccino geht aufs Haus, meint der Barkeeper anschließend. Na das nenne ich ja mal nobel. Hier würde ich gerne die Seele baumeln lassen, aber das sprengt wohl mein Travellerbudget. Nach dem Preis frage ich erst gar nicht, das schickt sich hier wohl nicht. Die oberen 10tausend schauen nicht aufs Geld, sie haben es.

 

El Calafate ist der Ausgangspunkt für den Nationalpark Los Glaciares mit dem Gletscher Perito Moreno. Keinem Gletscher kommt man so nah wie diesem, der als Weltnaturerbe unter UNESCO- Schutz steht. Es ist wohl die größte Touristenattraktion in Argentinien. Über Stahlgitterwege erreicht man nach wenigen Kilometern die bis 70 Meter hohe Eiswand. Je näher ich komme, höre ich ein drohendes Donnern. Nein das ist kein aufziehendes Gewitter, es ist das brechende Gletschereis, was sich langsam aber beständig weiterschiebt (pro Tag ca. 1,5 m) und regelmäßig abbricht. Kleinere Abbrüche kann ich beobachten, die einen kreisförmigen Eisring hinterlassen. Ich frage mich, wie es dem relativ kleinen Touri-Boot vor dem Gletscher ergeht, wenn es nach einem größeren Abbruch in den Tsunami kommt. Den letzten größeren Abbruch gab es Mitte März 2018, als eine aus Gletschereis geformte Brücke zum Festland zusammenbrach. Da es nachts geschah, hat dieses Naturereignis kein Tourist beobachten können, das seit 2004 alle 2 bis 4 Jahre auftrat. Als wolle die Wolke auf die Gefahr hinweisen, zeigt sie im Foto mit der Spitze auf die Stelle, an der die Eismassen den Zufluss zum Lago Argen Tino verstopfen. Mit steigendem Wasserdruck bricht das Eis. Anders als viele andere Gletscher verliert der Perito Moreno nicht an Größe. Dass es sich bei einem Abbruch nicht nur um ein natürliches Phänomen handelt, sondern auch um eine Folge des Klimawandels, zeigt sich daran, dass es vor 2004 16 Jahre keinen Abbruch gab.

 

 

 

 

Neben dem Lago Argentino, am Lago Roca liegt dieses, von Cristian in Buenes Aires empfohlene, Camp. In der Woche campt oder zeltet hier kaum ein Mensch, so dass man das Gefühl hat, in freier Natur zu stehen. Einziger Nachteil: Eine Anfahrt über 30 km Waschbrett-Schotter mit dicker Staubwolke. Als Entschädigung kann der Naturliebhaber (mit DU, WC und Restaurantanschluss) hier die Seele baumeln lassen.
So sitze ich nur da und starre in die Ferne. Keiner fragt mich was ich da mache. Oder schlimmer: keiner meint, ich könnte doch was Nützliches tun. Das erinnert mich an DDR-Zeiten, an mein Nischendasein im Garten mit Bungalow und denke über Raum und Zeit nach. „Der Kapitalismus ist laut Marx die Vernichtung des Raums durch die Zeit. Gewinn wird durch Zeitgewinn erzielt. Das war im Sozialismus unbekannt. Du konntest Zeit verschwenden, weil du dir deiner Zukunft sicher warst“. Das meint der Regisseur Goldstein zu seinem in Deutschland gerade angelaufenen Film „Adam und Evelyn“. Er beschreibt die Seelenlage einer Generation, die weder in der DDR noch in der BRD jemals ohne Vorbehalt angekommen ist. In der DDR Nischenbewohner, heute immer noch. Das Ende der DDR mal aus einer anderen Sicht.
Dann gab es aus meiner Sicht noch die, die zwar in der DDR, aber immer noch nicht in der BRD angekommen sind. Deren Seelenlage wird noch immer ausgeblendet.

 

Schon 50 km vorher sieht man die Silhouette des Bergmassivs, aus dem der Fitz Roy herausragt, und an dessen Fuße der kleine Ort El Chalten liegt. In El Chalten scheinen sich die Touristen aus aller Welt zu treffen. Zumeist sind es Backpacker, die schwer an ihrer Last tragen und in Zelten schlafen, Regen und Kälte zum Trotz. Auch zahlreiche Fahrradfahrer und einige Pauschaltouristen. Die vielen Gaststätten sind gut besucht. Auf dem Camp treffe ich die beiden Argentinier wieder, die ich über Alex kennenlernte und die nicht über Chile reisen wollen, warum auch immer.

In der Hoffnung einen besseren Blick zum Fitz Roy zu bekommen, fahre ich wieder über 35 km Schotterpiste zum nächsten Camp. Den 3.406 m hohen Berg bekomme ich dabei nicht näher zusehen, dafür wieder herrliche Natur, weit ab von der Zivilisation, im National Park Los Glaciares. Beim Aufstieg zum Gletscher Huemul sind vom Camp aus 700 Höhenmeter in 2 km „Wanderweg“ zu überwinden. Z.T. so steil, dass Seile gespannt wurden.

 

Dann wieder endlose Straßen durch die flache Steppenlandschaft nach Puerto Moreno. Von Westen ein derartiger Wind in Böhen, dass ich aufpassen muss, nicht vom Asphalt gefegt zu werden. Das Profil des rechten vorderen Reifens wird durch das ständige Gegenlenken einseitig abgefahren. Auf einigen Camps hatte ich Gelegenheit mit deutschen Travellern über ihre gefahrene Strecke zu reden. Daher fällt in Puerto Moreno meine Entscheidung durch Chile zu fahren, die landschaftlich schönere Straße Nr.7 (Carretera Austral) entlang. Also nicht durch Argentinien über Bariloche, „was auch nur ein Touristenort ist“. Auf dem Camp in Chile Chico (mit Restaurant und Banos im Schiff auf Trockendock, http://www.hosteriadelapatagonia.cl) zeigt mir Mauricio sein DDR-Kennzeichen. Er hat in Umbruchzeiten die Anarchie und den Trabi schätzen gelernt. Genervt von staubigen Schotterpisten (Ripio) nehme ich in Chile Chico die Abkürzung mit der Fähre und fahre nicht um den Carrera Lake herum. Auf der kleinen Fähre wird es eng. In Ferienzeiten ist es besser sich vorher ein Ticket zu kaufen, um nicht ein paar Tage warten zu müssen. Bei Wellengang schwappt das Wasser weit über die Rampe.

 

 

 

 

Auf dem Weg nach Coyhaique verliere ich bei einem Fotostop den Photoapperat, was mir erst beim nächsten Landschaftsmotiv auffällt. Also fahre ich zurück und finde nach etwa 10 km tatsächlich den Apparat im Gras wieder.

 

 

Unterwegs nach Puyuhuapi kann man in Puerto Aysen die Presidente-Ibáñez-Brücke bestaunen, eine einspurige Hängebrücke, die den Fluss Aysén überquert. Dann verlässt mich das Glück. Wie ich auf das Camp in Puyuhuapi einfahre, zerbricht das Kugellager der Antriebswelle, was sich schon lange vorher durch unbekannte Geräusche angekündigt hat. Der einzige Mechaniker ohne Werkstatt im Ort kann das Teil zwar ausbauen, aber nicht für Ersatz sorgen. Diesen Typ von Toyota (ein Mix mit Peugeot und Citroën) kennt in Chile keiner, auch nicht die nächste Toyota-Werkstatt im 250 km entfernten Coyhaique. Also muss das Ersatzteil in Deutschland bestellt werden. Das kostet vor allem Zeit, weniger Geld. Am teuersten ist der Transport mit DHL. UPS wäre 3 x teurer, nicht schneller und nicht zielgenau. Ich muss mich wohl für längere Zeit hier einrichten.

 

 

Puyuhuapi ist ein kleiner Ort am Ende der Welt ohne Post oder Postleitzahl. Ein Ort mit deutschen Wurzeln, der mal Waldhagen hieß. Darüber hat Luisa Ludwig Winkler ein Buch geschrieben. Sie ist hier geboren und hat in Deutschland studiert. Walter Hopperdietzel war einer der Gründer in den 30er Jahren, die sich hier niedergelassen haben. Fritz, sein Neffe, betreibt hier eine Tankstelle, und dessen Schwester Ursula die Hosteria Alemana. Sie alle sprechen gut Deutsch und helfen mir die Reparatur zu organisieren. Zuhause helfen mir rettende Engel das begehrte Ersatzteil zu besorgen und nach Chile zu schicken.
Gelegenheit Land und Leute etwas näher kennenzulernen. Zudem muss ich mich mit den Gegebenheiten auf dem Platz vor dem Campingplatz arrangieren. Der Eigner des Camps wollte nicht, dass ich auf seinem Platz stehe. Hat er Pech gehabt. So verbringe ich die Zeit wenigstens ohne Unterkunftskosten. Andererseits stehe ich zwar in wunderschöner Umgebung, aber auf einem miserablen Parkplatz. Die Zeltler auf dem Camp wechseln jeden Tag, ein ständiges Kommen und Gehen. Meist sind es chilenische Packpacker, Autofahrer oder Radfahrer, die in ihren Zelten schlafen. Gut, dass ich Strom im Fahrzeug habe, denn die 2 Steckdosen sind ständig besetzt, wie die 3 Toiletten für um die 30 Leute. Ich höre den Lärm des fröhlichen Jugendlebens auf dem Camp bis früh um 4 und beobachte die vielen freilaufenden Hunde, die in Südamerika einen gewissen Schutz genießen, wie Kühe in Indien. Hier im Ort sind sie zumindest friedlich. Lästig ist jedoch deren kleffender Lärm. Hinzu kommt, das jedes Auto hundert Türen und seine eigene Musik hat, und jeder Stellplatz seinen Grillplatz mit Holzfeuerung. Lärm wird hier hingenommen. Anders als in Deutschland, wo sich z.B. ein Ehepaar gerade vor dem Münchener OLG wehrt, weil es sich von den Kuhglocken auf der nachbarlichen Weide gestört fühlt.
Auf dem Platz steht ein Notstromdiesel, der aber selten läuft. Allerdings läuft immer irgendein Autodiesel im Stand,  was entweder von Rücksichtslosigkeit oder Unwissenheit zeugt. Vor fast jedem der meist einfachen Holz- und Blechhütten im Ort steht ein Auto, oft mit 4-Radantrieb. Geheizt wird mit Holz. Auch im Sommer, in dem die Temperaturen nachts bis Null und tags bis 36 Grad wochenweise schwanken. Der Ruß und ein Teil der Asche gehen als Feinstaub durch den Schornstein, als Rauch, wie bei Schiffsdiesel. Nur dass die mit Schweröl fahren und eine mehr gelbe, schwefelhaltige Dunstfahne hinterlassen. Fast wie im Geirangerfjord, in Norwegen ein beliebtes Ziel für Kreuzfahrtschiffe und eine Art „geschlossener Kessel mit Wasserzugang“.
Die Müllabfuhr funktioniert, wenn auch nicht immer. Jedoch wird Müll noch nicht getrennt. Luisa versucht im Ort eine Mülltrennung zu initiieren. Das funktioniert nur sporadisch, wobei Flaschen und Dosen wieder aus der Mülltonne gefischt werden. Das erinnert an junge Pioniere in der DDR, die Flaschen und Altpapier gesammelt haben, dafür aber auch Geld bekommen haben. Im alten Deutschland, wo wesentlich mehr Müll produziert wird als z.B. in Chile, gibt es Lebenskünstler, die nur ein Glas voll Müll im Jahr hinterlassen (Zero-Waste-Bewegung)! In Afrika habe ich Dörfer gesehen, in denen Selbstversorger gar keinen Müll hinterlassen. Trotzdem hinterlässt die Weltbevölkerung täglich 3,5 Millionen Tonnen Müll! Die Lösung sollte irgendwo zwischen Null und 3,5 MioT liegen. Die wird es in einer freien Marktwirtschaft aber nicht geben, weil niemand die Industrie daran hindert vermeidbaren Müll zu produzieren, an dem sie fett verdient.

Mein minimalistisches Leben auf einem Parkplatz wird lediglich unterbrochen von Ausflügen mit dem Fahrrad. Z.B. in das kleine Puyuhuapi, oder in das 6 km entfernte Naturthermalbad, wo man gleichzeitig in das kalte Fjordwasser des Pazifiks steigen kann.
Oder zum 25 km entfernten, und ziemlich beeindruckenden Wasserfall Ventisquero Colgante im Queulat National Park, der vom Hanging Glacier gespeist wird und in die Lagune fließt.

Und wie ich so in Patagonien rumstehe, höre ich, dass im 1. Deutschen Fernsehen „Rote Rosen“ läuft. Immer noch mit bekannten Gesichtern, wie den Hotelier Flickenschild oder dem Bürgermeister von Lüneburg. Natürlich auch mit neuen Protagonisten und neuen Lebensläufen in einer neuen Staffel. Diesmal will ein neues Pärchen ausgerechnet nach Patagonien auswandern. Da wollte der Anwalt mit dem Fahrrad schon lange mal hin. Die Endlosschleife läuft schon Jahre, z.B. um 9 zum Frühstück. Man kann die Serie auch mal 1 Jahr nicht sehen, ohne anschließend das Gefühl zu haben, etwas verpasst zu haben. Man sieht bekannte Gesichter und findet schnell wieder Anschluss. Ach wie gemütlich ist es doch zu Hause.
Nach 3 Wochen ist es endlich so weit: Das Ersatzteil ist innerhalb der von der Post versprochenen 13 Tage angekommen. Adressiert an ein Hotel in der nächstliegenden Stadt La Junta, da Puyuhuapi ja keine Poststation hat. Ein Anruf von Fritz genügt und das Paket kann zwischen Coyhaique und La Junta abgefangen werden. Der Bus hat zwar 1 Stunde Verspätung, aber der Busfahrer händigt es Fritz wie verabredet aus. Es ist zwar Sonntag, aber der Mechaniker kommt und baut das Teil, was Gott sei Dank auch passt, wieder ein. Aber er findet die Nachfüllöffnung für das Getriebeöl nicht. Erst eine Zeichnung, nach der 4 Mechaniker in der Berliner Toyotawerkstatt lange im Internet suchen, hilft weiter. Und weiter geht es, nachdem ich mich am Vorabend noch von Luisa und Fritz bei einem Glas Wein und Bier verabschiedet habe.
Auf dem Weg nach Puerto Mont kann man sich in Chaiten entscheiden, die Fähre nach Quellon (Insel Chiloe) zu nehmen oder auf der Carretera Austral (7) zu bleiben. Nach Hornopieren fahren 2 Fährgesellschaften, entweder direkt, oder gesplittet mit 2 Fähren. Ich entscheide mich für die schönere Route auf der noch nicht durchgängig asphaltierten Straße 7, und übernachte im Urwald, unweit eines erst 2008 ausgebrochenen Vulkans, auf einem schmalen Camp am See, auf dem für jeden Autostandplatz eine Hütte am Wasser zugeordnet ist. Einsam, ruhig und romantisch.

 

 

Bis Autocamper, die nachts um 10 anreisen, und rücksichtslos mit einem hunterttürigen Auto die herrliche Ruhe stören und auf dem ihnen nicht zugeordneten Platz zelten. Früh sind sie vor dem Aufstehen wieder weiter, natürlich nicht ohne ihre hundert Türen zu schlagen und dabei den Diesel laufen zu lassen. Das ist der Fluch und Segen, den die Straße 7 mit dem nachfolgenden Massentourismus mit sich gebracht hat. Andrerseits hat sie die Nachfahren der Siedler aus ihrer Einsamkeit befreit und das Gebiet südlich von Puerto Mont erst an den Rest der Welt angeschlossen.
Auch Puerto Mont wurde einst von deutschen Kolonisten urbar gemacht. Wie Puyuhuapi, das von deutschen Siedlern gegründet wurde. Auf den kleinen Unterschied zwischen Siedler und Kolonisten, nicht zu verwechseln mit Kolonialisten, verweise ich im politischen Teil dieses Blogs unter dem Titel „Deutsche in Chiele“.
Das Buch, welches mir Luisa mit auf dem Weg gegeben hat, beschreibt sehr eindrucksvoll, wie mühsam diese Orte besiedelt und dem Urwald entrissen wurden, bzw. wie aus Waldhagen Puyuhuapi wurde. Ich suche nach Motivationen, warum Menschen diesen schweren Weg aus der geschlossenen Heimat in die offene Wildnis, oder in ihr selbst verschuldetes Elend gegangen sind.
Auf dem Camp in Lllanquhue stehe ich direkt am Lago Lllanquhue und beobachte die Backpacker, wie sie morgens weitertrampen. Da aber hier die zum Camp gehörende Familie das angrenzende Restaurant total in Beschlag nimmt, wo ich hätte arbeiten können, ziehe ich weiter. In Südamerika ist es üblich, dass das Leben der Familien, die einen Campingplatz anbieten, mit dem der Camper unmittelbar und räumlich verquickt ist. D.h. die Familie inmitten der Camper lebt und umgekehrt.

In Fruttilar erinnert ein Museum an die Zeit der deutschen Kolonisten. In Puerto Octay ist ein Camp, das so ruhig ist, dass ich mich vom Stress der Campsuche erholen kann. Der kleine, ruhige und idyllische Ort erinnert mit seinem satten Grün an Heimat, wenn nicht auf der anderen Seite des Sees der über 2.600 m hohe Vulkan Osorno drohen würde. Abends gerate ich zufällig in ein kleines Konzert, u.a. mit einem Minueto von Bach, was man hier eher nicht vermutet. Leider wieder mal ohne Fotoapparat, weil ich ja eigentlich nur ein Bier trinken gehen wollte.

 

 

 

 

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Brasilien nach der Wahl

Mit der Wahl Bolsonaros als Präsident Brasiliens, dem größten Land Lateinamerikas, ist der Rechtsruck auf dem Subkontinent, der ein Jahrzehnt lang mit wenigen Ausnahmen von linken und gemäßigt linken Regierungen gelenkt wurde, besiegelt. Nach der Wahl schwor er vor Gott, dass er die Verfassung, die Demokratie und die Freiheit verteidigen und gegen Sozialismus, Kommunismus, Populismus vorgehen will. Als Rechtsextremist will er Linksextremismus bekämpfen. Die Kriminalität soll mit einem Freibrief für Polizisten für das Töten mutmaßlicher Verbrecher bekämpft werden. Funktionieren demokratische Institutionen nicht, die sich in der jungen Demokratie des Landes entwickelt haben, besteht die Gefahr, dass das Land auf ein autoritäres Regime zusteuert, in dem Gewalt, Hass und Verfolgung zur Norm werden. Die Brasilianer hatten die Nase voll von den jahrelangen Korruptionsskandalen und einer massiven Wirtschaftskrise seit 2012, die eine Unzufriedenheit ausgelöst hat, die sich Bolsonaro zunutze machte. Da wo die asphaltierten Straßen enden, hinter den weißen Hochhäusern am Strand, ist die Wohnungsnot groß. Die Strom- und Abwasserversorgung ist improvisiert und fällt oft aus. Die ständig steigenden Mieten können sich die meisten Bewohner nicht mehr leisten und landen zwangsweise in den Fawelas („Armen-“ oder „Elendsviertel“ in Randlagen der großen Städte Brasiliens). So gesehen haben die Brasilianer auch für einen Neuanfang gestimmt.
In der Regierungszeit „Lula“ da Silvas (Präsident 2003 –2011) wurden Millionen Menschen durch Sozialprogramme aus der Armut befreit. Als jedoch ein gigantisches Korruptionsnetz ans Licht kam, in die Lula verstrickt wurde, wurde er von der technokratischen Dilma Rousseff abgelöst. Aus Enttäuschung wurde Wut, die sich von Lima auf seine gesamte politische Klasse übertrug. Für die Linke blieb Lula ein „politischer Gefangener“, weil ihm seine Vergehen nicht nachgewiesen wurden. Für die Rechte ist er der „größte Verbrecher“. Der Widerstand der Eliten gegen soziale Veränderungen in einem der ungleichsten Länder der Welt ist jedoch groß. Die Hälfte der Kongressmitglieder stand unter Verdacht, sich bereichert zu haben. Das war der Ausgangspukt vor der Wahl.
Der stärkste Konkurrent Bolsonaros, der ehemalige Bürgermeister der Millionenmetropole São Paulo Fernando Haddad, wurde von Lula ins Rennen geschickt und hatte daher nur eine geringe Chance. Hinter Haddad stehen linke Parteien, wie die Kommunistische und die Sozialistische. „Ele Não!“ (Nicht er), protestierten Hunderttausende Brasilianer vor der Wahl gegen den rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten. Ein brasilianischer Philosoph nannte Bolsonaro einen Faschist. Andere befürchten einen Rückfall in eine Militärdiktatur. Einige fragen sich, wohin sie wohl am besten auswandern. Für die vielfältigen sozialen Bewegungen (die feministischen, indigenen, afrobrasilianischen, gewerkschaftlichen, queeren und anderen) kommen harte Zeiten, ohne die Brasilien nicht mehr bunt und fröhlich wäre.
Die Masse des Wahlvolkes hat jedoch (noch) nicht gescheckt, dass Bolsonaro den Teufel mit dem Beelzebub austreiben will. Dass sie einen Rechtsradikalen gewählt haben, berührt sie nicht. Bolsonaro meint z.B., dass er lieber tot wäre, als einen schwulen Sohn zu haben. Zu einer Abgeordneten sagte er, dass sie es nicht verdiene, vergewaltigt zu werden, weil sie zu hässlich sei. Er forderte, politische Gegner zu erschießen und will die UNO verlassen. Bolsonaro inszenierte sich als Anti-Establishment-Politiker. Er verstand es, mit rassistischer, sexistischer und homophober Hetze die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Anders als Donald Trump in den USA ist er jedoch kein direkter Vertreter des Großkapitals. Zwar ist er gut situiert, aber kein Multimillionär. Der Ex-Militär Bolsonaro fordert die Bewaffnung der Bevölkerung oder die Einführung von Folter und Todesstrafe und erhält dafür sogar Zustimmung. Denn 2017 starben in Brasilien mehr als 60.000 Menschen eines gewaltsamen Todes, so viele wie nirgendwo sonst auf der Welt. Doch die Gewalt in Brasilien hat auch eine Adresse und die Opfer haben eine Hautfarbe: Vor allem schwarze Jugendliche aus armen Vierteln. Wie Donald Trump verachtet Bolsonaro die traditionellen Medien und macht durch Fake-News und Hass auf sich aufmerksam. Ein Großteil der Brasilianer bezieht seine Informationen fast nur noch über die sozialen Netzwerke, wie Facebook. Und so funktionierte auch der Wahlkampf. WhatsApp ist zur wichtigsten Waffe der Rechten geworden. Über den Kurznachrichtendienst wurden Falschinformationen in die Welt gesetzt. So wurde z.B. ein geplantes Programm der Arbeiterpartei PT zur Bekämpfung von Homophobie (gegen Lesben und Schwule gerichtete soziale Aversion) an Schulen zur »Frühsexualisierung von Kindern« umgedichtet. Soziale Bewegungen, z.B. die der wohnungslosen Wohnungsbesetzer, will er verbieten, und die Mehrheit seines Kabinetts soll aus Militärs bestehen. Über die brasilianische Militärjunta von 1964 bis 1985 sagt er: Der einzige Fehler der Diktatur war, dass sie nur gefoltert und nicht getötet hat.
Der rechtsradikale Präsident, der die Wahl erst im 2. Wahlgang erreichte, spaltet das Land. Hinter ihm stehen weite Teile der Mittel- und Oberschicht, die die Arbeiterpartei verachtet, sowie fast die gesamte Wählerschaft des bürgerlichen Lagers, deren traditionellen Parteien PSDB und MDB bei den Wahlen abstürzten. Zudem haben sich große Teile des Finanzkapitals und Wirtschaftsverbände hinter seine Kandidatur gestellt.
Irgendwie kommt einem Vieles bekannt vor. Der Zerfallsprozess des politischen Parteiensystems und der nachvollziehbare Frust auf das Establishment, der scheinbar die ganze westliche Welt erfasst hat. Sowie die fatale Gleichgültigkeit, bzw. Verharmlosung rechtsradikaler und faschistischer Tendenzen. Und nicht zuletzt, dass gerade die Rechtsradikalen die sozialen Probleme nicht lösen werden. Flucht und Emigration spielt zwar in Brasilien und im Wahlkampf nicht die entscheidende Rolle, der Hass auf Emigranten existiert aber ebenso und wird von Bolsonaro angeheizt.

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Südamerika (Uruguay, Brasilen)

Ist ein Kontinent der Superlative: Das drittgrößte Land (Brasilien), das längste Hochgebirge (Anden), die trockenste Wüste (Atacama), der drittmächtigste Wasserfall (Iguacu im la-Plata-Becken), der längste Sandstrand (8.000 km Atlantikküste), die höchste (La Paz) und südlichste Hauptstadt (Buenos Aires), sowie die südlichste Stadt (Ushuaia, an der Südspitze Patagoniens). Diese vielleicht wichtigsten Höhepunkte liegen auf meiner Route. Nicht auf meiner Route liegen der größte Strom (Amazonas) mit einzigartigem, tropischem Regenwald, die zweitgrößte Metropole (Sao Paulo), die entfernteste Insel (Osterinsel) und das exotischste Biotop (Galapagos Inseln). Aber alles geht nicht. Südamerika ist genauso bunt und vielfältig wie Europa, aber doch ganz anders. Während Europa eher einem Museum gleicht (langweilig), ist Südamerika eher ein akrobatischer Zirkus (spannend), sagt man. Ich lass mich überraschen.

Uruguay

Als ein vom ständigen Wechsel zwischen klimatisierter Zimmertemperatur auf dem Schiff und sehr warmer Außentemperatur Erkälteter, zieh ich es vor, mich die ersten beiden Tage in Montevideo im Hotel zu kurieren. Ich bin noch ein wenig eingeschüchtert von den vielen Warnungen vor hoher Kriminalität usw.. Aber siehe da, am nächsten Morgen der erste Blick aus dem Hotel: Das Auto steht noch unbeschädigt da. Moralisch gefestigt, entdecke ich die Stadt per Bike. Plötzlich kommen zwei Wohnwagen vom Schiff mit den französischen Pärchen um die Ecke. Ein letzter Abschied, aber vielleicht sieht man sich ja noch einmal, auch wenn die Wege zuerst in verschiedene Richtungen gehen.

  

 

 

 

 

Nicht weit von Montevideo gerate ich erst einmal in einem Camp in eine Schweizer Gemeinschaft, das von einem Schweizer Paar schon viele Jahre geführt wird. Dort stehen mehrere Wohnwagen, die von den Besitzern hier für längere Zeit geparkt werden, um ihre Reise nach einem Heimurlaub fortzusetzen. So entfällt eine Verschiffung. Eine Platz, bzw. eine Möglichkeit der Urlaubsgestaltung, wie sie schon in Afrika zu sehen war. Ein Camp mit allem was ein Camper braucht und mit einem herrlichen Sandstrand, so schön, wie an der Ostsee, nur nicht so überfüllt. Ein Camp, wie ich es auf der weiteren Reise vermissen werde.

Kurz vor Brasilien liegt in rauer aber schöner Landschaft dieser geschützte Park von Santa Teresa mit einem Zeltplatz. Zelten ist in Südamerika verbreiterter, als mit Wohnwagen zu campen. Entsprechend sind auch die Campingplätze anders gestaltet, als in Europa. In Südamerika trifft man sich am Wochenende auf diesen Plätzen, um zu zelten und zu grillen. Ausnahmsweise auch mit Wohnwagen. Und natürlich darf Musik nicht fehlen, möglichst jeder seine.


Brasilien

Ohne Visapflicht geht der erste Grenzübergang nach Brasilien sehr ruhig von statten. In Rio Grande steht auf dem Camp ein Brasilianer, der außer in Rio der letzte mit Wohnwagen sein wird. In der Küstenstadt wird gerappt, Boccia und natürlich Fußball gespielt.

In Torres bietet der Sandstrand sehenswerte Felsformationen.

Havan ist eine brasilianische Kaufhauskette und schon von weitem, wie hier in Florianapolis, an der Freiheitsstatue zu erkennen. Am schönen Strand kommt eine junge Frau und beginnt sich ausziehen ….. , um sich als Model im Bikini fotografiert zu lassen.

Der Strand bietet nachts bei herrlichem Klima unter Palmen einen ruhigen Seegang und ein paar km weiter am nächsten Tag eine stürmische See, in der man besser nicht baden sollte. An der Küstenstraße entlang bieten sich immer wieder herrliche Aussichten. Manchmal trügt der Schein, hinter einem Strand mit weißem Sand und blauem Wasser verbirgt sich ein Atommeiler, betrieben mit deutscher Hilfe. Seit 2011 hat Deutschland trotz des deutschen Atomausstiegsbeschlusses über 170 Tonnen angereichertes Uranhexafluorid und Brennstäbe mit 10 Tonnen Uran nach Brasilien geliefert. Wirtschaftliche Interessen werden von scheinheiliger Politik geschützt (oder: der Zweck heiligt die Mittel).

 

 

 

 

 

 

    


In Paraty sitzt man gut am Strand oder schlendert durch die Altstadt. Am Wahlabend feiern im Zentrum der Stadt ein paar Anhänger ihren neuen Präsidenten.

In der Nacht darauf wird, wie hier in einem neuen Camp, Halloween gefeiert. Der Bardame jedenfalls gefällt ihr Job.

 

 

Große Tiere, wie z.B. die big five in Afrika, gibt es in Südamerika nicht. Dafür viele unbekannte Vogelarten (z.B. die Eule auf dem Kreuz), oder mal eine Exe. Ein Gürteltier, Armadillo, Nasenbär, Coati, Faultier oder ein Großer Ameisenbär ist mir noch nicht über den Weg gelaufen. Wasserschweine sind in den gefluteten Feldern neben der Straße schon öfter zu sehen. Am Meisten gibt es Hunde, die ihr Revier mit lästigem Gekläff verteidigen. Ein Schweizer erzählte, sein treuer Begleiter wäre ihm hier zugelaufen. Der Hund hätte ihn gesucht, nicht umgekehrt.

50 km vor Rio de Janeiro gibt es einen Campingplatz, der zwar dicht am Strand liegt, aber sonst nicht viel bietet und noch dazu teuer ist. Eine Marina in der Stadt bietet zwar einen Parkplatz mit anschließenden Restaurants, aber nicht für Camper, die sich offiziell anmelden. An der Copacabana ist schon Betrieb, denn es ist ja noch Frühling. Am Ende steht der Mann, der den Zuckerhut in der Hand hält. Der Hubschrauber schwebt über dem bekanntesten Mann der Stadt: Christus. Aber man erreicht die Spitze des Hutes auch mit der Seilbahn und wird bei guter Sicht mit einer herrlichen Aussicht belohnt. Mit dem Fahrrad gut zu erreichen ist die Treppe im Künstlerviertel Santa Teresa. Es gäbe noch einiges mehr zu entdecken, aber für Camper ist die Stadt nicht einladend.

Auf dem Weg nach Brasilia soll es in Belo Horizonte ein Camp geben. Bei den im Navi eingegebenen Koordinaten ist kein Camp. Die Stadt ist wie schon Rio ein Gewirr aus Straßen. Ohne Navi keine Chance das unbekannte Ziel anzusteuern. Wegen der Ungenauigkeit zwischen Satellit und Navi müsste man auf der Autobahn Schrittgeschwindigkeit fahren, um die richtige Abfahrt zu finden. Froh wieder aus dem Chaos raus zu sein, steuere ich den nächsten Track-Stop an (hier ein Posto von Shell). Die sind zwar nicht schön, aber für eine Nacht sicher und haben Restaurant und zur Not auch WC und Dusche. In Tres Marias ist an einem Stausee ein Camp, das alles hat, aber nicht mehr (oder noch nicht, weil noch keine Ferien sind) von Einheimischen besucht wird. Touristen habe ich noch nicht gesehen. Nachts wurde auf dem Camp eine 1-Mann Objekt-Bewachung organisiert.

Da es schwierig ist, in Brasilien ein Camp zu finden, das noch funktioniert, fahre ich größere Strecken in weniger Tagen, d.h. die aus Erfahrung geplante Reisegeschwindigkeit erhöht sich. Zudem bieten die Straßen und auch Autobahnen einen guten Zustand. 

Brasilia, die Hauptstadt Brasiliens, bringe ich immer in Verbindung mit Jean Paul Belmondo, der in diesem Jahr 85 wurde. Schuld ist der französische Film „Abenteuer in Rio“, den ich in den 70ern im Kino gesehen habe. In diesem Abenteuer, über das ich heute nur noch lächeln kann, grinste Belmondo locker und leicht Freiheit. Mit ungekünstelter Leichtigkeit, erotischer Melancholie und vergnügter Angriffslust brachte der Schauspieler den intellektuellen Aufbruch der 60ér Jahre, der für Befreiung stand, zum Ausdruck. Das faszinierte mich, ohne mich in meiner Jugend dessen immer bewusst zu sein.
Vielmehr steht aber Brasilia in Verbindung mit dem Präsidenten J.K., der den Traum, eine Hauptstadt Brasiliens zu errichten umsetzte, und an den das Memorial JK erinnert. Sowie mit dem Architekt Oscar Niemeyer, der die bekanntesten Bauten entwarf, wie die  Kathedrale, hier bei Tag und Nacht.

Oder den Platz der Dreifaltigkeit, ä sorry, der drei Gewalten (Exekutive, Legislative und Judikative), hier mit Präsidentenpalast, Nationalkongress und Justizpalast. Der neue Präsident hat zwar die Einhaltung der Verfassung zugesichert. Trotzdem scheinen sich über dem Parlament dunkle Wolken zusammenzubrauen. Die spannende Frage bleibt, was die Opposition dem Rechtsextremen entgegenzusetzen hat, der ab 1. Januar in seinen Palast zieht.

Ob die, die die Steine mit den jeweils passenden Punkten anlegen, sich auch für den nicht so spektakulären Fernsehturm oder das Nationalmuseum von Niemeyer interessieren?

Im Dreiländereck Brasilien- Argentinien- Paraguay liegt der drittgrößte Wasserfall dieser schönen Erde: Iguacu. Die schönsten Einblicke erhält man auf der argentinischen Seite.

 

 

Argentinien

Und es gibt sie noch, die Campingplätze, wo sich Traveller treffen. In Brasilien sind vor allem die städtischen Plätze (Municipal), wenn überhaupt, dann nur am Wochenende von Einheimischen besucht. Dann wird der Campingplatz zum Partyplatz, wo widerstrebende Interessen aufeinandertreffen. Traveller, die als Touristen Land und Leute kennenlernen wollen, waren in Brasilien nicht anzutreffen. Auf einem sehr urischen, naturbelassenen Platz in Poertu-Iguacu (argentinische Seite) findet man einen herrlichen Blick auf den Rio-Parana, in den das Wasser des Iguac-River fließt, und auf den Pool. Herbert, ein Deutscher, der schon lange in Brasilien lebt, meint, das ändert sich in Argentinien. Dort funktionieren die Campingplätze wieder zunehmend, auch als Treffpunkt der Traveller, mit denen man über Gott und die Welt reden, spannende Geschichten über Reiseerlebnisse hören und sich vor allem über Erfahrungen austauschen kann. Herbert versteht seine jetzigen Landsleute nicht, die ein Bolsonaro wählen, der den Teufel mit dem Beelzebub austreiben will. Jetzt, außerhalb Brasiliens, kann ich über das Thema schreiben (s. unter: politischer Reiseblog).

Und weiter geht’s auf geraden, asphaltierten Pisten, auf denen ein entspanntes Fahren möglich ist. In Posadas fällt die Elektrik des Fahrzeugs aus. Den Proace von Toyota kennt hier niemand. Bei dem Typ haben die Japaner mit den Franzosen (Citroen und Peugeot) kooperiert. Die Toyota-Werkstatt kann den Computer nicht lesen und empfiehlt die Citroen-Werkstatt. Die meint, nach einem Tag Arbeit, das nicht reparieren zu können und empfiehlt es in Buenos Aires zu probieren. Also geht die Fahrt ohne Servolenkung weiter mit Stop im Camp Chajari mit Thermalbad und in Colon. Auf geraden Straßen ist das Fahren ohne Servolenkung kein Problem, nur beim Rangieren.
Unter diese Brücke nahe Zarate ist schon die Francia auf dem Weg nach Montevideo geschippert. In Buenos Aires sieht man noch die Absperrungen vor dem berühmten Präsidentenpalast Casa Rosada, die die sog. Weltelite beim G20-Gipfel vor den Demonstranten „geschützt“ haben.

Im Camp Andean Roads stehen schon einige vor allem deutschsprachige Traveller. Hier kann man auch sein Fahrzeug langfristig für einen Heimurlaub stehen lassen oder einen Wohnwagen mieten. Während A. Merkel mit der Weltelite posiert, machen Frauen zum Nicolaus Gymnastik nach heißen Rhythmen.

 

 

Im Stadtteil Tigre fahren Ausflugsschiffe den Fluss entlang, ähnlich wie in Berlin auf der Spree.

In einem der vielen Cafe´s, wie hier im London City Cafe, hat schon Julio Cortazar gesessen. Schriftsteller lassen sich wohl oftmals z.B. von der Cafe-Atmosphäre inspirieren.

Es findet sich eine Toyota Werkstatt, die die Pumpe für die Servolenkung reparieren, also nicht ersetzen will. Inzwischen ist Zeit das Zentrum vom Hotel aus weiter zu erkunden. Vor einer Schule finden sich diese gemalten Verhaltensregeln von oder für Schüler. Zu beobachten auch eine mir unbekannte Tradition, bei der „Opfer“ besprüht werden. In vielen Parks kann man diese riesen Baumwurzeln bestaunen. Obdachlose sind auch sehr viele zu sehen, die hier ungestört im Park schlafen. Zwiebeltürme in Buenos Aires überraschen denn doch etwas. Angenehm bei einem Bier in der lauen Sommernacht ist Oldie-Musik. In der Stadt des Tangos sollte man nicht versäumen sich den Tanz wenigstens anzuschauen. Große Lust zum Mittanzen wird leider gezügelt, wenn man den Tanz nicht beherrscht.

 

 

 

 

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Verschiffung Hamburg – Montevideo

Es gibt mehrere Möglichkeiten 1 Jahr mit einem Wohnmobil durch Amerika zu fahren: Ein Wohnmobil in den USA zu mieten ist wohl sehr teuer. Außerdem kommt man mit Mietautos nicht über die Grenze und in Südamerika sind Wohnmobile z.T. auch unüblich. Will man mit dem eigenen Wohnmobil, oder mit dem selbst ausgebauten Camper fahren, bleibt nur die Verschiffung per Container oder per RoRo-Schiff. Beides nimmt sich vom Preis nicht viel, da neben den Containerkosten noch Kosten für Flug und Hotel kommen würden. Ich entscheide mich für ein Frachtschiff von Grimaldi, welches neben der über Rampe zu erreichenden Transportfläche in 5 Frachtdecks noch Kabinen bietet. Diese werden u.a. von Seebridge und Mafratours angeboten. Die unter italienischer Flagge fahrende Grande Francia ist schon etwas in die Jahre gekommen, misst aber immer noch 214 m und fährt die etwa 13.000 km Seeweg mit bis zu 30 km/h. Vier Wochen dauert die Überfahrt nach Montevideo, incl. Hafenlandgänge. D.h. für eine Seereise muss man Zeit mitbringen. Aber wer die Seefahrt als Teil der gesamten Reise betrachtet, und für den der Weg das Ziel ist, kann die Seefahrt ein besonderes Erlebnis sein.
Zwei Millionen Deutsche reisten 2017 mit schwimmenden Unterhaltungstempeln über die Meere. Das Kreuzfahrtgeschäft boomt gerade. Manche Orte haben so viel Einwohner, wie Kreuzfahrtschiffe Kabinen. Die Folge: Schweröl verpestet Hafenstädte, Massentourismus bedroht Weltkulturerbe („Venedig-Syndrom“).
Passagiere auf einem Frachtschiff sind eher die Ausnahme. Natürlich fällt der Luxus auf einem Frachtschiff etwas bescheidener aus und die Passagiere haben sich dem Betrieb auf einem Frachter anzupassen. Der Preis pro Tag für Unterkunft mit Vollverpflegung und Transport des Vehikels beträgt etwa so viel wie eine Kabine auf einem Kreuzfahrtschiff (Innen, unteres Deck). Die Kabinengröße und der Ausgang ins Freie sind auf Kreuzfahrt- wie auch Frachtschiffen begrenzt, mehr oder weniger. Aber die Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf dem Schiff ist keine Freiheitsberaubung, da selbst verschuldet, oder besser: selbst so gewollt.
Das Frachtschiff hat 6 Doppel-Kabinen für Passagiere. Mit der Francia fahren nur 8 mit: 2 Pärchen aus Frankreich, die Haus und Hof verkauft haben und nun als Rentner im Wohnwagen durch die Welt reisen, wenn sie nicht gerade Kinder und Enkel besuchen. Ein Traveller aus Deutschland, mit 70 der Älteste auf dem Schiff, der im selbst ausgebauten Camper reist und sich seit der Rente nun Teil 3 der Weltreise (Amerika) vorgenommen hat, nach Asien und Afrika. Dann noch ein jüngerer Backpacker aus Schweden, der bei seiner Weltreise nur ökologische Transportmittel mit Schiff, Bus und Bahn nutzen will, sowie ein jüngeres Pärchen aus Spanien und Peru, das mit der Francia hin und zurück fahren will. Die 26-Mann-Crew kommt aus Italien und den Philippinen. Dienstsprache ist Englisch. Einer sozialen Hierarchie folgend, wie auf größeren Schiffen üblich, essen die Passagiere mit in der Offiziersmesse, in der der Käpt’n ein Master und der Messman ein Filipino ist.

Hinter der engen Nordseepassage bei Dover reißt der Telefonkontakt ab. Das Schiff verfügt über Satellit, aber nicht über Internet. D.h. für Smartphone-Nerds würden harte Entzugserscheinungen das Reisen zur Folter machen. Zwischen Marokko und den Kanaren gibt es für ein paar Stunden noch mal spanischen, also europäischen Funkkontakt. Wie auf Befehl finden sich alle (Mannschaft und Passagiere) auf Freideck ein und suchen den Kontakt zu ihren Familien. Danach ist Funkstille. SIM-Karten fürs Handy mit Internet für das jeweilige Land bekommt man nicht auf dem Schiff und auch nicht gleich bei Grenzübertritt, daher lohnt sich deren Anschaffung nur in Ländern mit längerem Aufenthalt.
Am 21. September erreicht die Sonne den Äquator und wechselt zugleich vom nördlichen Herbst in den südlichen Frühling. Der Winter fällt aus, denn auch diese Reise folgt der Sonne. Vier Tage später erreicht auf dem Weg von Dakar nach Rio auch das Schiff den Äquator. Die Uhr wird mehrmals eine Stunde zurückgestellt, wobei die Sommerzeit das Wirrwarr komplett macht, und hoffentlich im nächsten Sommer abgeschafft wird. Das Wasser läuft nicht mehr rechts rum, sondern entgegen dem Urzeigersinn aus dem Ausguss. Zu allem Überdruss schlingert das Schiff in 3 Dimensionen, wenn auch nur leicht, da das Wetter stabil bleibt. Reisetabletten oder Kotztüten werden nicht benötigt (Gott sei Dank).
Der Fahrplan ist ständig im Wechsel. Bei Abreise war noch unbekannt, dass das Schiff im Hafen von Dakar (Senegal) ankert und die Passagiere Ausgang bekommen. Selbst am Ankerplatz wird das Heck des Schiffes von der Besatzung bewacht um blinden Passagieren keine Möglichkeit zu bieten, sich an der Rampe zu verstecken. Vor der Verladung werden die Passagierautos versiegelt. Das Stadtzentrum gleich am Hafen ist weder groß noch spektakulär. Das Leben spielt sich auf der Straße ab, dort wo das Markttreiben stattfindet. Geschäfte gibt es kaum, die Geldautomaten funktionieren nicht.

An Einiges kann ich mich erinnern vom Afrikatrip. Die erschreckende Armut und die Hitze ist immer noch die Gleiche. Ich frage nach dem Weg, schon habe ich einen Guide am Hals. Ich sage, ich brauche keinen Stadtführer, aber er lässt sich nicht abschütteln, und begleitet mich zu einem lokalen Supermarkt. Dafür erwartet er einen kleinen Sack Reis für seine Familie, der umgerechnet etwa 5,-€ kostet und für ihn viel Geld ist. Für mich im Moment auch, da ich für die paar Stunden nicht viel getauscht habe. Das ist kein Betteln, sondern die blanke Armut. Aber nicht so schlimm wie der, der versucht dem Touristen in die Hosentasche zu greifen, weil der den Fotoapparat dort unvorsichtigerweise verstaut hat. Neu war auf dem Weg zum Novotel, wo Touristen mal schnell Geld tauschen können, der französische Supermarkt Auchan, der sehr stark von Sicherheitskräften bewacht wird, wie auch das Hotel. Die in Frankreich produzierten Produkte werden in Senegal billiger verkauft. Darunter leiden lokale Geschäfte und die Armut wird noch größer. Auch in Afrika wächst die Unzufriedenheit. Daraus entstand z.B. die panafrikanische Bewegung „Grande Marche“ (Großer Marsch), die sich seit 2016 mit jährlichen Großdemonstrationen nicht nur in Dakar für ein freies und autonomes Afrika ohne nationale Grenzen und mit einheitlicher Währung einsetzt. Diese Bewegung beruft sich u.a. auf Thomas Sankara, der in den 80er Jahren in Burkina Faso einen sozialistischen Staat aufbauen wollte und dabei Afrika in den Vordergrund stellte, also dem Eurozentrismus eine Absage erteilte. Die Bewegung erinnert gleichzeitig an die Kongo-Konferenz 1919, bei der europäische Kolonialisten Afrika unter sich aufteilten und fordert die Abschaffung der dabei willkürlich gezogenen Grenzen, die bis heute nachwirken. Sie sind Ursache für manchen Grenzkonflikt.

In Dakar ist es heiß, die Sonne brennt und machmal scheint es, verdunkelt der Ruß des Schiffsdiesels nicht nur das Deck, sondern auch die Wolken. Willkommene Abwechslung für Passagiere und Mannschaft der Grillabend, leider ohne Bier. Bei so wenig Auslauf wird der Fitnessraum fleißig genutzt. Die Mannschaft hat über Monate immer zu tun, auch auf dem Deck.

 

 


Für die Passagiere besteht der Tag aus Lesen, Ausgang an Deck, Spielen (z.B. Schach) und Sport. Das Essen ist fürstlich: 3 Mahlzeiten, Lunch und Dinner jeweils in 3 Gängen. Oft gibt es Fisch, auch Kalmare, die der Bauer (wie auch der Ossi) nicht kennt, aber trotzdem isst. Für die Mannschaft ist jeder Tag Schichtarbeit.
Ausflüge in Dakar, Vitoria, Paranagua und Zarate werden urplötzlich und ohne vorherige Information von der Crew angesetzt. In Rio und Santos fällt der Ausgang aus. Besonderen Eindruck macht Vitoria.

Beim Beobachten des Be- und Entladens der Francia im Hafen (insbesondere Rio) kann einem schwindlig werden. Nicht schnell aber unheimlich betriebsam läuft alles ab. Die Container schaukeln am Seil und eine Menge Autos roll en über die Rampe. Ein Wunder wenn da nichts durcheinander kommt. Wer einen Ameisenhaufen aus der Nähe betrachtet, sieht nur Chaos, und doch hat alles System. Der Container mit seinen genormten Maßen macht es möglich und hat den globalen Handel entscheidend vorangetrieben. Keiner kann die Lieferkette der Produkte in den Containern mehr durchschauen, aber alles erreicht sein Ziel. Bei den Porsches, die am Kai aneinander gereiht werden, ist wohl noch nachzuvollziehen, woher sie kommen.

Solange wir einen Ausflug in die Hafenstadt machen, kann ich nicht beobachten, ob nicht ausversehen mein Vehikel auch von der Rampe rollt. Da das Gitter zum Deck verschlossen ist und die Passagierautos versiegelt sind, ist der Zugang zum Auto, zumindest für die Passagiere, nur noch in Ausnahmefällen möglich. So kann ich auch das Fahrrad nicht nutzen, das lässt die Hafenbehörde nicht zu. Der Backpacker verlässt das Schiff in Rio. Angeblich ist das Verlassen des Schiffes in Rio mit dem Fahrzeug nicht möglich, d.h. wenn ich Rio noch sehen will, muss ich von Montevideo wieder Richtung Norden fahren. Das hat jedoch den Vorteil, dass ich, bevor ich in Richtung Süden fahre, die Sonne noch bis zum südlichen Wendekreis kommt, der etwa in Höhe Rio liegt. Denn am stürmischen Kap-Hoorn, kurz vor der Antarktis, kann es auch im südlichen Sommer wesentlich kälter werden, als am Nord-Kap im nördlichen Sommer. In Rio kommen wir abends mit Verspätung an. Aber der Zuckerhut macht beim Ein- und Auslaufen selbst noch als Schatten Eindruck.

 

In Santos bietet sich eine Sicht über die Stadt bis zur Francia im Hafen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kurz vor dem Ziel noch ein Blick in den Maschinenraum. Es ist laut und heiß. Die Maschinen laufen jeden Tag rund um die Uhr, auch im Hafen. In den klimatisierten Zimmern bleibt davon nur noch ein Hintergrundgeräusch.

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Rechtsruck oder Wechselstimmung?

Wer genauer hinschaut, dem wird immer noch schwarz vor Augen. Viel hat sich nicht geändert gegenüber der letzten Wahl. Nur dass die Farben Schwarz (CDU) und Hellblau (CSU) schon recht verblasst sind. Das neue Blau in Sachsen (AfD) ist aber dem Hellblau zum verwechseln ähnlich, d.h. es ist auch nur ein verblasstes Schwarz. Neu und bedauerlich ist, dass eine knappe Mehrheit für Rot/Rot/Grün verloren gegangen ist, die es 2013 rechnerisch noch gab. Aber da hieß es trotz der weitgehenden programmatischen Übereinstimmung, dass es in Deutschland keine Zustimmung für Rot/Rot/Grün gebe. So gesehen dürfte es auch keine Jamaika-Koalition geben. Lediglich 9,3 % der Wähler können sich eine Koalition aus Union, FDP und Grüne vorstellen. Nicht mal eine Mehrheit in diesen Parteien selbst will Jamaika (Schwarz/Gelb/Grün). Die Chance für einen Politikwechsel haben die SPD wie auch die Grünen vermasselt, weil sie nicht bereit waren, auch nur einen Schritt auf die Linke zuzugehen, z.B. in der Frage, dass von Deutschland kein Krieg mehr ausgehen darf. Die SPD glaubt aber immer noch, sie könne die nächste Wahl allein gewinnen. Verbaut wurde die Chance erst jetzt mit dem Wechsel der unzufriedenen Wähler zur AfD, weil die die Hoffnung auf einen Politikwechsel mit den „etablierten“ Parteien verloren haben. Bezieht man die Stimmenanteile auf alle Wahlberechtigten, entfallen auf das Konservative Lager (Union, FDP und AfD lediglich 36,6%. Ein Drittel (!) aller Wahlberechtigten haben nicht, ungültig oder unter 5% gewählt. Politikwechsel hat wieder eine Chance, wenn nur etwa 2 Millionen der Wechsel- und Nichtwähler wieder zu Rot/Rot/Grün zurück wechseln.
WahlLager
Die großen Wahlverlierer sind die Regierungsparteien Union und SPD. CDU/CSU verliert gegenüber 1990 zehn Prozentpunkte, feiert sich aber als Wahlsieger. Der Stimmenanteil der SPD hat sich seit 1989 halbiert. Obwohl lt. Infratest dimap 84% der Wähler glauben, Deutschland gehe es wirtschaftlich gut, sind nur 51% der Wähler mit der Arbeit der Bundesregierung und der CDU zufrieden. Die Unzufriedenen haben lediglich die Seite gewechselt, nicht aber ihre politische Einstellung. Allein 1,3 Millionen Wähler haben statt CDU/CSU jetzt wieder FDP und fast eine Mio AfD gewählt. Gauland wäre als ehemaliges CDU-Mitglied und jetziger AfD-Vize ein typischer Vertreter der Unzufriedenen, wenn er nicht rechtsradikal wäre. Er will sich jetzt nicht nur „sein Volk“, sondern auch seine CDU zurückholen. So gesehen erlebt Deutschland keinen Rechtsruck, es bleibt rechts. Mit dem Wählerwechsel in Richtung AfD bleiben „nur“ die rechten Politikfelder weiter besetzt, die die Union unter Merkel verlassen hat. Die CSU will jetzt „die offene Flanke schließen“, sprich nach rechts rücken. Sie kalkuliert, dass je weiter sie sich nach rechts bewegt, werden die Unzufriedenen wieder zurück zum Original wechseln. Geboren aus Unzufriedenheit entstand eine Wechselstimmung. Viele Wechselwähler sind Protestwähler und umgekehrt, ihnen fehlt politische Aufklärung. Insofern ist die Wechselrichtung nicht nachhaltig. Denn je mehr sich die AfD als Partei „völkischer Nationalisten“ entblößt, werden auch die fast 1 Mio Wechselwähler aus SPD, Grüne und Linke nicht noch mal extrem rechts wählen. Vertagt hat sich auch wieder das Problem, wohin die 25 % der Nichtwähler (Zweitstärkste Kraft in Deutschland), wechseln, wenn sie sich denn bewegen.
Für 57% aller Wähler ist das Programm einer Partei wahlentscheidend, weniger ihr Kandidat. Warum bekommen Kandidaten dann bei der Wahl die Erststimme? Wahlentscheidend waren auch weniger die Zuwanderung von Flüchtlingen als vielmehr z.B. die Schul- und Bildungspolitik. 70% aller Wähler machen sich berechtigte Sorgen, dass „die Gesellschaft immer weiter auseinander driftet“. Vor allem deshalb sind die Regierenden abgestraft worden. 38% haben Angst, dass „zu viele Fremde nach Deutschland kommen“. D.h. der große Teil aller Wähler ist für eine bessere Integration der Flüchtlinge, die nicht ohne Grund flüchten. Das hat die Elite in CDU/CSU, FDP und AfD noch nicht realisiert. 55% aller Wähler sind unzufrieden mit Merkels Flüchtlingspolitik, im Osten mehr als im Westen. Wobei sich die Unzufriedenheit der AfD-Wähler politisch von denen der Linkswähler diametral unterscheidet. AfD-Wähler haben die AfD nicht wegen ihres Programms gewählt, denn das ist für deren Macher nur sekundär. 60% der AfD-Wähler haben AfD aus Enttäuschung gewählt, nicht aus Überzeugung. Fast alle AfD-Wähler wählen die Partei, weil sie sich „nicht mehr sicher fühlen“, weil sie den „Einfluss des Islam verringern“ und den „Zuzug von Flüchtlingen begrenzen“ wollen. Dagegen meinen 86% aller Wähler, dass sich diese Partei „zu wenig von Rechtsextremen abgrenzt“. Aber die Masse der Unzufriedenen sind sind nicht die Rechtsextremen.
Die SPD hat für ihre Jahre als der kleinere Koalitionspartner mit den Konservativen die Quittung bekommen und lehnt jetzt den Verbleib in der große Koalition ab (die gar nicht mehr groß wäre). Koaliert sie ein weiteres mal mit der Union, wäre das Selbstmord. Die Konservativen drängen jetzt die SPD, die große Koalition weiterzuführen. Selbst die Kreide fressende FDP und Grünen appellieren an die demokratische Verantwortung der SPD (als Retter der Nation vor dem Rechtsruck), obwohl sie doch selbst an die Macht wollen. Aber das ist schon wieder neuer Wahlkampf, obwohl der jüngste gerade erst beendet ist.
Wenn die SPD wieder zu alten sozialdemokratischen Zielen finden will, müsste sie sich noch sehr viel bewegen. 53% der Wähler meinen, dass die Grünen zur Union passen, so wie sie sich entwickelt haben. Der Wahlgewinner (schwarz, konservativ) hat auch keine andere Option, als Jamaika, wenn die SPD konsequent bleibt. Eine knappe Mehrheit von 53% der SPD-Wähler ist immer noch für eine Koalition mit der Union, entgegen ihrer Führung. Bei FDP und Grünen steht eine satte Mehrheit ihrer Wähler für eine Koalition mit der Union. Gegen die Wählerstimmung wird die CDU eine Jamaika-Koalition versuchen. Sie hat es inzwischen mit 3 Partnern zu tun, weil die CSU gegen die Kanzlerin opponiert. FDP und Grüne wollen nur pokern. Mit der AfD will noch keiner, obwohl es inhaltlich große Übereinstimmungen mit dem konservativen Lager gibt.
69% aller Wähler meinen, dass sich „mit der Union die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet hat“, bzw. „der Wohlstand ungleich verteilt ist“. Die einzige Partei, die das lt. Ihrem Programm ändern will, und die die „Dinge beim Namen nennt“, ist die Linke, meinen 81% der Wähler. Dagegen ist der Stimmenanteil der Linken relativ gering, und damit auch ihre Möglichkeiten, daran etwas zu ändern. Nur 16% aller Wähler sprechen der Linken Kompetenz in sozialen Fragen zu. Ein Widerspruch! Wie lange noch? Zu lange wurde die Linke dämonisiert, mit politisch unlauteren Mitteln. Gerade mal 20% aller Wähler finden, dass die SPD zur sozialen Gerechtigkeit steht. Das entspricht ihrem Stimmenanteil. Dagegen sind sich 59% der SPD-Wähler unklar darüber, wofür die Partei eigentlich steht. Ihnen steht der Weg in die Linke offen, meinen 96% der Linke-Wähler, die wissen was sie wollen. 57% aller Wähler glauben an die wirtschaftliche Kompetenz der Union, zu Unrecht. Ihnen fehlt Aufklärung. Aber wer will sich schon aufklären lassen. Alle wissen es besser. Den Grünen wird nur nennenswerte Kompetenz in Umweltpolitik zugesprochen. Nicht nennenswerte Kompetenzen sehen Wähler bei der FDP (8% Steuerpolitik), und bei der AfD (8% Flüchtlingspolitik).
Bedauerlich ist, dass die Parteien schon wieder in ihrer Tagespolitik versunken sind, bevor sie realisiert haben, welche Botschaften diese Wahl überhaupt senden sollte.

 

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Kommt der Rechtsextremismus aus der DDR?

Die Ostbeauftragte der Bundesregierung Iris Gleicke (SPD) hat das Institut für Demokratieforschung in Göttingen beauftragt zu analysieren, warum gerade auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sich so stark ausdehnen konnte. Nach der Vereinigung wurden insbesondere im Osten Deutschlands fremdenfeindliche und rechtsextremistische Aktionen und das Erstarken von Pegida sowie rechtsradikale Initiativen und Organisationen wahrgenommenen. Wegen der Studie gibt es jetzt Zoff, nicht nur weil sie handwerkliche Fehler enthält, sondern vorallem weil sie wohl politisch ungewollte Aussagen enthält. Sie wirft besonders der CDU-geführten sächsischen Landesregierung Versäumnisse im Kampf gegen rechte Gesinnung vor. Zu Recht, meint der Historiker Ulrich van der Heyden im nd. Aber im Wahlkampf? Das geht ja gar nicht.
Die Studie enthält Fehler und Ungenauigkeiten. Z.B., dass es in der DDR 8600 rassistische oder antisemitische Vorfälle gegeben habe. Die hohe Zahl ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass die Stasi in der DDR akribisch jeden rechtsextremen Fall registriert hat, wogegen zuständige Stellen, wie Geheimdienste, in der BRD gerade auf dem rechtem Auge blind sind. Grundsätzlich falsch ist z.B. die Aussage, dass die DDR-Führung eine „Verschleierung des Faschismus“ erzwungen habe. Lt. Studie waren rechtsextremistische Parolen in der DDR anfangs weniger eine Identifikation mit dem Nationalsozialismus, als vielmehr eine „Identifikation mit dem Feind des Feindes“. Deshalb machte das Strafgesetzbuch der DDR Unterschiede zwischen dem Straftatbestand des Rowdytums, der Faschistischen Propaganda und der Völker- und Rassenhetze. Die DDR verstand Nation als eine Entscheidung für ein progressives Projekt, nicht als heilige Geschichts- oder Abstammungstatsache. Die Reduktion von Nation auf Nationalität, wie heute in der AfD üblich, galt in der DDR als reaktionär.
DDR-Bürger konnten zwar nicht in die Welt reisen, aber ihnen wurde die Welt ins Haus gebracht: Durch internationale Sportveranstaltungen, wissenschaftliche Konferenzen, Jugendtreffen und Weltfestspiele. Dass Vertragsarbeiter in der DDR »isoliert« hätten leben müssen, ist ebenfalls ungenau. Immerhin hatten allein junge mosambikanische Männer tausende Kinder mit DDR-Frauen. Während in der Göttinger Studie die krampfhafte Suche nach möglichen Wurzeln für heutige Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in der DDR-Vergangenheit durchblickt, zeigt dagegen die Studie der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung, dass die Formel DDR = AfD auch empirisch nicht aufgeht. Wenn diese im Osten stärker ist, liegt das nicht an einem DDR-Kulturerbe, sondern an Erfahrungen in der erweiterten Bundesrepublik nach der Wende.
Die größte Schwachstelle der Studie aus Göttingen ist daher, dass sie nicht untersucht was in den inzwischen 27 Jahren nach der deutschen Vereinigung schiefgelaufen ist. Da blieben z.B. die vom „Kanzler der Einheit“ versprochenen „blühenden Landschaften“ aus. Und viele Ostdeutsche beklagen, dass ihnen nach 1990 nicht nur die Arbeit, sondern auch ihre Würde genommen wurde. Der Sozialphilosoph Oskar Negt meint, man könne nicht die Biografien eines ganzen Volkes mit einem Schlag für null und nichtig erklären. Wer andauernd in einem demütigenden Entwertungszustand gehalten werde, der beginne mit der Wiederherstellung seiner Würde auf einer rebellierenden Ebene. Daniela Dahn erinnerte in einem Buch an den enormen Aderlass an jungen, kreativen, gebildeten und lebenslustigen Menschen, die im gewendeten Osten keine Zukunft sahen. Zurück blieben weniger Bewegliche und ein im Vergleich zu Westdeutschland überdurchschnittlich hoher Anteil an Rentnern, Die von Negt vorhergesagte Rebellion habe sich schließlich in Fremdenfeindlichkeit und Zusammenschlüssen wie Pegida und AfD entladen, in einem „neuen Nationalismus der Deklassierten“, vor den namhafte Wirtschaftswissenschaftler aus beiden deutschen Staaten in ihrem „Warnruf der ökonomischen Vernunft“ bereits 1990 gewarnt hatten. Der letzte DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel (CDU) meint dazu: „Die wildgewordenen Spießer, die heute mit Pegida auf die Straße und gegen Asylbewerber zu Felde ziehen, sind nicht so, weil sie in der DDR lebten, sondern weil sie eine scheiß Angst davor haben, dass ihnen ihr bisschen Wohlstand genommen wird. Das ist nicht die Furcht vor dem Fremden, sondern vor ihrer eigenen Zukunft, die ungewiss ist. Diese Furcht hat nun wahrlich nichts mit der DDR-Vergangenheit zu tun“.

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